Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (1973, Jg. 5, H. 17-20)

Wesens der kapitalistischen Produktionsweise abzielen, 
während der dritte Band die Erscheinungsformen der ka. 
pitalistischen Wirtschaft als Erscheinungsformen des be- 
griffenen Wesens darlegt.”” 42) 
Die Behandlung der Grundrente setzt also zum einen voll 
entwickelte kapitalistische Produktionsverhältnisse vor- 
aus, zum andern die vorher erfolgte und begriffene Dar- 
stellung des Wesens dieser Produktionsverhältnisse. Unter 
diesen Voraussetzungen fällt die Grundrente unter den 
Obertitel „Verwandlung von Surplusprofit in Grund- 
rente” (Kapital II, sechster Abschnitt), da nur in dieser 
Weise die Zahlung einer Grundrente vom Kapitalisten an 
den Grundeigentümer stattfinden kann. 
Surplusprofite können aus verschiedenen Ursachen ent- 
stehen und sich unterschiedlich in Rente umwandeln las- 
sen. Das Wesen und die Arten der Rente im einzelnen 
sind Gegenstand der Marxschen Analyse, die wir in den 
Kapiteln I bis III als Exzerpt wiedergeben. Dabei ist ver- 
sucht worden, die wesentlichen Punkte und den gedank- 
lichen Zusammenhang so herauszustellen, daß die Arbeit 
als Leitfaden und Orientierungshilfe bei der Lektüre des 
„Kapital“ dienlich ist, andrerseits aber auch ohne diese Lek: 
türe einen verständlichen Einblick in das Rentenpro- 
blem gibt. 
Das vierte Kapitel faßt die Möglichkeiten, Surplusprofite 
in Renten zu verwandeln, oder umgekehrt durch Renten- 
forderungen Surplusprofite zu erzwingen, unter dem 
Aspekt des Monopols zusammen und leitet über in den 
Bodenpreis, in dem die Besonderheiten der einzelnen 
Rentenarten völlig eingeebnet erscheinen. Die Preisbil- 
dung auf dem Bodenmarkt führt schließlich in die aktu- 
elle Problematik der Bodendiskussion, die hier selbstver- 
ständlich nicht ausführlich abgehandelt werden kann. 
Es ist lediglich beabsichtigt, die Linie von der Stellung 
des Grundeigentums in der bürgerlichen Gesellschaft über 
das Wesen der Rente bis zu ihren Erscheinungsformen 
aufzuzeigen, und das Verständnis der letzteren aus diesem 
Zusammenhang zu erschließen. 
[. EINLEITENDES: DIE ÖKONOMISCHE REALISIE- 
RUNG DES KAPITALISTISCHEN GRUNDEIGEN - 
TUMS IN DER GRUNDRENTE 
Die Voraussetzung des kapitalistischen Privateigentums 
an Grund und Boden, mit dem wir uns hier ausschließlich 
befassen, ist die Befreiung der unmittelbaren Produzen- 
ten (Sklaven, Leibeigene) aus’ihrer Stellung eines bloßen 
Zubehörs zum Bodens einerseits und der Vertreibung der 
Masse des Volkes von Grund und Boden andrerseits. Da- 
durch wurde das Grundeigentum von der unmittelbaren 
Verknüpfung mit Herrschafts- und Knechtschaftsbedingun: 
gen gelöst, der Boden wurde zu einer reinen Arbeitsbedin- 
gung, die getrennt von der Person des Eigentümers fungie- 
ren kann. 
42) Jindrich Zeleny, Die Wissenschaftslogik bei Marx und 
„Das Kapital”, Frankfurt 1970, 5. 165 £. 
Dies geleistet zu haben, ist das historische Verdienst der 
kapitalistischen Produktionsweise, die damit erst die be- 
wußte Anwendung wissenschaftlicher Agronomie und die 
Rationalisierung der Agrikultur ermöglichte. 
Die vollständige Durchsetzung der kapitalistischen Produk 
tionsweise in der Landwirtschaft zeigt sich in ihrer klassi- 
schen Form in England: Der Grundeigentümer verpachtet 
seinen Boden als Produktionsbedingung an einen Pächter- 
kapitalisten, der seinerseits landwirtschaftliche Lohnarbei- 
ter beschäftigt. Der Pächter verfügt über Kapital, das ihm 
wie in jeder anderen Produktionssphäre Profit bringen 
muß. Er produziert in der Landwirtschaft Weizen, wie er 
anderswo als Fabrikant Garn oder Maschinen produzieren 
würde, „Die Unterstellung, daß die kapitalistische Produk- 
tionsweise sich der Landwirtschaft bemächtigt hat, 
schließt ein, daß sie alle Sphären der Produktion und der 
bürgerlichen Gesellschaft beherrscht, daß also auch ihre 
Bedingungen, wie freie Konkurrenz der Kapitale, Über- 
tragbarbeit derselben von einer Produktionssphäre in die 
andere, gleiche Höhe des Durchschnittsprofits usw. in ih- 
rer ganzen Reife vorhanden sind.” 43) 
Es gilt nun zu untersuchen, wie unter diesen Bedingungen 
sich das juristische Eigentum bestimmter Personen am Bo- 
den ökonomisch realisieren kann, d. h. also wie sie sich 
Teile des Mehrwerts aneignen können. 
„Das Grundeigentum setzt das Monopol gewisser Personen 
voraus, über bestimmte Portionen des Erdkörpers als aus- 
schließliche Sphären ihres Privatwillens mit Ausschluß aller 
anderen zu verfügen. Dies vorausgesetzt, handelt es sich 
darum, den ökonomischen Wert, d. h. die Verwertung die- 
ses Monopols auf der Basis der kapitalistischen Produktion 
zu entwickeln. Mit der juristischen Macht dieser Personen, 
Portionen des Erdballs zu brauchen und zu mißbrauchen, 
ist nichts abgemacht. Der Gebrauch derselben hängt ganz 
und gar von ökonomischen Bedingungen ab, die von ihrem 
Willen unabhängig sind. Die juristische Vorstellung selbst 
heißt nichts weiter, als daß der Grundeigentümer mit dem 
Boden verfahren kann, wie jeder Warenbesitzer mit seiner 
Ware _” 44) 
Für den Grundeigentümer stellt sein Grundeigentum — öko- 
nomisch gesehen — nichts weiter dar als die Möglichkeit der 
Erhebung einer bestimmten Geldsteuer, die er vermittels 
seines Monopols für die Benutzung des Bodens von einem 
indsutriellen Kapitalisten, dem Pächter, verlangen kann. 
Der Pächter zahlt also dem Grundeigentümer eine kontrakt- 
lich festgesetzte jährliche Summe für die Erlaubnis, sein 
Kapital in diesem besonderen Produktionsfeld anlegen zu 
dürfen, Die Geldsumme heißt Grundrente, einerlei, ob sie 
von Ackerboden, Bauboden, Bergwerken, Fischerei oder 
Wald gezahlt wird 
43) MEW 235, a.a.O., S. 627. 
44)  a.a.O., 5. 628 £.
	        
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