Arbeitslosigkeit. Im April 1978 betrug
die Arbeitslosenquote im Durchschnitt
der BRD 4,9 %, im Saarland aber 7,9%
und im Arbeitsamtsbesirk Saarbrücken
sorgar 9,1 %.
Aufgrund der einseitigen Branchen-
struktur — der Beschäftigtenanteil an
der Grundstoff- und Produktionsgüter-
industrie liegt fast doppelt so hoch wie
im Bundesdurchschnitt — rechnen auch
die Statistiker des Stadtverbandes Saar-
brücken eine düstere Zukunft hoch. Sie
prognostizieren 14.000 fehlende Arbeits-
plätze bis 1985. Bei einer Erwerbsquote
von 53 % sind dann nach dieser Rech-
nung rund 26.000 Einwohner ohne Brot-
erwerb. Sie müßten abwandern, aber wo-
hin? Auch in den anderen Wirtschafts-
regionen der BRD sind die Grenzen
des Wachstums abgesteckt. Dabei gehen
alle offiziellen Prognosen von zum Teil
extremen Zuwachsraten bei den Dienst-
leistungsbranchen aus. Durch solche Bi-
Janztricks kann dann sogar eine leichte
Steigerung des Arbeitsplatzangebots pro-
gnostiziert werden. Die große Beschwö-
rung des „post-industriellen’’ Zeitalters
bleibt das Patentrezept gegen die Struk-
turkrise. Aus welchen Quellen der unpro-
duktive Sektor der Wirtschaft sein Wachs:
tum auf Dauer speisen soll, bleibt Ge-
heimnis der bürgerlichen Ökonomen.
Saarbrücken als Dienstleistungszen-
trum des Landes richtet sich jedenfalls
auf die neue Ära mit Glamour ein. Die
weiderentdeckte Altstadt wird heraus-
geputzt, man erinnert sich in der Hoff-
nung auf post-industrielle Zuwachsraten
seiner prä-industriellen Historie. Und
damit eröffnet sich noch ein Ausweg
aus der Strukturkrise: alle reden von
Fremdenverkehr. Neue Einnahmequel-
len sind auch dringend nötig, denn der
Haushalt 1978 der Stadt Saarbrücken
weist einen Fehlbestand von 25 Mio DM
aus.
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Die „Stadtkrone” des „post”-industriellen Zeitalters: Konsum-Kästen über restaurier-
ter Altstadtkulisse in Saarbrücken. Die Welt der Zigarettenwerbung — Verheißung
des ausgehenden 20. Jahrhunderts?
Fußgängerzone in Saarbrückens Alt-
stadt: Früher durch fließenden und ru-
henden Verkehr belastet und durch
Jiegenden Verkehr als Nuttenviertel
verpönt, heute Treffpunkt zahlungskräf
tigen Publikums für teuren Trödel und
gepflegte Geselligkeit.
Die Idylle wird erweitert: Stadterneue-
rung für wen?
Friedemann Gschwind
Bilder: Dietrich Henckel
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