ARCH+ 6.Jg. (1974) H.23
5;
5
EINLEITUNG
Marc Fester
„INFRASTRUKTUR“ UND
KAPITALVERWERTUNG
Zur Kritik von D. Läpples
„Staat und allgemeine Produktionsbedingungen“‘
Die Frage der Veröffentlichung des folgenden Artikels wurde
in der Redaktion von ARCH+ sehr kontrovers diskutiert. Dies
sowohl aus prinzipiellen Gründen — ausgehend von der Frage,
ob es sinnvoll ist, im Rahmen von ARCH+ derartige theoretische
Grundsatzdiskussionen zu führen —, wie auch aus Gründen, die
sich unmittelbar auf den Inhalt des Artikels selbst bezogen.
So wurde von einzelnen Redaktionsmitgliedern bezweifelt, ob
dieser Artikel die Diskussion um die „Allgemeinen Produktions-
bedingungen” methodisch und inhaltlich in der richtigen Rich-
tung weiterführt, bzw. tatsächlich einen weiterführenden Beitrag
leistet zu der Diskussion, die darauf abzielt, den vom Stand-
punkt der Kritik der politischen Ökonomie allgemein als frag-
würdig anerkannten Begriff der „Infrastruktur” zu überwinden
und durch einen aus dem System der Kritik der politischen Öko-
nomie entwickelten Begriff zu ersetzen. Trotz der kontroversen
Diskussion beschloß die Redaktion den Abdruck des Artikels,
allerdings mit der Auflage, auf die kontroversen Positionen in
einer Vorbemerkung hinzuweisen. bzw. die Kritik an diesem
Artikel in einer Replik zum Ausdruck zu bringen.
Da inzwischen jedoch Dieter Läpple der Redaktion zugesagt
hat, im Rahmen von ARCH+ auf die von Marc Fester an seinem
Buch „Staat und allgemeine Produktionsbedingungen” formu-
lierte Kritik einzugehen, und somit eine Fortführung dieser Dis-
kussion gewährleistet scheint, stellen die Mitglieder der Redak-
tion, die diese Replik schreiben wollten, diese zunächst zugun-
sten einer weiteren Diskussion verschiedener Autoren zu dem
Thema der „‚Allgemeinen Produktionsbedingungen” zurück.
Die Redaktion mißt dieser Diskussion um die begriffliche Fassung
derjenigen Bereiche des gesellschaftlichen Reproduktionsprozes-
ses, die in der bürgerlichen Wissenschaft mit dem Begriff der
„Infrastruktur” umschrieben werden, besondere Bedeutung bei,
da die theoretische Durchdringung dieser Bereiche vom Stand-
punkt der Kritik der politischen Ökonomie zu den Voraussetzun-
gen politischer Arbeit im Wohn- und Stadtteilbereich gehört und
da diese Bereiche Gegenstand einer Vielzahl in ARCH+ erschiene-
ner Artikel waren und auch sicherlich weiterhin sein werden.
Dieter Läpple: Staat und allgemeıne Produktionsbedingun-
gen. Grundlagen zur Kritik der Infrastrukturtheorien, West-
berlin 1973; im folgenden auch im Text zitiert als „D.L.”.
Eine solche Beschränkung ist möglich, weil Läpple den
Übergang zu den ökonomischen Funktionen des bürgerli-
chen Staates nur als historisches Problem betrachtet, statt
In der marxistischen Diskussion um die Rolle der allge-
meinen Produktionsbedingungen im „Verhältnis von
Ökonomie und Politik“ 1) wurden bislang im wesentli-
chen drei Positionen vertreten:
1. Die allgemeinen Produktionsbedingungen sind gemein-
schaftlich genutzte Bedingungen und können daher nicht
unter der Form der Ware, also privat, erstellt werden.
2. Die allgemeinen Produktionsbedingungen sind als
staatlich vermittelte Produktionsbedingungen bestimmt,
unabhängig von Besonderheiten ihres Gebrauchs.
3. Die allgemeinen Produktionsbedingungen sind gemein-
same, gleichzeitig in verschiedenen Produktionsprozessen
konsumierte Gebrauchswerte. Besonderheiten ihres Ge-
brauchs bedingen bestimmte gesellschaftliche Formen,
bestimmte Formen der Wertzirkulation bzw. ihre Ver-
staatlichung.
Die Unhaltbarkeit der ersten Position werden wir nach-
weisen. Die zweite Position, die neuerdings wieder vom
Projekt Klassenanalyse vertreten wird, ist Gegenstand un-
serer nachgetragenen Replik. Die dritte Position ist die —
im Prinzip auch von Läpple vertretene, aber durch eine
Reihe grundsätzlicher Fehler der Darstellung verunklarte —
Position, die Marx in den ‚Grundrissen‘ skizziert. In Form
einer Kritik an Läpple versuchen wir, diese Begriffsbe-
stimmung zu rekonstruieren und die Frage nach der Ka-
pitalisierbarkeit allgemeiner Produktionsbedingungen und
den Gründen ihrer Verstaatlichung einer Klärung näher-
zubringen.
Läpples Buch „Staat und allgemeine Produktionsbedin-
gungen“‘ behandelt nicht einen, sondern zwei Gegenstände
den Staat und die allgemeinen Produktionsbedingungen.
Wir beschränken unsere Kritik auf den zweiten Teil, also
die Darstellung des Begriffs der allgemeinen Produktions-
bedingungen und der Frage ihrer Kapitalisierbarkeit. bzw
den Gründen ihrer Verstaatlichung: 2)
Unsere Darstellung folgt daher einer dreiteiligen Gliederung:
Teil I: Zum Begriff der allgemeinen Produktionsbedingungen
Teil II: Form der Zirkulationsweise des Werts kapitalistisch
betriebener allgemeiner Produktionsbedingungen
Teil III: Schranken der Kapitalisierbarkeit und Gründe der
Verstaatlichung der allgemeinen Produktionsbedingungen.
erst im Zuge der Kapitalentwicklung notwendig gewor-
dene Staatsfunktionen als im „allgemeinen Begriff“ die-
ses Staates enthaltene Möglichkeit der Form zu entwik-
keln. Seine Staatsableitung wird weder in der Darstellung
der „APB” weitergeführt, noch ist sie dieser vorausgesetzt
setzt.