Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1978, Jg. 10, H. 37-42)

Arbeit auf sprachliche Experimente kon- 
zentriert haben, haben die alten Illusionen 
in die innovative Kraft der Kommunikati- 
on verloren. Akzeptieren wir aber die rela- 
tive Unabhängigkeit der Syntax-Forschung, 
sehen wir uns den willkürlichen Eigenschaf- 
ten der Bezugs-Codes gegenüber. Deshalb 
gelingt es weder De Feo noch Manieri-Elia, 
die Wahl ihres Bezugs-Codes mit einem ent- 
sprechendem Engagement zu verbinden 
(das selbst auch andere Mittel des Selbst- 
ausdrucks beinhalten könnte). 
Inwieweit ist diese Haltung mit der der 
‘Five Architects”” vergleichbar, die im 
Spektrum der internationalen Architektur 
dem Verständnis von Architektur als einer 
Reflexion auf sich selbst und auf die eige- 
nen Äußerungsformen der Disziplin am 
nächsten kommt? Ist es wirklich möglich, 
von ihrer Arbeit als einem “Manierismus 
among the ruins” 22) zu sprechen? Mario 
Gandelsonas hat in der Arbeit von Michael 
Graves folgende spezifische Interessenfel- 
der herausgearbeitet: das Interesse am klas- 
sizistischen Code, der kubistischen Malerei, 
den Traditionen der modernen Bewegung 
und der Natur 23). Dennoch sollten wir 
vorsichtig sein. Wieder handelt es sich um 
“geschlossene Systeme” innerhalb derer die 
Themen der Vieldeutigkeit und des Plura- 
lismus entwickelt und zugleich kontrolliert 
werden und innerhalb derer die Lust am 
Formenspiel in einem institutionellen oder 
bestenfalls ‘‘'monumentalen‘” Rahmen ge- 
löst ist. (Der einzige Ausgangspunkt, der 
einer solchen Interpretation Schwierigkei- 
ten bereitet, liegt in der modernen Bewe- 
gung; trotzdem wird ihr in Graves Vorle- 
sungen nur eine ‘““methaphysische”” und auf 
das 20. Jahrhundert beschränkte Bedeu- 
tung beigemessen, wodurch wir unsere In- 
terpretation bestätigt sehen.) Nach der 
Aufstellung eines Systems von Be- und 
Ausgrenzungen, ist es Graves möglich, die 
ihm zur Verfügung stehenden Mittel in 
einer endlichen Folge von Operationen zu 
manipulieren; gleichzeitig erlaubt ihm die- 
ses System zu zeigen, wie eine Klärung 
oder Explikation sprachlicher Prozesse eine 
indirekte Kontrolle über den Entwurf er- 
möglicht, natürlich immer nur innerhalb 
des vorbestimmten Systems von Ausgren- 
zungen. Mit anderen Worten, Michael Gra- 
ves, Peter Eisenman und Richard Meier ent: 
wickeln eine Methode, die aus der Klassi- 
fikation syntaktischer Prozesse folgt. Das 
ist der Formalismus in seiner ursprüngli- 
chen Gestalt, der sich in ihren Arbeiten 
fortsetzt. ‘Semantische Verzerrungen”, — 
der zentrale Aspekt der russischen Forma- 
listen — findet seine deutliche Wiederkehr 
im Benacerraf-Haus von Graves. Innerhalb 
dieser Arbeit, ebenso wie in den mehr hie- 
ratischen und zeitlos syntaktischen Dekom 
positionen von Eisenman, können wir ein 
analytisches Laboratorium erkennen, das 
sich dem Experimentieren mit ausgewähl- 
ten Formen widmet statt eine bloße Vorlie: 
be für Terragni oder den Hang zum Ab- 
strakten zu hegen. 
Die Frage, warum derartige Arbeiten in- 
nerhalb der amerikanischen Kultur als Hä- 
resie empfunden werden, ist für uns nur 
von beiläufigem Interesse. Dennoch ist 
ihre objektive Rolle zweifellos auch die, 
einen Katalog ausgewählter Entwurfsvor: 
schläge zu liefern, der auf vorbestimmte 
Situationen anwendbar ist. Es ist daher 
sinnlos zu fragen, ob die ‘“neo-positivisti- 
schen ”” Tendenzen dieser Arbeiten effektiv 
sind oder nicht 24). Als Beispiele sprachli- 
cher Strukturen können wir von ihnen nur 
erwarten, daß sie in ihrer absoluten Ahisto- 
rizität konsequent sind. Nur dadurch kann 
ihr nostalgischer Eifer neutralisiert werden 
und damit die Erkenntnis ihres Bedürfnis- 
ses, sich gesellschaftlich zu isolieren. (ne- 
benbei bemerkt, eine Anerkennung, die ge- 
genüber den selbstzufriedenen, stilistischen 
Gesten eines Philip Johnson nicht aufkom- 
men könnte). 
Michael Graves: Benacerraf Haus, Princeton, 1967 
Peter Eisemrman: Haus II, Hardwick, Vermont, 1969 
Versuchen wir nun, die übergreifenden 
Momente der bisherigen Analyse zu resum- 
mieren: Verlangt ist eine den verwendeten 
Sprachen je spezifisch angemessene Art, sie 
zu “lesen”, je unterschiedliche Weisen, 
sich ihrer Analyse zu nähern. So verlangt 
das Verständnis für Stirlings Arbeit die Her- 
stellung von Bezügen zur technologischen 
Ästhetik und zur Informationstheorie. Nur 
über diesen Weg gelangen wir zu ihrer jen- 
seits aller semantischen Verzerrungen lie- 
genden Rationalität. Demgegenüber hilft 
uns die Informationstheorie für das Ver- 
ständnis von Rossi’s Studien über typologi- 
sche Konstanten wenig. Tatsächlich scheint 
Rossi’s Formalismus sogar Bezüge zur origi- 
nalen Formulierung des linguistischen For- 
malismus von Viktor Sklovskv oder von 
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