Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (1973, Jg. 5, H. 17-20)

beinhaltet eine langfristige Wirkung, die ebenfalls 
eine Leistungssteigerung zugunsten des Unterneh- 
mers bedautet und ihm zusätzlich noch Steuervor- 
teile einbringt. 
Prämiensysteme 
Prämiensysteme zielen direkt auf eine differenzierte 
Leistung im Arbeitsprozeß, die sich entweder durch 
besonders geringen Zeitaufwand oder besondere Quali 
tät (gewonnener Wettbewerb) auszeichnet. 
Die Zeitprämie nimmt zum Teil in Planungsinstitutionen 
den Charakter eines Akkordsystems an, wobei der Normal 
satz periodisch erhöht wird, was gegenüber manuellen Ar- 
beiten hier jedoch besser vertuscht werden kann. Auch bei 
den Präminesystemen wird versucht, den Anschein der 
Vergütung von Extraleistungen zu geben; da diese Bezah- 
lung jedoch nicht den Extraprofit des Unternehmers an- 
tastet und zusätzlich eine Disziplinierung der Angestellten 
erzielt wird, liegt der Nutzen beim Unternehmer. 
Die Verschleierungsmechanismen des Verhältnisses zwischen 
Lohnarbeit und Kapital, wie sie den angestellten Archiekten 
gegenübertreten, sind bei dem sogenannten „freien Mitarbei- 
terverhältnis‘“ noch weitergehend. Die freien Mitarbeiter 
sind quasi Lohnabhängige, sie verkaufen ihre Arbeitskraft 
an Unternehmer, unterstellen sich damit dessen Verwer- 
tungsinteresse, gehen dabei jeodch kein festes Anstellungs- 
verhältnis ein, sondern binden sich vertraglich nur für eine 
quantitative oder qualitative Aufgabe (z.B. zwei Monate 
Urlaubsvertretung, ein Jahr Bauleitung oder Bearbeitung 
eines Wettbewerbs). Das verstärkt die Illusion relativ 
unabhängig zu sein, besonders wenn dabei eine günstige 
Bezahlung erzielt werden kann. Dabei ist aber wesentlich 
daß für den „freie Mitarbeiter“ jegliche Sozialleistungen 
entfallen; also die zunächst günstig (scheinende finanzielle 
Stellung, durch eine hohe Arbeitsplatzunsicherheit und 
Eigenfinanzierung jeglicher Kosten, die durch Arbeitsaus- 
fall, Krankheit, Invalidität und Altersversorgung verur- 
sacht werden, modifiziert wird. 
Dennoch scheinen die Erfahrungen der Arbeitssituation 
und der Arbeitsplatzunsicherheit zunehmend das ideolo- 
gische Selbstverständnis der Architekten als freie, schöpfe 
rische, mit Lust und Liebe arbeitende Individuen aufzu- 
brechen. Denn die Großbüros beschäftigen nicht nur 
die Architekten massenhaft als ganz gewöhnliche Lohn- 
arbeiter — und stellen damit die Bedingungen der Ein- 
sicht in die objektive Lage der abhängigen Architekten 
her, sie bieten auch die Möglichkeit, die Ideologie der 
Individualität, die im kleinen Büro mit seinen feudalen 
Zügen persönlicher Bindungen und Abhängigkeiten so 
schwer entschleiert werden kann, in der kollektiven 
Auseinandersetzung um Arbeitsbedingungen, Lohnhöhe 
etc. praktisch zu überwinden. Ausdruck für ein verän- 
dertes, die reale Situation reflektierendes Bewußtsein 
ist die in den letzten Jahren bei Architekten einsetzende 
Gewerkschaftsdiskussion, die bereits zur Bildung von 
Fachgruppen der Angestellten in Architektur- und 
Planungsbüros innerhalb der Gewerkschaft Bau Steine 
Erden geführt hat als ein erster Schritt praktisch-politi- 
scher Konsequenz auf die Verallgemeinerung der Lohn- 
arbeit bei Architekten. 
Neben diesen verschiedenen Stufen der Verschleierung 
des Ausbeutungsverhältnisses, dem die angestellten Archi- 
tekten unterliegen, stellen Leitungsfunktionen, Lohnhöhe 
und Arbeitsplatzbedingungen (saubere Arbeit, kein Ma- 
schinenlärm und noch relativ lockere Überwachungsmetho 
den, die allerdings durch Großraumbüros, Stechuhren und 
ähnliche Veränderungen langsam abgegaut werden) 
Momente dar, die einerseits erhebliche Unterschiede zur 
Masse der Lohnabhängigen bedeuten, die andererseits 
den lohnabhängigen Architekten die Einsicht in die 
grundsätzliche Entwicklung ihrer eigenen Lage erschweren. 
An
	        

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