Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (ab H. 28: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen) (1975, Jg. 7, H. 25-28)

ARCH+ 7. Jg. (1975) H. 27 
sammlung wurden vorläufige Zielsetzungen in den ver- 
schiedenen Häusern vorgelegt und nach Annahme zu Pa- 
pier gebracht: 
1. Sammeln und Vertreiten von (internen) Informatio- 
nen 
2. das geschlossene Auftreten bei gemeinschaftlichen 
Problemen, z.B. Verhältnis Mieter/Vermieter, 
3. das Auftreten als Vertretung nach außen. 
Heute werden bei Tagesordnungspunkten, die die Ver- 
mieter betreffen, deren Vertreter zu den Versammlun- 
gen hinzugezogen. Die breite Absicherung bei allen Mie- 
tern ist für die „centrale group” von wesentlicher Bedeu- 
tung („contacten mit de achterban“). Dazu trägt neben 
den Sprechern insbesondere das Kontaktorgan „Wij“ bei, 
das die geplanten und durchgeführten Aktivitäten und 
Beschlüsse protokolliert und im Wohngebiet verbreitet. 
Es wird von den Bewohnern auf eigene Kosten hergestellt. 
Die durch die Mietervertretung initiierten Aktivitäten 
umfassen: 
— Verhandlungen mit den Bauträgern über bauliche Ver- 
besserungen 
Einrichtung, Gestaltung und Unterhalt der Grünanla- 
gen und Spielplätze in Zusammenarbeit mit dem städ- 
tischen Gartenamt, 
Freizeitveranstaltungen, z.B. Tischtenniswettbewerbe 
und Ausstellungen in den Hallen, 
Spiele mit den Kindern, Bildung von Arbeitsgruppen. 
Die Mieterorganisation setzte sich sehr bald die Mit- 
sprache bei Weitervermietungen zum Ziel, und erreichte 
dies bei einer der beiden Wohnungsbaugesellschaften. So 
wird damit den Mietern einer Etage jeweils eine Adres- 
senliste von 6—8 Bewerbem vorgelegt, über deren Aus- 
wahl dann die Etagengemeinschaft zu entscheiden hat. 
Diese Form der Mitbestimmung steht sicher in direktem 
Zusammenhang mit dem Vorhandensein einer gemein- 
Sam zu nutzenden Halle. Allerdings beziehen heute eini- 
ge Mieter Gegenposition: sie lehnen die ihnen zugeteilte 
„Verwaltung des Mangels“ ab, eben mit der Begründung, 
daß das Experiment Overvecht allen offenstehen sollte. 
Die Solidarität und Konfliktbereitschaft der Mieter 
hat inzwischen offensichtlich zugenommen. Dies zeigt 
sich u.a. in der Reaktion auf die Mieterhöhung im drit- 
ten Nutzungsjahr. Begründet wurde diese massive Erhö- 
hung mit der Differenz zwischen der vorläufigen Baukal- 
kulation und der jetzt vorliegenden endgültigen Abrech- 
nung. Da diese Differenz nach rechtlichen Festlegungen 
nur „enkele kwartjes‘““ (einen geringen Betrag) ausma- 
Chen darf, haben die Bewohner beim Bürgermeister und 
Rat der Stadt Utrecht und beim zuständigen Ministeri- 
um Widerspruch gegen die Genehmigung der endgültigen 
Abrechnung eingelegt. Die Bewohner wehren sich dage- 
gen, daß sie für die Fehlkalkulation des Architekten und des 
Bauträgers 19) bezahlen sollen, zumal viele von ihnen 
die Wohnung ohnehin nur mit Hilfe des Wohngeldes hal- 
ten können 20), 
In dieser Situation vertritt die Mieterorganisation kon- 
Sequent die Interessen der Bewohner und ruft zur Solida- 
Ntät auf: „Wir wissen, daß das Mieten eine strikt indivi- 
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duelle Angelegenheit ist. Wir sind jedoch der Meinung, 
daß den individuellen Bedürfnissen in diesem Moment 
am besten Rechnung getragen wird mit einer gemeinsa- 
men Aktion”. 21) 
Da unsere Untersuchung vor Beendigung der Ausein- 
andersetzungen abgeschlossen wurde, können wir über 
die jüngste Entwicklung keine Aussagen machen. 
4. Schlußfolgerungen 
Unter zwei Fragestellungen haben wir die drei Fall- 
beispiele untersucht: 
1. Hat Planungs- und Nutzungsvariabilität und die da- 
durch ermöglichte Mitbestimmung der Mieter einen 
Einfluß auf den Gebrauchswert der Wohnung für die 
Mieter; 
2. Bietet Planungs- und Nutzungsvariabilität Ansatzpunk- 
te zur Bildung von Mieterselbstorganisationen, 
Welche Schlußfolgerungen lassen sich also im Sinne die- 
ser Fragen aus den drei Fallbeispielen ziehen — wobei na- 
türlich zu berücksichtigen ist, daß es sich hier um drei 
Ausnahmefälle handelt. 
Wir müssen zunächst unterscheiden zwischen einer 
individuellen, auf die Einzelwohnung bezogenen Mitbe- 
stimmung der einzelnen Mietparteien und einer kollek- 
tiven Mitbestimmung bzw. einer kollektiven Selbstor- 
ganisation der Mieter gegenüber der Trägergesellschaft. 
Zu 1. 
a) Eine Verbesserung des Wohnwerts durch individu- 
elle Mitbestimmung infolge von Reversibilität, Umbau- 
variabilität oder Angebotsvariabilität ist nur in sehr en- 
gen Grenzen möglich, die hauptsächlich gezogen wer- 
den durch die gegebenen Wohnungsgrößen, die recht er- 
heblichen Kosten des Umbaues, welche nicht durch ent- 
sprechende Vorausinvestitionen gesenkt werden. 
v) Eine nennenswerte Verbesserung des Wohnwerts 
ist offenbar eher möglich entweder durch eine kollekti- 
ve Mitbestimmung bereits bei der Planung (vor allem 
beim Wohnungszuschnitt: vgl. Gruppenwohnungen in 
Steilshoop), obwohl auch hier die Zahl möglicher Vari- 
anten in der Regel eng begrenzt ist, oder durch kollek- 
tiv zu nutzende Einrichtungen. Hier sind vor allem auch 
variabel zu nutzende, gemeinsame Einrichtungen wie die 
Etagen-Halle in Utrecht bedeutsam. 
Zu 2. 
a) Sofern sich die Planungsbeteiligung auf eine indivi- 
duelle Auswahl unter verschiedenen Varianten reduziert 
(Angebotsvariabilität in Hannover-List), ergeben sich of- 
fenbar höchstens indirekt Ansatzpunkte zur Bildung ei- 
ner Mieterselbstorganisation, während eine kollektive 
Planungsbeteiligung, ein gemeinsamer Planungsprozeß 
zwischen künftigen Nutzern und Architekt, Kommuni- 
kationsstrukturen unter den Mietern schafft, welche 
auch tragfähig sind für eine Mieterselbstorganisation ge- 
genüber dem Bauträger. Aufgrund dieser Kommunika- 
tionsstrukturen konnten in Steilshoop auch die poten- 
tiellen Gefahren der juristischen Konstruktion eines 
Mietervereins, welcher zugleich als kollektiver Mieter
	        
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