Profit (profit upon alienation oder Veräußerungsprofit)
eine bloße Verschiebung des Reichtums von einem zum
anderen sei. Die zweite Sorte ist der Profit der Kapitalisten
die sich immer nur gegenseitig übers Ohr hauen, indem sie
sich Waren über Wert verkaufen. Über den positiven Profit
weiß Steuart nur zu sagen, daß er entspringt aus der „Ver-
mehrung der Arbeit, Industrie und Geschicklichkeit”,
ohne sich weiter um nähere Bestimmungen zu kümmern.
Doch liegt in jener Unterscheidung zwischen „positivem“
und „relativem“ Profit gleichsam die theoretische Grund-
lage, aufgrund derer die Physiokraten — ob nun bewußt
auf Steuart aufbauend oder nicht — als erste, sozusagen
als logische Fortsetzung von Steuart, die Untersuchung
über den Ursprung des Mehrwerts aus der Zirkulations-
sphöre in die Sphäre der Produktion verlegen konnten.
Wie sieht nun diese erste Form der im Kern korrekten Auf.
fassung des Mehrwerts aus?
Die „Achse” der physiokratischen Lehre bildet die rich-
tige Einsicht, daß der Wert des Arbeitsvermögens zunächst
als fixe Größe zu bestimmen ist (was natürlich im ahisto-
risch-absoluten Sinne falsch ist, wohl aber richtig im je-
weilig gegebenen Zeitpunkt). Dieser Wert bestimmt sich
nach dem Preis der für die Reproduktion des Arbeitsver-
mögens notwendigen Lebensmittel, die Agrikulturprodukte
sind. Dieser konstante Preis der Arbeitskraft ist das Mini-
mum des Salairs.
Die zweite wichtige korrekte Auffassung der Physiokraten
liegt darin, daß sie nur die Arbeit als produktiv begreifen,
die Mehrwert schafft. Da sie aber den Wert selbst noch
nicht entschlüsseln konnten als abstrakte Arbeitsquantität
(und zwar deswegen nicht, weil ihnen ihr noch feudal ver-
stellter Blick das bürgerliche Volksvorurteil von der Gleich-
heit aller Menschen nicht in ihr Denken eingehen ließ),
muß für sie das „Minimum des Salairs” selbstverständlich
Naturgegebenheit sein. Daher muß ihnen der Mehr-
wert entspringen nicht aus der Mehrarbeit der produk-
tiven Arbeiter, sondern aus der Differenz zwischen dem
notwendigen „Minimum des Salairs”, also dem konstanten
Wert der Arbeitskraft, und dem Wert der während eines
Arbeitstages von den Arbeitern produzierten Gebrauchs-
werte. Für die Physiokraten besteht der Mehrwert also aus
der Differenz zweier in gleicher Weise natürlicher Konstan-
ten: dem Wert der Arbeitskraft und der
Länge des Arbeitstages. Unter diesen theo-
retischen Voraussetzungen ergibt sich für die Physiokraten
logischerweise nur eine mögliche Quelle des Mehrwerts:
die Natur, die Erde. Die Tatsache des Mehrwerts ergibt
sich also aus dem günstigen Umstand, daß der Boden, der
bebaute Boden, mehr Nahrung hergibt als jenes selbstver-
ständlich vorausgesetzte Minimum der unmittelbaren Re-
produktion der Arbeitskraft. Der Mehrwert ist somit also
der Üherschuß der in der Agrikultur produzierten Ge-
brauchswerte. (vgl.S.18) Dies ist sozusagen handgreiflich sichtbar
in der Agrikultur, auch ohne Wertbegriff. Dagegen ist der
Mehrwert, wie ihn die Physiokraten begreifen, völlig ver-
hüllt in der Manufaktur, wo die Arbeiter überhaupt keine
Lebensmittel produzieren. Daraus ziehen die Physiokraten
nun den notwendigen Schluß, daß allein in der Agrikultu:
Mehrwert geschaffen wird, daher die Grundrente
die einzige Form des Mehrwerts sei. „Industrieller Profit
und Geldzins sind nur verschiedene Rubriken, worin sich
die Grundrente verteilt und zu bestimmten Teilen aus der
Hand der Grundeigentümer in die Hand anderer Klassen
übergeht.” 30)
Somit ist die Mehrwerttheorie der Physiokraten die ge-
naue Umkehrung der Auffassung der Klassischen Öko-
nomen: Nicht die Grundeigentümer erscheinen hier als
erpresserische Schmarotzer und ungebetene, aber zähne
knirschend gedultete Tischgäste beim Verzehr des Mehr
werts, sondern bei den Physiokraten erscheint vielmehr
vice versa der Kapitalprofit als reine Revenue aus dem
vom Grundeigentum produzierten Mehrwert (als eine
Art „höherer Arbeitslohn, die in die Kostenrechnung
der Kapitalisten eingeht wie das „Minimum des Salairs.”)
Damit sind für die Physiokraten die nicht-agrikolen Kapi-
talisten zu Unrecht, was für die Kapitalisten zu Recht die
Grundeigentümer: eine überflüssige Klasse, die mit der
Produktion des bürgerlichen Reichtums nichts zu tun hat
Auf den ersten Blick scheint es also, als seien die Physio-
kraten die Theoretiker der feudalen Reaktion gegen die
aufkommende kapitalistische Produktionsweise. Doch
wie fast immer, trügt auch hier der Schein ganz gewaltig.
Die Physiokraten waren gerade trotz — oder vielmehr, wie
wir noch sehen werden, wegen -— ihrer Verherrlichun:
des Grundeigentums, damit der feudalen bzw. halbfeud:ı
len Grundbesitzerklasse Frankreichs die ersten wirklichen
Dolmetscher des Kapitals, indem sie nämlich, wie schon
bekannt, den Ursprung des Mehrwerts in der Produktion
entdeckten. Sie übersetzten damit die halbfeudalen Agrar-
verhältnisse des vorrevolutionären Frankreich in die
Sprache der englischen Manufakturkapitalisten jenseits
des Kanals, die allerdings auf ihren eigenen Dolmetscher,
zumindest was die Ökonomie betrifft. noch warteten.
So haben wir das scheinbar paradoxe Ergebnis, daß die
erste wissenschaftlich-ökonomische Theorie des Kapitals
erscheint im Gewand einer feudal inspirierten Rechtferti-
gung des Grundeigentums. Marx sagt darüber folgendes:
„Es sind dies alles Widersprüche der kapitalistischen Pro-
duktion, die sich aus der feudalen Gesellschaft herausar-
beitet und letztere selbst nur mehr bürgerlich interpre-
tiert, ihre eigentümliche Form aber noch nicht gefunden
hat, wie etwa die Philosophie, die sich erst in der reli-
giösen Form des Bewußtseins herauskonstruiert und da-
mit einerseits die Religion als solche vernichtet, anderer-
seits positiv sich selbst nur noch in dieser idealisierten, in
Gedanken aufgelösten Sphäre bewegt.” 31) Und:
„Die Emanzipation der bürgerlichen Gesellschaft von der
auf den Trümmern der Feudalgesellschaft errichteten ab-
soluten Monarchie findet also (in der Theorie der Phrysio-
30) MEW26.1,a.a.0.,5.17 f
31) MEW 26.1, a.a.0.,5S. 22.