waltsame Umstrukturierungsprozesse eher die Ausnahme
bilden werden 25), Hauptfelder des Zugriffs von Investo-
ren und der Planung werden weniger Innenstadtrandge-
biete und Stadtrandsiedlungen sein, sondern „neue Aufga-
ben“ wie z.B. das Aufmotzen von Stadtteil- und Vorort-
zentren im Zuge einer „multizentrischen Stadtentwick-
lung“, welche droht, im kleinen das zu wiederholen, was
im großen in den Innenstädten schon abgelaufen ist.
Im Architekturbereich stellt sich die Situation weit
differenzierter dar. Wir greifen nur einige Punkte heraus:
Zunächst schlägt sich die ökonomische Krise in Massen-
entlassungen nieder und zwar vor allem in Großbüros.
Dies bestätigt zwar die Proletarisierungstendenz der lohn-
abhängigen Architekten und vor allem die Konjunktur-
abhängigkeit der Beschäftigungslage auch hier, welche
politischen Konsequenzen sich aber hieraus ergeben läßt
sich gegenwärtig schwer abschätzen. Spezialisierte Klein-
büros haben sich jedenfalls behaupten können, so daß hin-
sichtlich der Betriebsstruktur im Architekturbereich eine
Stabilisierung der bisherigen Tendenz zu erwarten ist,
nämlich so etwas wie eine Arbeitsteilung zwischen Groß-
und Kleinbüros.
Auf der ideologischen Ebene überlagern sich Spätaus-
läufer der sozialen Erneuerungsbewegung der Architek-
tur im Zuge der Reformdiskussionen mit Reaktionen auf
die Krisensituation. Hier ordnet sich etwa die ‘Milieu“-
Diskussion 26) ein, wie sie vom BDA aufgegriffen wurde.
Sie bezeichnet den Punkt, wo eine ursprünglich soziale
Emeuerungsbewegung umschlägt in eine ästhetische Er-
neuerungsbewegung;-welche freilich einen reaktionäten
Charakter annimmt, wenn sie die erstere nicht, indem sie_
sie auf die kulturelle Ebene transponiert, weiterträgt, SOn-
dern zu ersetzen sucht. Deutlich wird dies gerade an der‘
vom BDA propagierten Rückbesinnung auf die architek-
tonische Gestalt 27), welche auf der Grundlage einer all-
zu kurzschlüssigen Verbindung von Gestaltungs- und so-
zialen Funktionsfragen explizit als politische Problemlö-
sungsstrategie vorgetragen wird,
Es deutet sich hier — ebenso wie in Italien — eine Kri-
se der formalistisch-funktionalistischen Architekturkon-
zeptionen an. Und auch dort zeichnen sich gewisse Ver-
selbständigungstendenzen der ästhetischen Erneuerungs-
bewegung ab, deren Protagonisten (z.T. PCI-Mitglieder)
jedoch nicht beanspruchen, politische Probleme archi-
tektonisch lösen zu können, Architekturkonzeption je-
doch in einen politischen Kontext stellen 28). Diese Dis-
kussion bleibt von daher offen gegenüber weiterreichen-
den explizit politisch gezielten Versuchen einer Erneu-
erung der Architektur wie sie von Tafuri programmatisch
und praktisch vonAymoning}vertreten werden. Die so-
ziale Basis derartiger Konzeptionen sind genossenschaft-
lich organisierte Kooperativen, die sich in den Regionen
und Kommunen gebildet haben, in denen die PCI die Re-
gierung trägt, und welche als Auftraggeber fungieren
(zugleich aber die ‘Betroffenen‘ sind).
Ansätze — notwendigerweise minoritäre Ansätze, wel-
che sicherlich für die Masse der lohnabhängigen Architek-
ten nicht realisierbar sein werden — solcher „basisdemo-
<
ARCH* 7. Jg. (1975) H. 27
kratisch orientierter‘“ Berufsstrategien finden sich jedoch
auch in der BRD (wir werden hierüber noch berichten),
wo diese allerdings selber daran mitwirken müssen, eine
vergleichbare soziale Basis zu schaffen. (Eine einzelne
Stadtteilinitiative kann eine solche Funktion natürlich
nicht erfüllen). Für die Architekten stellt sich der Ver-
such im Interesse von und mit basisdemokratischen Organi
sationen oder Gruppen zu bauen, jedoch nicht allein als
Problem ihres „politischen und sozialen Engagements“‘,
sondern auch in vermittelter Form als Problem der Ar-
chitekturkonzeption, d.h. auch als ästhetisches Problem.
Die unterdrückten Bedürfnisse, welche sich in den „sub-
kulturellen“, sozial deformierten oder surrogativen For- \
men der „röhrenden Hirsche der Architektur“ (Klotz 29))
ausdrücken, bezeichnen das hier anstehende Problemma-
terial, welches einer bloß ästhetischen Betrachtungs- und
‘Lösungsweise ebensowenig zugänglich ist wie einer bloß
ökonomischen.
3. Konsequenzen für die Publikationsstrategie
Was bedeutet nun jene ‘Tendenzwende‘, die ökono-
mische Krise und die politisch-soziale Repression und
deren Auswirkungen im Architektur- und Stadtplanungs-
bereich, für die Publikationsstrategie einer politischen
Fachzeitschrift wie ARCH+?
Noch vor einem Jahr war — oder schien — der Stellen-
wert von ARCH+ innerhalb der linken Bewegung — so
bescheiden er auch immer gewesen sein mag — ziemlich
unproblematisch. Die Krise des kapitalistischen Städte-
baus, die breite Politisierung der Architekten nicht nur
an der Hochschule, die Veränderung der Berufsrolle der
meisten Architekten, ermöglichten eine eindeutige Ver-
ortung: dies war einer der Sektoren, in denen tiefgrei-
fende Strukturwandlungsprozesse eine ideologische Kri-
se des kapitalistischen Systems der BRD überhaupt sig-
nalisierten und die praktisch-politische Arbeit der Bewe-
gung spielte sich jeweils in solchen Sektoren ab — auch
wenn dies immer als Mangel empfunden wurde.
Insoweit sogar liberale und sozialdemokratische Krei-
se sich aus dieser Kritik etwas für sie nützliches erhofften,
insoweit die Linke insgesamt in einem rascher, offensi-
ven Ausbreitungsprozeß begriffen war, schien auch die
Ausbreitung von ARCH+ als einer Zeitschrift für sozia-
listische Architekten und Planer relativ gesichert. Die
oben dargestellten politischen Entwicklungen der letzten |
Jahre, politische Fehler der Linken, die sich eben auch
in Fehlern der Redaktion niederschlugen, machen die-
se ursprüngliche „rein sozialistische“ Konzeption der Zeit-
schrift problematisch. Mit der zunehmenden Isolation
gerade der intellektuellen sozialistischen Linken droht
auch aus dem’ „Polarisator“ ARCH+ eing Selbstisolator zu!
werden. Zwei Reaktionen scheinen uns in dieser Situa-
tion falsch zu sein:
— aus pragmatischen Überlegungen und in einer eher
liberalistischen Haltung etwas von der sonst laufen-
den, vage an Reformen orientierten Architektur- und
Stadtplanungsdiskussion additiv hinzuzunehmen, in