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ZUR LAGE IN DER WESTBERLINER
BAUWIRTSCHAFT *
Vorbemerkung
1. Zur Lage der Beschäftigten im Westberliner
Baugewerbe
1.1 Entwicklung der Beschäftigtenzahlen:
rapider Abbau von Arbeitsplätzen
1.2 Veränderung der Beschäftigtenstruktur
1.3 Entwicklung des Arbeitsmarktes
1.4 Entwicklung der Löhne und Gehälter
1.5 Steigerung der Arbeitsleistung
2. Bauinvestitionen und Baubedarf
2.1 Gewerblicher Hochbau
2.2 Öffentlicher Hochbau
2.3 Wohnungsbau
3. Folgerungen für gewerkschaftliche Arbeit
X
Bericht eines Arbeitskreises zur „Lage in der
Westberliner Bauwirtschaft” in der Fachgruppe
der Angestellten in Architektur- und Ingenieur-
büros in der IG Bau, Steine, Erden, Verwaltungs-
stelle Berlin. Der Bericht stellt keine offizielle
Äußerung der Fachgruppe dar.
Vorbemerkung
Erstmals im Oktober 1973 machten die Fachgruppe der
Angestellten in Architektur- und Ingenieurbüros und die
Fachgruppe der Technischen Angestellten des Bauhaupt-
gewerbes in einer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung
im DGB-Haus auf die sich abzeichnende Baukrise aufmerk:
sam. Auf dieser Diskussionsveranstaltung wurde folgende
Schlußfolgerung gezogen: wenn Architektur- und Inge-
nieurbüros heute schon keine Planungsaufträge mehr be-
kommen, dann wird in 12 — 18 Monaten nicht mehr ge-
baut.
Die Entwicklung hat seither diese Schlußfolgerung voll
bestätigt. Konnten Ende 1973 Konkurse wie der Zusam-
menbruch des Betonwerks Berlin und die Massenentlas-
sungen im Büro Sigrid Kreßmann Zschach noch als Ein-
zelfälle gedeutet werden. so ist heute offenkundig ge-
ARCH+ 7. Jg. (1975) H. 27
worden, daß die Bauwirtschaft sich in einer tiefen Krise
befindet, daß Arbeiter und Angestellte des Bauhauptge-
werbes mit die höchsten Anteile der Arbeitslosen stellen,
daß tausende von Arbeitsplätzen abgebaut worden sind
und weiter abgebaut werden.
Auf der Jahresangestelltenversammlung unserer Ver-
waltungsstelle im Januar 1974 wurde eine Resolution ver-
abschiedet, in der der Westberliner Senat aufgefordert ;
wird, Maßnahmen gegen die sich abzeichnende Krisen-
entwicklung zu ergreifen. Diese Resolution hatte folgen-
den Wortlaut:
— Die Jahresangestelltenversammlung der IG BSE ver-
urteilt das Verhalten des Senats zu den Baupleiten in
der letzten Zeit. Entgegen den Beteuerungen hat sich
der Senat beim Büro SKZ und dem Betonwerk nicht
für die Interessen der Arbeiter und Angestellten einge-
setzt.
Wir fordern den Senat auf, die künftige Baupolitik an
den Interessen der Bevölkerung auszurichten und vor-
rangig den sozialen Wohnungsbau, die Stadtsanierung,
den Krankenhaus- und Schulbau zu fördern.
Wir fordern den Senat auf, mit dieser Politik die Ar-
beitsplätze im Baugewerbe zu sichern.
Wir fordern den Senat auf, die Preisgestaltung der Bau-
wirtschaft zu kontrollieren und einen allgemeinen
Mietpreisstopp zu erlassen.
Wir fordern den Senat auf, die Steuergelder zu diesem
Zwecke einzusetzen und die Subventionierung von
Renommierbauten und Spekulationsobjekten unver-
züglich zu beenden.
Als Folge der Diskussion auf der Jahresangestelltenver-
sammlung wurde in der Fachgruppe der Angestellten in
Architektur- und Ingenieurbüros der Vorschlag gemacht,
sich intensiver mit der Baukrise, mit ihrem Verlauf und
ihren Ursachen zu befassen. Vor allem sollten Informatio-
nen und Argumente erarbeitet werden, die die Arbeit un-
serer Gewerkschaft und der Kollegen in der Krise unter-
stützen können.
Die genauere Untersuchung von Ursachen und Verlauf
der Baukrise in Westberlin wurde daher zum Auftrag
eines Arbeitskreises, der im Sommer 1974 von der Fach-
gruppe gegründet wurde. Der Arbeitskreis legte zu Beginn
dieses Jahres einen Zwischenbericht vor, der in der Fach-
gruppe, in den Stadtbezirken und auf einem Angestellten-
seminar im Januar 1975 diskutiert wurde. Der Zwischen-
bericht wurde aufgrund dieser Diskussionen noch ein-
mal überarbeitet und wird hiermit erneut vorgelegt.
1. Zur Lage der Beschäftigten im Westberliner
Baugewerbe
Im Sonderheft der „Berliner Bauwirtschaft”, dem Organ
des Unternehmerverbandes „Fachgemeinschaft Bau von
Groß-Berlin e.V.” schrieb der damalige Bausenator Rieb-
schläger anläßlich der Eröffnung der Bauwochen im Mai
1974: „Die Berliner Bauwirtschaft steht im Jahre 1974
vor einer schwierigen, aber zu meisternden Situation. |
Noch bereitet die hohe Zahl von 2.186 (Stand 10. Mai
1974) arbeitslosen Bauarbeitern Sorge . .. Die Gesamt-
baunachfrage der öffentlichen Hand erlaubt aber auch