in den LEP’s I und Il ausgewiesenen Ent-
wicklungsschwerpunkten der Nordeifel
Euskirchen und Gemünd/Kall/Schleiden
erhält noch 1973 der letztere, im indu-
striell schwächer strukturierten südlichen
Teil der Nordeifel gelegene Schwerpunkt
15% Investitionsbeihilfe, während Eus-
kirchen (das sich zum Ballungsraum
Köln hin orientiert) unberücksichtigt
bleibt4, Bereits 1976 hat Euskirchen
dank der veränderten Schwerpunktset-
zung in Politik und Pkanung 20% Investi-
tionsbeihilfen aufzuweisen — während die
weitere Industrieförderung in Gemünd/
Kall/Schleiden halbherzig mit 15% er-
folgt, wobei sie in dieser Höhe für eine
erfolgreiche Industrieansiedlung fragwür-
dig erscheint (erst Investitionsbeihilfen
ab 20% werden von Unternehmen in
Standortüberlegungen einbezogen) und
wohl nur als Beruhigungspille dient. Zu-
dem gilt der gesamte südliche Teil der
Region als Landschaftsschutzgebiet, in
dem Industrieansiedlungen besonders
genehmigungspflichtig sind und (zu
Recht) besonderen Umweltschutzbe-
stimmungen unterliegen.
„Wir sorgen für den Ausgleich finanziel-
ler Belastungen”
Angesichts dieser konzeptionslosen
Förderung wundert man sich nicht, daß
die Region Nordeifel einen erheblichen
Fehlbestand an industriellen Arbeits-
plätzen hat — der sich auch in den Ge-
meindekassen niederschlägt: von den
11 Gemeinden der Region leben 9 aus
dem „Ausgleichsstock”, der die finan-
ziellen Defizite auszugleichen versucht,
die den steuerlich benachteiligten Ge-
meinden entstehen. Das ‚„,‚Leben aus dem
Ausgleichsstock” ist für die Kommunen
nicht unbedingt ein Nachteil, weil sie
bei staatlich geförderten Maßnahmen
einen prozentual höheren Zuschuß erhal-
ten als die Gemeinden mit höherem
Steueraufkommen. Nach einem Erlaß
des Innenministers® droht jedoch allen
Ausgleichstockgemeinden ein Investi-
tionsstopp — konkret heißt das, daß
die In den Augen der Ministerialbürokra-
tie unwichtigen kommunalen I|nvestitio-
nen nicht genehmigt werden — die Pla-
nungshoheit der armen, ohnehin benach-
teiligten Gemeinden ist zugunsten der
reicheren aufgehoben worden. Der
„‚Ausgleichsstock”, sonst ein Mittel, um
die „Chancengleichheit’” zwischen armen
und reichen Gemeinden wieder herzu-
stellen, gerät hier den finanzschwachen
Gemeinden zum Nachteil und macht
sie gänzlich abhängig von den Weisungen
des Landes.
„Wir helfen Städtern und Einheimischen
durch den Fremdenverkehr‘
Schenkt man Zeitungsberichten Glau-
ben, die verkünden: „Eifel-Wirte zufrie-
den: Fremdenverkehr nahm zu”, so
scheint sich der Fremdenverkehr als All-
heilmittel für die wirtschaftsschwache Re-
gion anzubieten. Ganz anders lautet das
Urteil besorgter Einwohner, die erkannt
haben, daß viele der getätigten Investitio-
nen nicht unbedingt auch ihnen zugute
kommen. Hallenbäder, die oftmals auch
schon von Touristen aufgrund der hohen
Eintrittspreise gemieden werden, sind für
die Einwohner erst recht zu teuer. Doch
während die Touristen die hoteleigenen
Schwimmbäder aufsuchen können, bleibt
„für die Eifler nur noch die Erft”.
. Es entsteht der Eindruck, daß die Eif-
ler von ihrem Fremdenverkehr überrollt
werden und dieser in die Hände von
„Freizeitmachern” gerät, deren Nutzen
überhaupt und für den ländlichen Raum
erst recht sehr fraglich ist. „„‚Ein Stück
Eifel’”” gehört schon Scheich Al Aman
aus Abu Dhabi und wenn die Pläne des
Gastronomen B. sich verwirklichen soll-
ten, wird die Mitte des Zülpicher Sees
bald von einem exklusiven Tanzpavillon
überbaut, umgeben von Segelbooten, Wind- „Wir schützen Natur und Umwelt”
surfern und Wasserskiläufern.
Während Investoren dieser Sorte brei-
te Zustimmung erfahren, verfährt man
mit Bürgern, die das Kapital für Ferien-
wohnungen nicht aufbringen können und
ihre Freizeit auf dem Camping-Platz ver-
bringen, gänzlich anders. Obwohl Land-
wirtschaftsminister Ertl dafür plädiert,
Campingvorschriften „‚so unbürokratisch
wie möglich” anzuwenden, wird in Hel-
lenthal mit dem Feriendorf der kleinen
Leute kurzer Prozeß gemacht: Ein gan-
zes Feriendorf mit mehr als 100 „mit
List und Geschmack” schwarz gebauten
Wochenendhäusern, die z.T. schon mehr
als ein Jahrzehnt unbeanstandet in Hel-
lenthal stehen, sind durch „behördliche
Verfügung” dem Bagger zum Opfer ge-
fallen.
Was den Eiflern jedoch bleibt, ist die
15%ige Förderung von Fremdenverkehrs-
einrichtungen. Daß diese Förderung aus-
gerechnet dort nicht in Anspruch genom-
men werden kann, wo sich der Frem-
denverkehr von selbst anbietet, nämlich
am Zülpicher See, der zudem vom Köl-
ner Raum aus eher erreicht werden kann
und somit der propagierten Naherholung
gerecht wird, ist rätselhaft. Gefördert
wird der gesamte südliche Teil des Krei-
ses, wo besonders in bezug auf „Urlaub
auf dem Bauernhof” große Erwartungen
geweckt werden, am großen Freizeitge-
schäft teilzuhaben. Daß die Erwartungen
von Bauern und Touristen nicht unbe-
dingt übereinstimmen, ist aus Prospekten
ersichtlich, in denen Urlaubssuchenden
von Swimmingpool, Tennis und Reiten
vorgeschwärmt wird, während aus Sicht
der Bauern „‚Gäste, die keine hohen An-
sprüche stellen’, und evtl. sogar mithel-
fen, die Ernte einzubringen, am will-
kommensten sind.
soll. Als Argument steht im Vorder-
grund die Rationalisierung und Zentra-
lisierung der Müllabfuhr, aber auch die
Existenz der Gruben und Krater, häß-
liche Hinterlassenschaften aus dem Erz-
Tagebau, die bei dieser Gelegenheit auf-
gefüllt werden sollen - verschwiegen wer-
den aber gleichzeitig die Kosten der An-
lage, die verstärkten Umweltbelastungen,
die solch eine riesige Müllhalde mit sich
bringt und nicht zuletzt die Kostenbe-
lastung der Bevölkerung, die für größere
weil rationellere Müllbehälter höhere
Gebühren zahlen soll. Außerdem hätten
diejenigen Gemeinden die höchsten
Kosten zu tragen, die am weitesten von
der Mülldeponie entfernt sind und de-
ren Bürger ohnehin durch weite Wege zu
den bereits zentralisierten Einrichtungen
der Region benachteiligt sind.
Aus der Sicht der Bevölkerung stellt
sich eine solche Planung als Nichtberück-
sichtigung ihrer Belange dar, als von oben
aufgesetzte Planung, die mit ihren Bedürf-
nissen und der Realität des Raumes we-
nig zu tun hat. Aber Gegenwehr der Be-
völkerung entsteht noch nicht in der Pla-
nungsphase, sondern erst bei unmittelba-
rer Betroffenheit. Vorbeugend und be-
ruhigend in dieser Hinsicht sollte wohl
der Eifel-Spaziergang des (damaligen)
Regierungspräsidenten Heidecke wirken,
der sich vor Ort über die Reaktion der
Gemeinden auf seinen Wasserwirtschafts-
erlaß (April 1976, Regierungsbezirk Köln)
informieren wollte. Dieser Erlaß sieht
einen „Baustopp” nach einer Frist von
10 Jahren für Gemeinden vor, die bis zu
diesem Zeitpunkt keine chemisch-biolo-
gische Kläranlage besitzen und nicht an
das Kanalnetz angeschlossen sind. Dies
ist jedoch Voraussetzung für die Geneh-
migung von Bebauungsplänen. Utopisch
erscheinen den Gemeinden die Kosten
für die Kanalisation, die auf 100 Mill. DM
veranschlagt worden sind und von den
ohnehin finanzschwachen Gemeinden
nicht zu realisieren wären.— geschweige
denn von der Bevölkerung dieser Flächen-
gemeinden, die eine gewaltige Summe
an Kanalanschlußgebühren und Anlieger-
beiträgen zu bezahlen hätten.
2. Die Reaktion vor Ort: von den
Schwierigkeiten der Anpassung und den
Hemmnissen der Gegenwehr
Die Reaktion der Kommunen: uns hilft
nur die Industrieansiedlung
Als ein Ausweg aus der finanziellen
Misere wird von den Kommunen immer
noch die Industrieansiedlung gesehen
— mit dem Blick auf Gewerbe- und Ein-
kommensteuer gerichtet und in der Hoff-
nung auf Wachstum, Fortschritt und
„Verplant’ fühlen sich Gemeinden Wohlstand: Industrieansiedlung füllt die
und Bürger der Region durch die vorge- leeren Gemeindekassen, schafft Arbeits-
sehene zentrale‘ Mülldeponie, die nicht plätze und zieht Wohnbevölkerung an.
nur die Abfälle des Kreises, sondern Nun mögen diese Punkte zwar für
auch noch den Müll aus Bonn aufnehmen Kommunen mit einer hohen Standort-
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