Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1978, Jg. 10, H. 37-42)

nern) hat sich die Einkommensvertei- 
lung insgesamt zwar völlig verändert, ins 
besondere hat sich die Mitte erheblich 
verbreitert und differenziert; aber die 
Unterschiede zwischen den großen so- 
zialen Gruppen sind im Zeitablauf mehr 
oder weniger gleich geblieben. Daraus 
folgt, daß auch im Wohnungssektor die 
Versorgungsverhältnisse zwar nahezu 
überall besser geworden sind, aber auf 
dem höheren Niveau keineswegs eine 
Nivellierung eingetreten ist; die sozia- 
len Unterscheide und damit auch die 
räumlichen Unterschiede bleiben im 
wesentlichen trotz allen Fortschritts 
erhalten.”’® 
Die Autoren der „Sickerstudie”’ 
meinen zu dieser Frage lapidar: „Ob 
neben der voraussichtlichen absoluten 
tatsächlich eine relative Besserstellung 
besteht, ist theoretisch nicht zwingend 
und bedarf der empirischen Überprü- 
fung.””? Genau diese Überprüfung fin- 
det jedoch nicht statt, und dazu war der 
methodische Ansatz der Studie — die 
Befragung von rund 2000 Beziehern 
neuer Wohneinheiten sowie der „‚Sicker- 
haushalte”” — auch gar nicht geeignet. 
Der verteilungspolitische Aspekt unter 
Einbeziehung des gesamten Wohnungs- 
angebots bleibt völlig außer acht. Somit 
bleibt auch ein Pferdefuß verdeckt, der 
prominenten Vertretern der „‚,Filtering”” 
Theorie längst geläufig ist!® : Liegen die 
freigemachten Wohnungen nicht in der 
ökonomischen Reichweite der „Sicker- 
haushalte’”” — was vor allem auf dem 
unteren Teilmarkt zu erwarten ist—so re- 
agiert der Hauseigentümer mit Desin- 
vestition. In diesem Fall werden die 
„Siekerhaushalte” nicht mit dem Sog 
des Neubauangebots nach oben in der 
Qualitätsskala gezogen, sondern umge- 
kehrt, ihre Wohnqualität nimmt beschleu- 
nigt ab. 
Auch das Bundesbauministerium 
könnte es besser wissen. Es hat,nämlich 
10 regionale Wohnungsmarktstudien in 
Auftrag gegeben, welche einige Daten zu- 
tage gefördert haben, um die Eigentums- 
euphorie zu bremsen. 
Der Wechsel von Miete zu Wohneigen- 
tum kann nur von einer kleinen Minder- 
heit der mobilen Haushalte vollzogen 
werden. Bei den Wohnungsmarktanaly- 
sen liegt der Anteil bei etwa 10—20% der 
Wechsler. Ein etwa gleich großer Anteil 
der Wechsler gibt Eigentumsbildung als 
ausschlaggebendes Motiv zu Wohnstand- 
ortwechsel an. Diese Angaben decken 
sich auch mit jenen der Bundesregie- 
rung.!! (Beiseite: Es ist natürlich ein Un- 
terschied, ob ich jemanden frage, ob er 
gerne einen Rolls Royce haben will oder 
ob er sich auch einen leisten kann.) 
Aus den Wohnungsmarktanalysen 
wird auch die Polarität des Wohnungs- 
marktes deutlich. Als Beispiel seien eini- 
ge Daten aus der Saarbrücker Analyse 
herausgegriffen: !? 
® Trotz Überversorgung eines großen 
Anteils der Haushalte sind 27% der 
Mieterhaushalte flächenmäßig unter- 
versorgt. 
# Trotz Verbesserung durch Umzug 
sind 26% der Wechsler schlechter ver- 
sorgt als der Durchschnitt aller Haus- 1) 
halte. 2) 
22% der 1- und 2-Personen-Haushalte © 
und 17% der 3-Personen-Haushalte 
wenden über 25% des Nettohaushalts- 
einkommens für die Miete auf. 
Die Bundesregierung verhält sich jedoch Sl 
nach Art jenes Pennälers, der nur eine 
Lektion, nämlich die über die Würmer, ge- 
lernt hatte und auf die unerwartete Fra- 
ge über Elefanten antwortete: Der Ele- 6) 
fant hat einen wurmartigen Rüssel. Die 7) 
Würmer unterteilen sich in Mehlwürmer, 
Bandwürmer ... 8) 
Pardon: Der soziale Wohnungsbau för- 
dert das Eigentum der Gemeinnützigen 
Gesellschaften. Die Eigentumsförderung 9) 
unterteilt sich in 2. Förderungsweg, 7b- !'09) 
Abschreibung ... 
Bundestagsdrucksache 8/2085 vom 7.8.78 
3.23.0.5;.71 
Vgl. Sonderdruck ARCH+ zusammen mit 
dem Landesverband Südwestdeutscher 
Mietervereine. Heinz Hammer (Landesvor- 
sitzender): Der soziale Wohnungsbau ist 
gesetzliche Aufgabe, 
Bundestagsdrucksache 8/2085 
Schriftenreihe des Bundesministers für 
Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: 
Sickereffekte verschiedener Formen der 
Wohnbau- und Bausparförderung. (07.003. 
1978). 
ebenda, S. 39 
ebenda, S. 15. Hervorhebung von F. 
Gschwind 
Günter Fuderholz: Auswirkungen von 
Stadt-Umland-Wanderungen und Betriebs- 
verlagerungen auf die Entwicklung der 
Innenstädte, Manuskript, ARPUD 78. 
Sickereffekte ... S. 11 
Vgl. Ira S. Lowry: Filtering and Housing 
Standard: A Conceptual Analysis, In: Land 
Economics Vol, 36, 1960 
Bundestagsdrucksache 8/2085, S. 4 
isoplan/coplan: Regionale Wohnungsmarkt- 
analyse Saarbrücken 1976/77. Saarbrücken 
1978 
11) 
12) 
Wolfgang Voigt 
Nach der Demontage des Sozialen 
Wohnungsbaus: 
Drückt sich der Staat 
um die Nachsubvention? 
Am Ende eines von oben betriebenen De- 
montage-Prozesses ist vom „Sozialen Woh- 
nungsbau”’, dem einstigen Interventionsinstru- 
ment des Staates zur Wiederankurbelung des 
Massenwohnungsbaus nach 1945, ein Subven- 
tionstorso übriggeblieben, dessen Fragwürdig- 
keit die Sozialmieter vor allem in der vorpro- 
grammierten ‚„„‚Mietenexplosion”” zu spüren 
bekommen: Dabei bewirkt der schrittweise 
Subventionsabbau, daß bei der Mehrzahl der 
in den letzten 10 Jahren gebauten Neubau- 
wohnungen die Sozialmieten schon bald das 
Niveau freifinanzierter Neubauwohnungen 
erreichen und weit überschreiten können. 
In diesem Beitrag wird versucht, das noch 
immer praktizierte Förderungssystem am 
Beispiel einer 1973 gebauten Sozialwohnung 
zu demonstrieren, indem die Finanzierung, 
Art und Größenordnung der staatlichen Sub- 
vention sowie deren Einfluß auf die Ent- 
wicklung der Sozialmieten in einer Beispiel- 
rechnung dargestellt werden. Mit Hilfe 
desselben Fallbeispiels wird der eventuelle 
Nachsubventions-Bedarf exemplarisch hoch- 
gerechnet, um Anhaltspunkte für zukünftige 
Auseinandersetzungen zu erhalten, die sich 
zwischen den betroffenen Sozialmietern auf 
der einen und Staat und Wohnungswirt- 
schaft auf der anderen Seite an der Frage 
entzünden werden, wer für die Folgelasten 
der verfehlten Förderung, die als Nachsub- 
ventionsbedarf bis weit über das Jahr 2000 
hinaus entstehen werden, aufkommen wird: 
Der Staat als Verursacher oder eine angeb- 
liche „Solidargemeinschaft’’ der Sozialmieter, 
die dieses Bündel z.Zt. in Form verschiedener 
Projekte zur „‚Mietenentzerrung”” geschnürt 
bekommt. 
Zusätzliches Gewicht erhält diese Frage 
durch die Massierung des neueren Sozialwoh- 
nungsbestandes in jenen neuen Wohngebieten 
am Rande der Städte, deren „‚Absinken”’ sich 
in der Abwanderung zahlungskräftiger Mie- 
ter-Schichten zunehmend abzeichnet. 
Die Ausführlichkeit in der Darstellung des 
Fallbeispiels in den Kästen 2—4 soll die Auf- 
stellung analog durchgeführter Berechnungen 
erleichtern. Die wichtigsten Daten sind für jede 
Sozialwohnung in der Wirtschaftlichkeitsberech 
nung enthalten, die jedem Mieter nach & 29 der 
Neubaumietenverordnung vom Vermieter auf 
Anforderung vorgelegt werden muß. 
1. Die Krisensymptome des Sozialen 
Wohnungsbaus 
In einer — verkürzten — Darstellung 
jassen sich die Krisenerscheinungen im 
Sozialen Wohnungsbau auf die folgenden 
Symptome eingrenzen: 
® die sogenannte „‚Mietenverzerrung” 
zwischen den mietengünstigen älteren, 
zwischen 1949 und ca. 1965 errichteten 
Sozialwohnungen, und dem neuesten 
Sozialwohnungsbestand der letzten 10 
Jahre. Während die älteren Sozialwoh- 
nungen durch hohe Kapitalsubvention 
des Staates (öffentliche Baudarlehen, 
die durch lange Laufzeit und sehr niedri- 
ge Zinsen ‘vie verlorene Zuschüsse wir- 
ken! , gefördert wurden, mußten die seit 
ca. Mitte der 60er Jahre gebauten Sozial- 
wohnungen überwiegend mit Mitteln 
des Kapitalmarkts finanziert werden, 
da die öffentlichen Baudarlehen, die 
während der 50er Jahre noch durch- 
schnittlich 40% der Gesamtkosten einer 
Wohnung trugen, auf 10—15% reduziert 
worden sind. Die daraus entstandene 
hohe Belastung mit Hypothekenzinsen 
hat die Kostenmieten? des neueren 
Sozialwohnungsbestandes von 3,40 DM 
(1962) auf 11,40 DM (1974) pro m? 
und Monat ansteigen lassen,* wobei die 
Durchschnittswerte in städtischen Bal- 
lungsgebieten wegen der höheren Bau-
	        
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