Saite 6
Zum Thema Stadtautobahn: ll d ı
in Poll erfolgen. Zwangsläufig
wird linksrheinisch mit Auf- und
Abfahrten in Bayenthal die Brücke
im Vorgebirgspark mit der verlän-
gerten Autobahn Köln-Bonn zu eine
Verteilerknoten zusammengeführt.
Zwangsläufig wird dann schließlich
auch das noch fehlende Mittelstück
des Autobahnringes zwischen Vor-
gebirgspark und Herkulesstraße
quer durch den Grüngürtel gebaut
werden "müssen", So sehen jeden:
falls die Zwangsvorstellungen der
Planer aus,
Bis das verwirklicht wird, soll
die Innere KanalStr. , Universitäts
straße bis zur Vorgebirgstraßee
durchgehend auf 6 Spuren ausge-
baut werden und den Verkehrsstrom
aufnehmen, Ob als Ersatz- oder
UVbergangslösung, darüber‘ wird im
Rat noch diskutiert
Die kölner Vepkehrsplaner blasen
zum Angriff auf den 50 Jahre alten
Grüngürtel: Mitten hindurch wollen
sie 13 Kilometer sechsspurige Au-
tobahn legen. Wie general-
stabsmäßig sie dabei vorgehen,
zeigen Operationen, die schon "er-
folgreichH'gelaufen sind und als so-
genannte Sachzwänge weitere Tat-
sachen erzwingen sollen.
Tatsachen fallen nicht vom Himme)
auch keine Stadtautobahnen. Sie
werden nüchtern erplant und ge-
schickt verpackt dem Bürger ser-
viert. Besonders viel Mühe gibt man
sich damit, ein plausibles Ziel
für solche Planungen zu finden,
Bei der Autobahnplanung um die
Innenstadt herum soll für die Öf-
fentlichkeit das Ziel im Vorder-
grund stehen, das Zentrum von
stinkenden Blechlawinen zu befrei-
en. Aber man möchte natürlich
nicht alle Autos aus der Innenstadt
entfernen, sondern nur ganz be-
stimmte. City-Verweis soll haupt-
sächlich der Durchgangsverkehr
bekommen, also die Leute, die
weder in der Innenstadt wohnen
oder arbeiten, noch hier in den
großen Kaufhäusern einkaufen wol:
len. Von diesem Verkehr möchte
man die Innenstadt entlasten. Dann
wird mehr Platz frei für den Käu-
ferstrom in den Einkaufszentren
der Innenstadt, für den die Kassen-
glocken klingen sollen, So nennt,
man, "Umweltschutz" und "Ar-
beitsplatzbeschaffung" auf den Lip-
pen, die Gewinne der Einkaufs-
zentren im Hinterkopf, die geplante
Stadtautobahn nicht etwa Kaufför-
derungsallee, sondern Innenstadt-
Entlastungstangente. Man will den
Bürger in seinem Grüngürtelrös-
chenschlaf nicht aufwecken.
Stadtzerstörung -
ein unaufhaltsamer "Fortschritt"?
Die kölner Verkehrsplaner machen
es umgekehrt: Sie nehmen es als
normal hin, daß die Menschen aus
der Stadt ins Grüne ziehen und
zum Arbeiten und Einkaufen in die
Stadt fahren müssen, Sie rech-
nen damit, daß‘ das immer so wei-
ter geht ("Trend" nennen sie das)
und finden so heraus, daß der Au-
toverkehr zwangsläufig zunehmen
muß,
Das Schlimme ist, daß die Planer
mit ihren Planungen für diesen
Trand sorgen, daß also tatsächlich
der Verkehr zunimmt. Dieser Teu-
felskreis entsteht folgendermaßen:
Die Planer erwarten Verkehrs-
ströme und planen daraufhin zum
Beispiel eine Stadtautobahn. Durch
die Stadtautobahn bekommt die Um-
gegend eine sehr günstige Verkehrs
lage und entsprechend hohe Boden-
preise. Also setzen sich haupt-
sächlich große Firmen in den neu-
en "guten Lagen" fest, Schon heute
entstehen in direkter Nachbar
schaft zur Inneren KanalStr. gi-
gantische Büropaläste:zum Beispie?
von Siemens, Dr. Rüger oder dem
Verfassungsschutz. Und die Behör-
den stehen ihnen nichts nach. Auch
der neue teure Fernsehturm wird
direkt im Grüngürtel gebaut. Er
wird nicht allein stehen bleiben und
nassenhaft Verkehr anziehen,
Mit den Büro- und Industriebau-
‚en kommt Berufs- Liefer- und
Kundenverkehr. Die Verkehrs-
ströme werden größer, bis eines
unschönen Tages die Stadtautobahn
wieder zu klein ist. Dann sind die
Verkehrsplaner wieder an der
Reihe und alles geht von vorne
08.
seneralverkehrsplan
Alles, was die Kölner Verkehrs-
planer sich ausdenken, beruht auf
Verkehrsprofessor Wehner's "Ge-
neralverkehrsplan der Stadt Köln
von 1956" , der 1973 überarbei-
tet wurde, Das Kernstück dieses
Planes ist die Stadtautobahn. Sie
soll den erwarteten Autoverkehr
an die Innenstadt heran und um sie
herum führen, Wieviel Verkehr in
Zukunft zu erwarten ist, haben die
Planer mit einer Milchmädchen-
rechnung herausgefunden. Als der
Plan erarbeitet wurde, erwartete
man, daß Köln bis 1972 um 40 000
Einwohner wachsen würde, Also
musste auch der Autoverkehr ent-
sprechend mehr werden.
Tatsächlich sinkt die Zahl der
kölner Einwohner aber jedes Jahr
um 10 000, Das
"re den Gene-
ralplaner bei de:
Neuauflage von
1973 allerdings
venig. Entschei:
iende Veränderu
gen im Verkehrs
konzept hielt er
nicht für nötig,
Das Planungszie
werde eben erst
später erreicht,
hieß es,
Nicht nur wegen
dieser wirklich-
keitsfremden Berechnungen sind di:
Vorschläge des Wehner-Gutachtens
mit Vorsicht zu genießen. Der
Pferdefuß an der Planung ist, daß
sie allein von der Menge des Ver-
kehrs ausgeht. Überlegungen, wie
sich der Verkehr aus dem ergibt,
was sich in den einzelnen Stadt-
teilen tut, werden gar nicht erst
angestellt. Ein "Großmarkt" in
einem Wohngebiet zieht natürlich
viel Verkehr an. Aber anstatt eine
Autobahn durch die Häuser zu
schlagen, könnte man ja auch die
Großmarkthallen als Güterum-
Schlagplatz an den Stadtrand legen
Das ist für die Viertelbewohner
angenehm und insgesamt nicht so
teuer wie die neue Autobahn samt
Häuserabreißen
Bei diesem scheinbar unaufhalt-
baren Fortschritt bleiben die Vier-
tel in der Nähe der Autobahn auf
der Strecke. Die Bürgersteige
der Straßen, die nahe an den neu-
en Bürobauten liegen, werden
überschwemmt mit parkenden Au-
tos. Spätestens, wenn die ersten
Kinder beim Spielen totgefahren
werden, beginnt der Auszug der
Familien mit Kindern, Zurück
bleiben die Alten, die die Mieten
in Bocklemünd oder Chorweiler
nicht bezahlen können und an ihrem
Viertel hängen. In die leeren Woh-
nungen ziehen Alleinstehende,
Studenten und ausländische Arbei-
ter. Weil es kaum noch (deutsche)
Kinder gibt, werden keine Kinder-
gärten, Spielplätze und Schulen
mehr gebaut. Die Wohnungen wer-
den nicht mehr renoviert und wei-
chen am Ende den Bürobauten,
Die Hausbesitzer können gar nicht
anders, Weil der Boden in der
verkehrsgünstigen Lage so be-
gehrt ist, steigen die Bodenpreise
Geschäftshäuser verdrängen Wohn-
häuser. Nach einigen Jahren ist
aus dem Wohnviert el ein reines
Büro- oder Industrieviertel ge-
worden, das abends verödet.
Das ist aber nicht das einzige
Problem der Kölner Stadt- und
Verkehrsplanung
Während sich die Ratsleute noch
Scheingefechte um das Für und
Wider der Stadtautobahn liefern,
ist die Verwaltung längst aktiv.
Allen voran Tiefbaudezernent
Braun. Unter seinem Kommando
schieben sich die Bautrupps schon
jetzt von einem Autobahnteilstück
zum anderen vor.‘ Dabei benutzen
die Verkehrsstrategen die Sach-
zwangargumentation. Zuerst lässt
man ein Teilstück fertigstellen.
Dann wird soviel Verkehr durch da:
neue Stück geleitet, bis der Ver-
kehrsstau an.den Zu und Abfahrten
eine weitere Ausbaustufe "not-
wendig" macht. So wurde nach dem
Anschluss der Autobahnstrecke
Olpe-Köln an den rechtsrheinischen
Ring und die Zoobrücke soviel Ver-
kehr auf das "autobahnähnliche"
Teilstück der inneren Kanalstraße
gepumpt, daß sich die Planer dem
Zwang nicht entziehen konnten, ei-
nen weiteren Ausbau zu beschließer
So s0ll in einer ersten Ausbau-
stufe zwischen Eisstadion und Kre-
felderstraße die Stadtautobahn
nördlich der Inneren Kanalstraße
unter Niehler+- und NeußerStr. hin-
durchgeführt werden und vor der
Eisenbahnunterführung wieder auf
die verbreiterte Innere KanalStr,
stoßen, Damit will man 1976 begin-
nen. In einem zweiten Bauabschnitt
will man die Zuglinien untertunneln
und kurz vor dem Herkuleshaus auf
die dann schon ausgebaute Anbind
ung an die Köln-Neußer Autobahn
treffen. In einer Zangenbewegung
soll dann von einem zweiten Brücke
kopf aus über eine weitere Auto-
bahnbrücke im Süden parallell zur
Eisenbahn-Südbrücke , der Auto-
bahnring um die Innenstadt geschlos
sen werden.
Steht erst einmal die neue Süd-
brücke für 160 Millionen, dann wird
rechtsrheinisch der Anschluss an
die Flughafenlinie und den Cityring |
Der Verkehr fällt
nicht vom Himmel
Wieviel Verkehr von einem be-
stimmten Stadtbereich ausgeht,
richtet sich nicht bloß danach,
wieviele Menschen dort wohnen.
im Severinsviertel wohnen mehr
Leute als in der Nordstadt, Trotz-
diem geht vom Severinsviertel we-
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>
Die Stadtautobahn macht
den Grüngürtel kaputt
Die Stadtautobahn, so wie sie in
Köln geplant ist, zerstört lebens-
wichtiges Grün und Naherholungs-
gebiete für die Innenstadt, In Nip-
pes wird den Kindern eine der we-
nigen grünen Spielflächen genom-
men, ganze Kleingartensiedlungen
werden planiert und mit Beton auf-
gegossen. Allein im südlichen Be-
reich sind 20 Hektar (das ist etwa
soviel Fläche wie die von 40 Fuß-
ballplätzen) citynahes, begrünbare:
Brachland betroffen (7 km Auto-
bahn, Im Innenstadtbereich sind
das bei 6 km Länge 17 Hektar
(34 Fußballplätze) Grünfläche
bzw begrünbare Fläche, Der ge-
samte Innere Grüngürtel wird für
die Erholung unbrauchbar. Selbst
FDP-Ampel-Meyer gibt zu, daß
65 % des Grüngürtels verloren-
gehen, Alles, was an die Auto-
bahn angrenzt, kann wegen Lärm-
und Abgasbelästigung nicht mehr
benützt werden, Die Grünflächen
innerhalb der riesigen Betonschle:
fen der Ab- und Zufahrten sind
für Menschen sowieso unerreich-
bar. Sie werden, wie schon jetzt
zum Beispiel an der. Zoobrücke
zu beobachten, zu Reservaten für
Tausende von Karnickeln (Kning)
oder fotografierende Verkehrs-
wachtmeister (Klack). Durch die
indirekte Zerstörung, das Unbe-
nutzbarmachen von Grün, sind
zusätzlich etwa 120 Hektar (240
Fußballplätze) betroffen.
Wie wichtig dieses Grün für die
Innenstadt-Bevölkerung ıst, zeigt
sich daran, daß die durchschnitt-
liche Grünfläche pro Einwohner
in der‘ Innenstadt nur 15 qm (wie
ein Kinderzimmer) beträgt, gegen-
über 76 qm, berechnet auf die Ge-
samtstadt
Weiterhin: Für den Bau der Stadt-
autobahn wird guterhaltener Wohn-
raum mit noch annehmbaren Mie-
ten geopfert. So wird die Autobahn
in Poll zum Beispiel mitten durch
den alten Ortskern geplant. Sehr
mutig wird eine Bresche durch
Wohngebiet geschlagen, der ganze
Häuserzeilen weichen müssen,
wie ' Ar den Maien}Und Tiefbaude-
zernent Braun weiß auch zu be-
gründen , warum die Brücke nicht
südlicher gebaut wird: weil dort
ohnehin eine weitere Brücke ge-
Plant ist. Und so weichen denn in
Nippes die Schrebergartenhäuser,
in Poll die Wohnsiedlungen und
entlang der westlichen. Bahnlinie
ganze Häuserzeilen,
Was dann noch stennbleibt an der
Autobahn, muss mit Lärm und Ab-
gas leben, Schließlich kann man
ja nicht rechts und links der Fahr-
bahn, wie bei Neuplanungen, einen
200 Meter breiten Streifen von
Wohnungen freihalten, Wenn man
vom Verkehrsaufkommen des Weh-
ner-Gutachtens ausgeht, wird der
Mindestwert des Dauerschallpegels
in 25 m Entfernung der Fahrbahn-
achse 75 Phon betragen, nach den
Leitsätzen des Deutschen Arbeits-
ringes für Lärmbekämpfung soll
der Lärm in Wobnungen 45 Phon
tagsüber und 30 Phon nachts nicht
überschreiten.
Bei den von Wehner vorausgese-
henen 83 000 PKW-"Einheiten" pro
Tag werden insgesamt 45 Tonnen
Kohlenmonoxyd, 5,5 Tonnen Koh-
lenwasserstoff, 1,8 Tonnen Stick-
oxyde, 136 Kilo Schwefeldioxyd
und ein Kilo Blei täglich auf die
Anwohner niedergehen, Auf die
Dauer wird es desbalb zum gewohn-
ten Bild des Alltags gehären, daß
alte Leute auf der Straße wegen
Atemnot zusammenbrechen und die
Bäume nicht mehr grün werden
wollen,
Den Professor mag das nicht mehr
stören, Er hat sich inzwischen zu-
rückgezogen auf eine der größten
zusammenhängenden städtischen
Grünflächen, ungestört von Lärm
und Abgas, auf das letzte, für
Autos verbotene Terrain, auf den
Friedhof, Wo ihm doch ein Begräb-
nis unter bebender Betonplatte ei-
ner bundesdeutschen Autobahn
weit eher angestanden hätte,
Aachener Weiher: Wo heute die
Leute in der Sonne sitzen, kommt
eine Autobahn- Auffahrt hin.