Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (ab H. 28: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen) (1975, Jg. 7, H. 25-28)

ARCH+ 7. Jg. (1975) H. 27 
Der schwebende Glasblock, die dünn gespannte Wand, 
genügten eben dem Repräsentationsbedürfnis nicht, das 
sich sehr bald, als die gesamte Park Avenue in New York 
mit gleichartigen Glasboxen besetzt war, nach den alten 
Signalen der Monumentalarchitetkur umsah. An einem 
solchen Rückfall erkennt man, daß das Prinzip des Zweck- 
rationalismus, so wie es sich in der Architektur der Nach- 
kriegszeit niederschlug, aufgeteilt ist unter die einzeln 
Konkurrierenden, daß die Realität dieses allgültigen Prin- 
zips nicht der reine Zweck an sich ist, sondern die der kon- 
kurrierenden Zwecke gegeneinander, Interessen also, die 
nach unterscheidender Repräsentation verlangen und sich 
architektonisch in Machtmetaphern kleiden. „Eindruck 
zu machen”, wie Arno Breckers Neubau des Gerling-Kon- 
zerns, Investitionsvertrauen zu erwecken, ist ein Leitmotiv 
daß die Architektur nicht länger funktionalistisch bleiben 
ließ, sondern sie der historisch begründeten Formensprache 
erneut zuführte, ihr erneut eine alte Verständlichkeit, also 
zusätzliches Ornament und über das bloß Notwendige hin- 
ausgehende Signalwirkungen zurückgab. An diese Deutlich- 
keit der Signale halten sich die Architekten, die etwa ein 
Hochhausskelett mit einem muskulösen Backsteinpanzer 
umgeben, — oder einen Glaspavillon mit einer Tempelko- 
lonnade. Mitteilungsformen dieser Art führen ins Triviale 
Knights of Columbus 
Building in New Haven, 
Connecticut, 1967-1970. 
Kevin Roche, John Din- 
keloo und Partner. 
Formreminiszenzen rufen über den vom Funktionalismus 
gerissenen Abgrund gegenüber der Geschichte eine Appe- 
latorik zurück, die dem Publikum noch immer verständlich 
geblieben ist. Indem sich die neue Form ınoderner Archi- 
tektur, die Ästhetik des Leichten, die Leichtigkeit neuer 
Materialien und neuer Konstruktionen, mit dem historischen 
Ausdruckskanon sprechender Form verbindet, entsteht 
der Zwiespalt zwischen dem zweckrationalistischen An- 
Spruch und den wiederhereingelassenen Ausdruckmetap- 
hern, die die Moderne zu vertreiben gerade ausgezogen 
War. 
Diese Beispiele aus dem Bereich neumonumentaler 
Architektur verdeutlichen, daß das Neue Bauen einen Fak- 
So 
DD“ 
tor ignoriert hatte, auf den die Auftraggeber offensichtlich 
nicht zu verzichten bereit sind, auf den Faktor der Mittei- 
lung und der spezifischen Charakterisierung, auf eine Archi- 
tektur also, die nicht nur durch applizierte Reklamezeichen 
sondern durch architektonische Form Botschaften vermit- 
telt, Botschaften der Repräsentation, der steinernen Ge- 
wichtigkeit, der Macht. 
Sind also alle diese Bauten des Neu-Eklektizismus „gute” 
Bauten, sind sie „gute’”” Form, eben weil sie wieder Bot- 
schaften vermitteln und die scheinbar unverzichtbare Re- 
präsentation wieder zulassen? 
Stelten wir zunächst einmal fest: 
Eben jene nach dem Prinzip des Zweckrationalismus wirt- 
schaftenden Unternehmen sind es, die das Prinzip der Wirt- 
schaftlichkeit an ihren Repräsentativbauten durchbrechen. 
Der Glaube der Funktionalisten, dieses Wirtschaftsprinzip, 
nämlich bei geringstem Aufwand Optimales zu erreichen, 
auch in die Architektur selbst als Bauprinzip einzuführen, 
relativiert sich an dem Bedürfnis, das funktional unzweck- 
mäßige Ornament im Namen eines anderen Interesses, — 
nicht der Wirtschaftlichkeit, sondern der Konkurrenzfestig- 
keit, — wieder zurückzurufen. 
So wird Architektur mehr als nur Funktionsbehälter, 
nämlich zum Behältnis von mitteilbarer Zeichenge- 
bärde, zum Bedeutungsträger. 
Eine zweite und von der ersten zu sondernde Frage 
ist es, mit welchen Mitteln das Bedürfnis nach Informa- 
tionsvermittlung erfüllt wird. Wie sehen die Zeichen 
aus, die eine allen verständliche Sprache erlauben und 
etwa die Tempelmonumentalität des neuen Lincoln 
Centers ermöglichen an dem die Familie Rockefeller 
so entscheidend mitgebaut hat, indem sie sich gegen 
die Absichten der Architekten durchsetzte. Der Griff 
in das Zeichenarsenal der Geschichte sichert weitgehen- 
des Allgemeinverständnis und sichert scheinbar auch, ver- 
gangene Glorie auf die Gegenwart zu übertragen. Hier 
geht es um die Inhalte der Botschaft, nicht um das grund- 
sätzliche Problem, Architektur auch als Bedeutungsträger 
zu verstehen. 
Das eine, die Analyse der Zeichengehalte, ist Thema 
der Ideologiekritik, das andere, die Botschaftsfunktion 
auch der modernen Architektur, ist Thema einer Medien- 
kritik und sollte Thema einer Architekturtheorie werden. 
Manche meinen immer noch, daß Trivialität eben 
schon dort beginnt, wo Architektur Bedeutungsträger 
wird, wo sie also wieder Ornament an sich aufnimmt. 
„Ornament ein Verbrechen”, heißt weiterhin, dazu zu 
glauben, daß Architektur rein existieren könne. Archi- 
tekten aber, die Architektur als rein technische Problem- 
lösung ansehen, die in Wachsmann-Gerüsten und futuri- 
stischen Rechenexempel denken, vergessen, daß Archi- 
tektur vom Menschen nicht technizistisch, sondern nach 
Ausdrucksgehalten wahrgenommen wird. 
Die Frage nach dem Zustandekommen der Konstruk- 
tion stellt sich uns nicht so sehr wie die Frage nach 
Charakter oder Bedeutung dieser oder jener Form. Ein 
neutrales Gehäuse, dessen Form als Ergebnis der Kon- 
struktion eo ipso zustande kam, erweckt in uns einen 
Eindruck, der sich möglicherweise nicht mit der Registra- 
tion dieser Neutralität begnügt, sondern der weiterreicht,
	        

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