den; eben nur ‘soweit wie möglich”,
ohne ihr “objektiviertes Ergebnis’ wieder
umschlagen zu lassen in ein subjektivier-
tes, auf ein konkretes Individuum bezoge-
nes. Die versachlichte Ästhetik wird je-
doch einbezogen in die Erfüllung der
Zwecke, “Schönheit” hat keinen Vorrang
mehr: “Wir sehen, wie ‘Baukunst’ allmäh-
lich in ‘Bauen’ übergeht’” (Mondrian
(1922) 1967, 154) stellt Mondrian fest
und fährt fort: ‘Der gegenwärtige Archi-
tekt lebt in der ‘Baupraxis’ — außerhalb
der Kunst”; und ‘die Architektur als
Formgestaltung zu sehen, ist ..... eine
traditionelle Auffassung‘; ‘der Nutzen,
das Ziel, kann in der Architektur die
Schönheit abwandeln, .. . . . die Schön-
heit kann dadurch sogar eingeschränkt
werden.” (Mondrian (1922) 1967, 161)
Trotz beachtlicher Ergebnisse blieb das
“kooperativ-objektivistische Entwurfsver-
ständnis’” ohne große Gefolgschaft; die
“Bewegung” zerfiel in sich 9), zerbrach
z.T. an der “nicht-kooperativen’” Grund-
haltung ihrer Verfechter — ‘wollte doch
jeder ein Führer des de Stijl sein” (Does-
burg (1927) 1967, 222) — , an der unge-
lösten Organisationsfrage und an der dog-
matisch gehandhabten Methodik, die zur
Formerstarrung führte. Das ‘““kooperativ-
objektivistische Entwurfsverständnis””
blieb eben nur ‘“programmatischer Vor-
griff”.
Wesentliche Impulse gingen lediglich
aus auf den Städtebau durch die Arbeiten
von van Eesteren in Amsterdam 10) und
im C/AM. Ihm lag daran, die Stadtpla-
nung auf ihrem Entwicklungsweg aus der
städtebaulich-baukünstlerischen Bahn zu
lösen und die sich allenthalben anbahnen-
de Linie einer versachlichten Stadtent-
wicklungsplanung, den “Urbanismus
voranzutreiben: “Es ist die Aufgabe der
Urbanisten, die Reorganisation unserer
Städte und eine rationelle Bestimmung,
Einteilung und Besiedlung des Bodens zu
studieren und vorzubereiten” (Van
Eestern (1927) 1967, 227). “Studieren”
im Sinne der “Analyse” mit wissenschaft-
licher Methodik; und ‘ vorbereiten” im
Sinne der Erarbeitung funktionaler, nicht-
baukünstlerischer Konzepte im Sinne der
“Synthese” für die Auseinandersetzungen
im Kontext kommunaler Politik, denn
“die Praxis des Städtebaues ist ein Kampf
um Quadratmeter; ein Kampf auf der gan-
zen Linie zwischen Privatwirtschaft und
Gemeinwirtschaft” (Hoenig, 1928,197).
Hierzu bedurfte es wissenschaftlicher
Vorbereitung und der Analyse der die
Stadtentwicklung bestimmende Elemente
und Beziehungen: ‘Der Städtbau teilt
den Lebensraum der Stadtbewohner in
Flächen scharf getrennter Zweckbestim-
mung. Das sozial-ökonomische Ziel der
städtebaulichen Güterproduktion ist Be-
darfsdeckung in quantitativer und quali-
tativer Hinsicht; der Bedarf im Städtebau
aber ist ein vierfacher: er umfaßt 1. Wohn-
flächen; 2. Arbeitsflächen; 3. Verkehrsflä-
chen; und 4. Erholungsflächen” (197).
Obwohl auch Le Corbusier ähnliche Be-
griffe 1941 in seiner “Charta von Athen”
verwendet, konnte es kaum eine größere
Distanz im Entwurfsverständnis geben, als
zwischen ihm, dem Baukünstler-Individu-
um und den Vertretern eines versachlich-
ten, an kommunaler Politik orientieren
Urbanismus 11), Die Auseinandersetzung
zwischen Le Corbusier und van Eesteren
ist Sache einer eigenen Arbeit. 12)
“ERFINDEN”: DAS KOLLEKTIVI—-
STISCH—POLITISCHE ENTWURFS-—
VERSTÄNDNIS
Die Baukünstler gerieten bei ihrem Ent-
rufsverständnis mit den Zwecken ins Ge-
hege: ‘Der Künstler steht im innersten
Widerspruch zur Form der Leistungser-
füllung (d.h. der Zweckform, d.V.), solan-
ge er seine Individualität nicht aufgibt;
denn es handelt sich bei der Arbeit an der
Form der Leistungserfüllung (d.h. dem
funktionellen und zweckmäßigen Bau-,
werk, d.V.) nicht um die Verwirklichung
der Individualität des Künstlers, sondern
um die Verwirklichung der Individualität
eines Gebrauchsgegenstandes. Alle ‘Ein-
zelnen’ — und je stärker sie als Persönlich-
keiten sind und manchmal je lauter (dies
zielt gegen Le Corbusier, Härings Intim-
feind, d.V.), umso mehr — stehen deshalb
der Bewegung (der gesellschaftlichen Ent-
wicklung, d.V.) hindernd im Wege und
die Fortschritte entstehen in der Tat ge-
gen sie’ (Häring (1932) 1965, 30).
Die Konstruktivsten hatten zwar die In-
dividualität in ihrem Entwurfsverständnis
aufgegeben, drehten sich jedoch letztlich
bei ihrem Versuch, immer nur “sachlich
zu bleiben”, im Kreise ihrer Methodenleh-
re — während gleichzeitig das Bauen im-
mer politischer wurde, politisches Han-
deln und Parteiergreifen erforderte.:
Wenn ‘der herrschende Baustil einer Ge-
sellschaft der Baustil der herrschenden
Klasse ist’” (Schwab (1930) 1973, 143)
und in den Zwanziger Jahren ‘nicht mehr
das individuelle Geltungsbedürfnis des
hochgekommenen Einzelunternehmers
die Situation bestimmt, sondern das
Machtbewußtsein des Trustkapitals auf
der einen Seite und der Arbeiterorganisa-
tion auf der anderen Seite’ (145), dann
mußten auch die Entwürfe und Bauten
des Architekten Zeichen seines politi-
schen Standortes sein, seiner Parteinahme
für oder gegen die herrschenden Tenden-
zen: ‘Wir müssen wissen, daß wir unsere
Gesinnung offenbaren, wenn wir bauen”.
(Häring (1925) 1965,16). Und wenn es —
was heute lächerlich erscheinen mag —
nur durch die Form des Daches war:
Flachdach: sozialistisch; Steildach: kon-
servativ. 13)
Hannes Meyer nun war einer der weni-
gen Architekten, die sich offen auf die
Seite der Arbeiterorganisationen schlugen
und dort ihre Aufgabe als Architekten
sahen; offen polemisierte er gegen die
Verhüllung der politischen Gegensätze
durch die Ästhetik des Neuen Bauens:
“Wir suchen keinen Bauhausstil und kei-
ne Bauhausmethode; keine modisch-fla-
che Flächenornamentik, horizontal-verti-
kal geteilt und neoplastisch aufgepäppelt.
Wir suchen keine geometrischen und stre-
ometrischen Gebilde, lebensfremd und
funktionsfeindlich”‘, (Meyer (1929) 1965,
98). Vor allem lehnte er das Verständnis
von “Architektur als Baukunst” ab; die
“autoritäre Position des Architekten
beim Bauen”; “das individuell-intuitive
Entwurfsverständnis”: ‘Bauen ist ein
technischer, kein ästhetischer Prozeß und
der zweckmäßigen Funktion eines Hauses
widerspricht die künstlerische Kompositi-
on” (Meyer (1926) 1965, 92). Vielmehr:
“Architektur ist eine Wissenschaft gewor-
den! Architektur ist Bauwissenschaft!”
(Meyer (1931) 1965, 30)
Meyer entwickelte in Diskussionen u.a.
mit van Doesburg, van Eesteren und be-
einflußt von den russischen Konstruk ti-
visten ein neues Entwurfsverständnis: wir
nennen es hier ‘‘kollektivistisch-politisch”.
Er vermeidet, wie die Konstruktivisten,
das Wort ‘Entwerfen’ mit seiner bau-
künstlerischen Vorbelastung; er verwen-
det — wohl in Anlehnung an die russi-
schen Konstruktivisten — das Wort “erfin-
den” oder meist nur schlicht “bauen”:
1) “erfinden” verweist auf die ‘kreati-
ve” Behandlung der Probleme der Benut-
zer von Häusern, die der Architekt zu
bauen hat; denn auch Hannes Meyer geht
davon aus, daß der Architekt als Fach-
mann beim Bauen erforderlich ist — nur
eben nicht als Baukünstler sondern als
Baufachmann, dem in erster Linie die Ge-
brauchswertseite des Gebäudes am Her-
zen zu liegen hat; daß hoher Gebrauchs-
wert als Ziel architektonischen Schaffens
hohen Einfalisreichtum und Erfindungs-
gabe voraussetzt, wird durch das Wort
“erfinden” ausgedrückt; dieses Erfinden
muß jedoch, soll der höchstmögliche Ge-
brauchswert eines Gebäudes erreicht
werden, gemeinsam mit den Nutzern
vorgenommen werden; muß in einem
kollektiven Arbeitsprozeß stattfinden.
2) Das Wort “bauen”, wie es Hannes
Meyer verstand, verweist auf den seiner
Meinung als Marxist nach notwendiger-
weise (möglichst) ungeteilten Prozeß der
Erarbeitung des Programms, des “Erfin-
dens” und des Realisierens — wobei dieser
Prozeß nicht bestimmt werden darf von
autoritären Architekten-Experten, Son-
dern gemeinsam vom Kollektiv aus Archi-
tekten, Nutzern, Bauhandwerkern und
anderen Beteiligten getragen werden muß.
Im einzelnen bedeutet dieses kollekti-
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