ARCH+ 7. Jg. (1975) H. 26
Möglichkeiten zur Modernisierung.
Die finanziellen Ressourcen wurden anfänglich vor-
wiegend auf den Ausbau der „führenden Zweige der
Volkswirtschaft” (Schwerindustrie) konzentriert.
Der Sektor Wohnungsbau wurde lange Zeit vernach-
lässigt. Selbst im „Rekordjahr”” 1973 wurden in der
DDR — bezogen auf 10.000 Einwohner — nur 57
neue Wohnungen fertiggestellt, in der BRD 115. 6)
Obendrein wurden die begrenzten Kapazitäten auf
den Wohnungsbau in neuen Industriezentren (Schwedt,
Halle-Neustadt etc.) konzentriert, so daß nur wenige
umfangreiche Modernisierungsprogramme durchge-
führt werden konnten. 7)
Sowohl in GB wie in der DDR gibt es bescheidene An-
sätze, Modernisierungsmaßnahmen nicht ausschließlich
auf die Verbesserung der Wohnbausubstanz zu beschrän-
ken, sondern den für die städtische bzw. kommunale
Entwicklung bedeutenden Zusammenhang zwischen
der Modernisierung von Wohnungen und sog. Wohnfolge-
einrichtungen zu berücksichtigen.
Sollte die im vorliegenden Entwurf des WoModG zu
Anfang formulierte Zielsetzung, „die Wohnungen mög-
lichst weitgehend neuzeitlichen Wohnbedürfnissen anzu-
passen” 8), ernsthaft angestrebt werden, so wären beglei-
tende Maßnahmen notwendig, die über die Verbesserung
der Wohnungen selbst hinausgingen: z.B. Modernisierung
bzw. Ausbau vorhandener Wohnfolgeeinrichtungen, Maß-
nahmen gegen Verkehrs- und Gewerbeemissionen, Ver-
schattungen etc.
„Eine volle, den gestiegenen Bedürfnissen entsprechen-
de Wohnwertsteigerung ist nur dann zu erreichen, wenn
in die Erneuerungsmaßnahmen auch städtebauliche Ver-
besserungen einbezogen werden; d.h. Modernisierungs-
maßnahmen, die sich auf die Wohnumwelt beziehen und
somit den „Lagewert einer Wohnung” verbessern.” 9)
Für einen solchen weitgefaßten Begriff der Modernisierung
wird inzwischen die Bezeichnung „Rehabilitierung” ver-
wendet. 10)
Die Gesamtheit des Entwurfs für ein WoModG und die
derzeit gültigen Modernisierungsrichtlinien des Bundes
und der Länder gehen indessen von einer sehr engen
Auffassung der Modernisierung aus. Hiernach beschränkt
sie sich letztlich auf den Einbau von Bädern. und. Sammel-
heizungen. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden,
daß eine wirkliche Verbesserung der Wohnsituation eines
großen Teils der Bevölkerung durch die geplanten Moder-
nisierungsmaßnahmen nur in zweiter Linie beabsichtigt
ist. Dennoch bedeuten die staatlichen Initiativen zur
Förderung der Modernisierung eine Änderung der bishe-
rigen Wohnungsbaupolitik. Zu fragen ist, warum?
1.1 Modernisierung als Instrument zur Stabilisierung
kommunaler Finanzen
1.1.1 Sanierungen nach StBauFG sind kaum
durchführbar
Flächensanierungen verursachen immense Kosten. Die
Übernahme der unrentierlichen Kosten belastet die
öffentlichen Haushalte übermäßig. Die unrentierlichen
Kosten schwanken je nach Gebiet zwischen 5% und
88% der Gesamtkosten, ein Mittel aus 34 Flächensa-
nierungsvorhaben ergibt 56,4% 11). Es gibt heute kaum
noch Städte und Gemeinden, die Sanierungsgebiete
nach StBauFG förmlich ausweisen. Die Verschlechte-
rung der kommunalen Finanzlage durch die aktuelle
wirtschaftliche Krise ist dabei nur ein verschärfender
Faktor, kein ursächlicher.
Die hohen Kosten der Sanierungsmaßnahmen liegen
u.a. darin begründet, daß das bodenrechtliche Instrumen-
tarium des StBauFG sich in der Praxis als weitgehend
unwirksam erwiesen hat. Der freihändige Grunderwerb
der öffentlichen Hand steht immer noch an erster Stelle.
Damit ist auch die zügige Durchführung von Sanierungs-
maßnahmen erschwert.
Die begrenzte Handhabbarkeit des StBauFG erweist
sich noch in vielfacher anderer Hinsicht : U.a. ist es
durch seine komplizierten Verfahrensvorschriften für
kurzfristige, konjunkturpolitisch bedingte Investitionen
der öffentlichen Hand kaum einsetzbar und weiterhin
reagieren die von „Sanierungen” betroffenen Bürger
aufgrund bisheriger Erfahrungen durchweg negativ
und organisieren Abwehrmaßnahmen . . .
In Stuttgart gibt es seit 1972 drei nach StBauFG
förmlich festgelegte Sanierungsgebiete (vgl. Abbil-
dung 1): Stuttgart-Mitte („Schwabenzentrum ””), Stutt-
gart-West (Schwab-/Rotebühlstraße) und Vaihingen
(Ortskern). Alle drei Gebiete sind klein, ihre Flächen
liegen zwischen 1,2 und 2,1 ha. Gerade im Falle des
Gebiets in Stuttgart-Mitte, das schon längst vor In-
krafttreten des StBauFG als Sanierungsgebiet ausgewie-
sen war, wurde die Bodenordnung zum größten Hinder-
nis und ist bis heute noch nicht abgeschlossen. In drei
weiteren Gebieten (vgl. Abbildung 1), in Stuttgart-West
(an der Bismarckstraße), in Weilimdorf und in Bad
Cannstatt laufen vorbereitende Untersuchungen bzw.
werden begonnen. Die beiden erstgenannten Gebiete
sind ebenfalls sehr klein, eine Ausnahme ist Bad Cannstatt
mit rund 12.ha Fläche. Dort sollen jedoch nur Teilzo-
nen als Sanierungsgebiete ausgewiesen werden.
Wenn heute das neueste Sanierungsprojekt Bismarck-
straße große Aussichten auf Realisierung hat und hohe
Zuschüsse von Bund und Land zugesagt sind, so liegt
der Grund vor allem darin, daß es sich nicht um eine
der bisher „üblichen”” Sanierungen handelt. Es ist keine
Flächensanierung wie im Falle des benachbarten Ge-
biets Schwab-/Rotebühlstraße, sondern eine Blockent-
kernung. Die Altbauwohnungen der Randbebauung
sollen modernisiert werden. Obwohl die 219 Wohnungen
nur zu 5,5% mit „„Vollkomfort”, also Bad, WC und