tigen wirtschaftlichen Bedingungen aus
zwei Gründen „neue Qualität”:
Zum einen kann nicht länger der
Eindruck aufrecht erhalten werden,
als sei die Krisenentwicklung eine
vorübergehende, ‚„‚konjunkturbedingte”
Angelegenheit, die auf ein. bald ein-
setzendes weiteres Wachstum der
Städte und Regionen hoffen ließe
— womit dann freilich wieder die
Überzentralisationskonflikte der
„Krise der Stadt’” auftreten würden.
Vielmehr zeigt nicht nur die reale
Entwicklung sondern auch die sich
zunehmend darauf einstellende
Bundes- und Landesplanung, daß es
nicht um den Abbau räumlicher Dis-
paritäten und sozio-ökonomischer
Entwicklungsunterschiede geht, son-
dern um eine Fixierung der räumli-
chen Polarisation.
Mit dieser Determination der un-
terschiedlichen Entwicklung der (Teil-)
Räume und Städte gewinnt zum ande-
ren die Beibehaltung der traditionellen ,
im Prinzip überall gleichen STEP-Instru-
mente und Ziele fast absurden Charak-
ter. Die Städte mit der geringsten
Chance, sich selbst aus ihrem Entwick-
tungsdilemma zu befreien, kaprizieren
sich heute am energischsten auf Infra-
strukturvorleistungen; angesichts der
real schwindenden Erfolgschancen die-
ser Projekte führt eine solche Planung
nur zu einer sinnlosen Verschärfung
innerregionaler Konkurrenz und damit
zu erhöhter „Erpreßbarkeit’” der Kom-
munen. Die Landesplanung versucht
diesen Konflikt autoritär zu lösen, in-
dem sie den Gemeinden zunehmend
die Entscheidungskompetenz in diesen
Fragen entzieht (z.B. Kommunaireform,
LEP !/1l und VI); damit ist die Entwick
lung zur Unterentwicklung dann admi-
nistrativ verordnet (während sie sich
im ruinösen Konkurrenzkampf eher
„‚naturwüchsig” einstellen würde).
Eine Abkehr von den traditioneilen
Zielen und Methoden der STEP ist da-
gegen höchstens in Ansätzen erkennbar
(vgl. Teil 11); vor allem fehlt die Er-
kenntnis der teilweise durchaus ambi-
valenten Wirkung bestimmter Rück-
zugstendenzen von Kapitalien, die
zwar noch lange keine Lösung der Kri-
se für die Städte herbeiführt, die aber
immerhin auch alternative Entwick -
lungsmöglichkeiten eröffnet, die unter
den Bedingungen expandierender Kapi-
talakkumulation nicht denkbar gewesen
wären.
(Fortsetzung ARCH+ Nr. 39)
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1) Parole des Deutschen Städtetages aus dem
Jahr 1971
Helfert, M.: Rationalisierung, Beschäfti-
gung, Wirtschaftspolitik, in: Gewerkschaft-
liche Monatshefte 7/77, S. 430
ebd.
Peschel, P.; Scheibe-Lange, I.: Zu den
Beschäftigungsperspektiven des Dienst:
leistungssektors, in: WSI Mitteilungen
5/77,5. 325
„Durch Rationalisierung wurden im
Einzelhandel zwsichen 1970 und 1975
über 100.000 Volilarbeitsplätze ‘wegra-
2)
31
6)
7)
8)
9)
10)
41)
12)
13)
tionalisiert‘.”” (Glaubitz, J.; Marth, K.-H.*
Strukturberichterstattung a.a.O., S.730)
Schmidt, J.; Vesper, D.: Konsolidierung
der öffentlichen Haushalte erschwert
Abbau der Arbeitslosigkeit, in: Wochen-
bericht des DIW 18/1977 S. 152
Schäfer, C.: Mögliche und tatsächliche
Beschäftigungseffekte öffentlicher Aus-
gabepolitik, in: WSI Mitteilungen 6/1977.
Ss. 360
ebda., S. 361
ebda.
Der Begriff „‚Wachstumsindustrie”” ist ideo-
'ogisch problematisch und inhaltlich dif-
fus. Zunächst ist die Frage, wie ‚,‚Wachs-
tum” definiert wird: Umsatzwachstum, 15)
Profitwachstum, Beschäftigtenzu- bzw.
Abnahme, Produktivitätszunahme ...?
Geht man nach der Zahl der Beschäftig-
ten, gibt es heute praktisch nur noch
„‚Schrumpfungsindustrien”” unterschied- 16)
licher Intensität. Dann: Wie wird der
Wachstumsbegriff qualitativ bestimmt?
Dies gilt nicht nur für die expandierende
Rüstungs- oder Kernenergiewirtschaft, 17)
sondern für jeden ganz normalen Betrieb,
in dessen betriebswirtschaftlicher Kosten- 18)
kalkulation keine „externen Effekte’”
bzw. „social costs’” auftauchen. Weitere
Variablen sind die weltmarktpolitischen
oder technologischen Veränderungen,
die eine Wachstumsbranche von gestern
zu einer Schrumpfungsbranche von heu-
te werden“lassen (z.B. Textilindustrie,
Papier- und Druckindustrie); wesentlich 19)
sind auch die regionalen oder lokalen 20)
Standortunterschiede: im Saarland war 21)
die Stahlindustrie bereits eine äußerst 22)
gefährdete Schrumpfungsbranche als sie
im Duisburger Raum noch florierte. Be-
zogen auf den Bundesdurchschnitt gelten
heute vor allem folgende Industriegrup-
pen als Wachstumsindustrien (gemessen
an der Veränderung der Anteile der ein-
zelnen Gruppen am Gesamtumsatz der
Industrie): Kunststoffverarbeitung (Rück-
gang der Beschäftigtenzahlen von 1972
bis 1976: 4,1%), Mineralölverarbeitung
(Rückgang der Beschäftigten 1972—1976:
44,2%), Elektrotechnik (Rückgang: 11,6
%), Chemie (Rückgang: 7,2%) und Stra-
Benfahrzeugbau (Rückgang der Beschäf-
tigten 1972—1976: 4,9%). „Demnach
verzeichneten selbst diese, gemessen an
der Umsatzentwicklung expansiven In-
dustriezweige ... zwischen 1972 und
1976 ein Beschäftigungsdefizit von
216.000.” (Glaubitz, J.; Marth, K.-H.:
Strukturberichterstattung: Wirtschaft-
liche Entwicklung als ein „,Lern- und
Entdeckungsprozeß”, in: WSI-Mitteilun- 26)
gen 12/1977, S. 715ff).
Die unter 10) angeführten kritischen Ein-
wände gegen den Begriff ‚„‚Wachstumsin- 27)
dustrien‘” gelten entsprechend für sein
Gegenteil: den Begriff der „Schrump-
fungsindustrien‘. Vor allem muß be- 28)
tont werden, daß eine an der Entwick-
lung des Gesamtumsatzes oder der Pro-
duktivität gemessene Qualifizierung als
„Schrumpfungsindustrie’” keineswegs un-
mittelbar eine erhöhte Freisetzung von 29)
Arbeitskräften zu bedeuten braucht; die
expansive Beschäftigungsentwicklung des
Tertiären Sektors bis in die 70er Jahre
war gerade eine Folge der unterdurch-
schnittlichen Produktivitätsentwicklung
in diesem Sektor!
Dieser Schluß entspricht nicht nur der
praktischen stadtplanerischen Erfahrung ,
sondern wurde für den Ballungsraum Bre-
men in einer exemplarischen Analyse in-
dustrieller Standortfaktoren und ihrer
räumlichen Wirkung nachgewiesen. (Vgl.
Dohrmann, J.: Methoden und Ergebnisse
einer exemplarischen Analyse der industri
ellen Standortfaktoren und ihrer räumli-
chen Wirkung, in: WSI-Mitteilungen 11/
1977, S. 687/88)
Vgl. zur Analyse und Kritik der staatli-
chen Raumordnungs- und Regionalpla-
nung: Evers, A.: Fragen an eine korrigier- 32)
te Raumordnungspolitik — das Bundes-
raumordnungsprogramm verheißt unglei-
che Entwicklung und Abhängigkeit, in:
Stadtbauwelt 47/1975, S. 172; Bohr-
mann, J., a.a.0.
„1976 wurden ungewöhnlich hohe Pro-
duktivitätssteigerungen in fast allen Be-
reichen der Industrie erzielt. Sie haben
wesentlich mit dazu beigetragen, daß
sich der Bedarf an zusätzlichen Arbeits-
kräften trotz der steigenden Güternach-
frage noch (!) in,engen Grenzen hielt.”
(Landesentwicklungsbericht 1976, Heft
39 der Schriftenreihe ‚,Landesentwick-
lung‘ des Ministerpräsidenten des Lan-
des NW, Düsseldorf 1977, S. 42)
Vgl. Mandel, E.: Krise und Aufschwung
der kapitalistischen Weltwirtschaft 1974
— 1977, in: Mandel, E.; Wolf, W.: Ende
der Krise oder Krise ohne Ende, Berlin
1978, S. 64
Selbst im Boom-Jahr 1976 betrug die
Kapazitätsauslastung der Industrie nur
83% (vgl. Landesentwicklungsbericht
a.a.O., S. 42; Mandel, E. a.a.O., S. 21)
Vgl. Landesentwicklungsbericht, a.a.O.,
Ss... 136
„Allein in den Jahren 1973—1976 wurden
20 Mrd. DM im Ausland investiert, der
Kapitalexport in diesem Zeitraum liegt
damit so hoch wie derjenige der 10 Jahre
von 1961—1971 zusammen.” (Wolf, W.:
Westdeutsche Wirtschaftskrise 1974/75
und Aufschwung 1976/77, in: Mandel,
E.; Wolf, W., a.a.0., S. 152)
Vgl. Mandel, E., a.a.O0., S. 17
ebd., S. 30ff
ebd., S. 12
Der Gesamtindex der Weltrohstoffpreise
stieg von 1971 bis 1976 um rund das drei:
fache (vgl. !fo-Schnelldienst 4/77 S. 11),
während er von 1950 bis 1970 in etwa
konstant blieb.
Vgl.: Zur Wirtschaftsentwicklung in der
Bundesrepublik Deutschland in den Jah-
ren 1977/1978, WSI-Mitteilungen 11/1977
S. 653ff; ebenso: Mandel, E., a.a.O0.,
S. 24ff
Als strukturelle Arbeitslosigkeit wird hier
der Anteil an der Gesamtarbeitslosigkeit
verstanden, der nicht durch konjunkturelle
Schwankungen sondern durch sektorale
Krisenentwicklung und das Fehlen eines
der Qualifikationsstruktur der Arbeitskräf-
te entsprechenden Arbeitsplatzangebotes
entsteht.
Hierunter werden die in den Fußnoten 26
und 27 genannten 15 Städte in ihren Gren:
zen vor der kommunalen Neugliederung
oder 13 Städte in den Grenzen nach der
Kommunalreform 1975 verstanden.
Hellweg-Zone: Dortmund, Witten, Essen,
Bochum und Wattenscheid, Mülheim a.d.R.
Duisburg.
Emscher-Zone: Oberhausen, Bottrop,
Gladbeck, Gelsenkirchen, Recklinghausen,
Herne und Wanne-Eickel, Castrop-Rauxel.
Westliches Ruhrgebiet: Landkreis Dinsla-
ken, Duisburg, Oberhausen und Mülheim
a.d.R.; östliches Ruhrgebiet: Landkreis
Unna, Hamm, Dortmund, Lünen (vor
kommunaler Neugliederung)
Lippe-Zone: Landkreis Dinslaken, Land-
kreis Recklinghausen, Lünen, Hamm,
Landkreis Unna (vor kommunaler Neu-
gliederung)
Charakteristisch hierfür ist die Auseinan-
dersetzung um den Standort des im LEP
VI ausgewiesenen Kohlekraftwerkes Dor
sten/Marl. Hierin wird von den Emscher-
städten eine Konkurrenz gegenüber den
traditionellen Standorten in ihrem Ge-
biet gesehen.
Landesentwicklungsplan VI — Entwurf
(Stand 18.1.1977): „Festlegung von
Gebieten für flächenintensive Großvor-
haben (einschließlich Standorte für die
Energieerzeugung), die für die Wirt-
schaftsstruktur des Landes von besonde-
rer Bedeutung sind, Landesplanungsbe-
hörde (I! A 3 — 50.15 (VI)
Ausnahme: Kohlekraftwerk Castrop-
Rauxel.
20