Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1978, Jg. 10, H. 37-42)

in den LEP’s I und Il ausgewiesenen Ent- 
wicklungsschwerpunkten der Nordeifel 
Euskirchen und Gemünd/Kall/Schleiden 
erhält noch 1973 der letztere, im indu- 
striell schwächer strukturierten südlichen 
Teil der Nordeifel gelegene Schwerpunkt 
15% Investitionsbeihilfe, während Eus- 
kirchen (das sich zum Ballungsraum 
Köln hin orientiert) unberücksichtigt 
bleibt4, Bereits 1976 hat Euskirchen 
dank der veränderten Schwerpunktset- 
zung in Politik und Pkanung 20% Investi- 
tionsbeihilfen aufzuweisen — während die 
weitere Industrieförderung in Gemünd/ 
Kall/Schleiden halbherzig mit 15% er- 
folgt, wobei sie in dieser Höhe für eine 
erfolgreiche Industrieansiedlung fragwür- 
dig erscheint (erst Investitionsbeihilfen 
ab 20% werden von Unternehmen in 
Standortüberlegungen einbezogen) und 
wohl nur als Beruhigungspille dient. Zu- 
dem gilt der gesamte südliche Teil der 
Region als Landschaftsschutzgebiet, in 
dem Industrieansiedlungen besonders 
genehmigungspflichtig sind und (zu 
Recht) besonderen Umweltschutzbe- 
stimmungen unterliegen. 
„Wir sorgen für den Ausgleich finanziel- 
ler Belastungen” 
Angesichts dieser konzeptionslosen 
Förderung wundert man sich nicht, daß 
die Region Nordeifel einen erheblichen 
Fehlbestand an industriellen Arbeits- 
plätzen hat — der sich auch in den Ge- 
meindekassen niederschlägt: von den 
11 Gemeinden der Region leben 9 aus 
dem „Ausgleichsstock”, der die finan- 
ziellen Defizite auszugleichen versucht, 
die den steuerlich benachteiligten Ge- 
meinden entstehen. Das ‚„,‚Leben aus dem 
Ausgleichsstock” ist für die Kommunen 
nicht unbedingt ein Nachteil, weil sie 
bei staatlich geförderten Maßnahmen 
einen prozentual höheren Zuschuß erhal- 
ten als die Gemeinden mit höherem 
Steueraufkommen. Nach einem Erlaß 
des Innenministers® droht jedoch allen 
Ausgleichstockgemeinden ein Investi- 
tionsstopp — konkret heißt das, daß 
die In den Augen der Ministerialbürokra- 
tie unwichtigen kommunalen I|nvestitio- 
nen nicht genehmigt werden — die Pla- 
nungshoheit der armen, ohnehin benach- 
teiligten Gemeinden ist zugunsten der 
reicheren aufgehoben worden. Der 
„‚Ausgleichsstock”, sonst ein Mittel, um 
die „Chancengleichheit’” zwischen armen 
und reichen Gemeinden wieder herzu- 
stellen, gerät hier den finanzschwachen 
Gemeinden zum Nachteil und macht 
sie gänzlich abhängig von den Weisungen 
des Landes. 
„Wir helfen Städtern und Einheimischen 
durch den Fremdenverkehr‘ 
Schenkt man Zeitungsberichten Glau- 
ben, die verkünden: „Eifel-Wirte zufrie- 
den: Fremdenverkehr nahm zu”, so 
scheint sich der Fremdenverkehr als All- 
heilmittel für die wirtschaftsschwache Re- 
gion anzubieten. Ganz anders lautet das 
Urteil besorgter Einwohner, die erkannt 
haben, daß viele der getätigten Investitio- 
nen nicht unbedingt auch ihnen zugute 
kommen. Hallenbäder, die oftmals auch 
schon von Touristen aufgrund der hohen 
Eintrittspreise gemieden werden, sind für 
die Einwohner erst recht zu teuer. Doch 
während die Touristen die hoteleigenen 
Schwimmbäder aufsuchen können, bleibt 
„für die Eifler nur noch die Erft”. 
. Es entsteht der Eindruck, daß die Eif- 
ler von ihrem Fremdenverkehr überrollt 
werden und dieser in die Hände von 
„Freizeitmachern” gerät, deren Nutzen 
überhaupt und für den ländlichen Raum 
erst recht sehr fraglich ist. „„‚Ein Stück 
Eifel’”” gehört schon Scheich Al Aman 
aus Abu Dhabi und wenn die Pläne des 
Gastronomen B. sich verwirklichen soll- 
ten, wird die Mitte des Zülpicher Sees 
bald von einem exklusiven Tanzpavillon 
überbaut, umgeben von Segelbooten, Wind- „Wir schützen Natur und Umwelt” 
surfern und Wasserskiläufern. 
Während Investoren dieser Sorte brei- 
te Zustimmung erfahren, verfährt man 
mit Bürgern, die das Kapital für Ferien- 
wohnungen nicht aufbringen können und 
ihre Freizeit auf dem Camping-Platz ver- 
bringen, gänzlich anders. Obwohl Land- 
wirtschaftsminister Ertl dafür plädiert, 
Campingvorschriften „‚so unbürokratisch 
wie möglich” anzuwenden, wird in Hel- 
lenthal mit dem Feriendorf der kleinen 
Leute kurzer Prozeß gemacht: Ein gan- 
zes Feriendorf mit mehr als 100 „mit 
List und Geschmack” schwarz gebauten 
Wochenendhäusern, die z.T. schon mehr 
als ein Jahrzehnt unbeanstandet in Hel- 
lenthal stehen, sind durch „behördliche 
Verfügung” dem Bagger zum Opfer ge- 
fallen. 
Was den Eiflern jedoch bleibt, ist die 
15%ige Förderung von Fremdenverkehrs- 
einrichtungen. Daß diese Förderung aus- 
gerechnet dort nicht in Anspruch genom- 
men werden kann, wo sich der Frem- 
denverkehr von selbst anbietet, nämlich 
am Zülpicher See, der zudem vom Köl- 
ner Raum aus eher erreicht werden kann 
und somit der propagierten Naherholung 
gerecht wird, ist rätselhaft. Gefördert 
wird der gesamte südliche Teil des Krei- 
ses, wo besonders in bezug auf „Urlaub 
auf dem Bauernhof” große Erwartungen 
geweckt werden, am großen Freizeitge- 
schäft teilzuhaben. Daß die Erwartungen 
von Bauern und Touristen nicht unbe- 
dingt übereinstimmen, ist aus Prospekten 
ersichtlich, in denen Urlaubssuchenden 
von Swimmingpool, Tennis und Reiten 
vorgeschwärmt wird, während aus Sicht 
der Bauern „‚Gäste, die keine hohen An- 
sprüche stellen’, und evtl. sogar mithel- 
fen, die Ernte einzubringen, am will- 
kommensten sind. 
soll. Als Argument steht im Vorder- 
grund die Rationalisierung und Zentra- 
lisierung der Müllabfuhr, aber auch die 
Existenz der Gruben und Krater, häß- 
liche Hinterlassenschaften aus dem Erz- 
Tagebau, die bei dieser Gelegenheit auf- 
gefüllt werden sollen - verschwiegen wer- 
den aber gleichzeitig die Kosten der An- 
lage, die verstärkten Umweltbelastungen, 
die solch eine riesige Müllhalde mit sich 
bringt und nicht zuletzt die Kostenbe- 
lastung der Bevölkerung, die für größere 
weil rationellere Müllbehälter höhere 
Gebühren zahlen soll. Außerdem hätten 
diejenigen Gemeinden die höchsten 
Kosten zu tragen, die am weitesten von 
der Mülldeponie entfernt sind und de- 
ren Bürger ohnehin durch weite Wege zu 
den bereits zentralisierten Einrichtungen 
der Region benachteiligt sind. 
Aus der Sicht der Bevölkerung stellt 
sich eine solche Planung als Nichtberück- 
sichtigung ihrer Belange dar, als von oben 
aufgesetzte Planung, die mit ihren Bedürf- 
nissen und der Realität des Raumes we- 
nig zu tun hat. Aber Gegenwehr der Be- 
völkerung entsteht noch nicht in der Pla- 
nungsphase, sondern erst bei unmittelba- 
rer Betroffenheit. Vorbeugend und be- 
ruhigend in dieser Hinsicht sollte wohl 
der Eifel-Spaziergang des (damaligen) 
Regierungspräsidenten Heidecke wirken, 
der sich vor Ort über die Reaktion der 
Gemeinden auf seinen Wasserwirtschafts- 
erlaß (April 1976, Regierungsbezirk Köln) 
informieren wollte. Dieser Erlaß sieht 
einen „Baustopp” nach einer Frist von 
10 Jahren für Gemeinden vor, die bis zu 
diesem Zeitpunkt keine chemisch-biolo- 
gische Kläranlage besitzen und nicht an 
das Kanalnetz angeschlossen sind. Dies 
ist jedoch Voraussetzung für die Geneh- 
migung von Bebauungsplänen. Utopisch 
erscheinen den Gemeinden die Kosten 
für die Kanalisation, die auf 100 Mill. DM 
veranschlagt worden sind und von den 
ohnehin finanzschwachen Gemeinden 
nicht zu realisieren wären.— geschweige 
denn von der Bevölkerung dieser Flächen- 
gemeinden, die eine gewaltige Summe 
an Kanalanschlußgebühren und Anlieger- 
beiträgen zu bezahlen hätten. 
2. Die Reaktion vor Ort: von den 
Schwierigkeiten der Anpassung und den 
Hemmnissen der Gegenwehr 
Die Reaktion der Kommunen: uns hilft 
nur die Industrieansiedlung 
Als ein Ausweg aus der finanziellen 
Misere wird von den Kommunen immer 
noch die Industrieansiedlung gesehen 
— mit dem Blick auf Gewerbe- und Ein- 
kommensteuer gerichtet und in der Hoff- 
nung auf Wachstum, Fortschritt und 
„Verplant’ fühlen sich Gemeinden Wohlstand: Industrieansiedlung füllt die 
und Bürger der Region durch die vorge- leeren Gemeindekassen, schafft Arbeits- 
sehene zentrale‘ Mülldeponie, die nicht plätze und zieht Wohnbevölkerung an. 
nur die Abfälle des Kreises, sondern Nun mögen diese Punkte zwar für 
auch noch den Müll aus Bonn aufnehmen Kommunen mit einer hohen Standort- 
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