Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1978, Jg. 10, H. 37-42)

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Vgl. zur sektoralen und regionalen Ent- 
wicklung der Stahlindustrie: Jablonski, 
W.; Offermanns, J.: Teilkrise ohne Ende 
— eine Untersuchung über den industriel 
len Strukturwandel im Ruhrgebiet, Er- 
{angen 1975 
Eick, H.—D.; Decker, H.; Schmidt, H.D.: 
Die Kapitalkonzentration und die gegen- 
wärtige Krise in der Stahlindustrie, in: 
WSI Mitteilungen 1/78, S. 43f. 
Daß selbst bei Verbesserung der Auftrags- 
und Gewinnlage im Stahlsektor keine 
Kapazitäts- bzw. Personalerweiterungen 
mehr stattfinden, läßt sich beispielhaft 
am größten Stahlkonzern der Bundesre- 
publik, der Thyssen AG, darstellen: Nach- 
dem das Stahlgeschäft 1976/77 in die ro- 
ten Zahlen geraten war, fand seit der 
Jahreswende 77/78 „eine überraschende 
Aufwärtsentwicklung‘” (Vorstandsmit- 
glied H. Kriwet, zit. nach Frankfurter 
Rundschau v. 10.3.78) statt, die überwie- 
gend auf einer Belebung der Exportnach- 
Frage beruht. „Alle Konzernbereiche — 
mit Ausnahme des verlustträchtigen 
Massenstahls — bringen zur Zeit Gewinne.” 
(Westdeutsche Allgemeine Zeitung v. 
10.3.78). Mit den für 1978 geplanten 
Sachanlageinvestitionen.in Höhe von 
1,66 Mrd. DM ‚„‚sollen keine Kapazitäts- 
erweiterungen finanziert werden. Thys- 
senchef Spethmann: ‘Im Vordergrund 
stehen Rationalisierung und Qualitätsver- 
besserung.‘ ’” (WAZ v. 10.3.78) Trotz 
der Aufwärtsentwicklung wurde die Zahi 
der Beschäftigten bei Thyssen vom 
1.10.77 bis 28.2.78 um 3.300 abgebaut. 
Für 14.000 Beschäftigte ist im März Kurz- 
arbeit beantragt. (FR v. 10.3.1976) 
Vgl. Eick, H.-D.; u.a. ... a.a.O., S. 44 
Der seit Ende der 60er Jahre erkennbare 
und bis 1975 anhaltende ‚,Trend zur 
Küste‘ steht im ursächlichen Zusammen- 
hang mit dem Exportboom dieser Jahre. 
Die wesentlichen Vorteile der Seestand- 
orte für die Stahlproduzenten sind: 
— Einsparung von Transport- und 
Frachtkosten sowohl für die Rohstof- 
fe (billige Importerze und -kohle) als 
auch für die exportbestimmten Pro- 
dukte, 
- Flächenkapazitäten, 
— Ökologische Belastbarkeit. 
In den 70er Jahren wurden unter Beteili- 
gung deutscher Stahlkonzerne eine Reihe 
hochmoderner Großstahlwerke an der 
holländischen und französischen Küste 
errichtet (z.B. Hoesch-Hoogovens an der 
niederländischen Küste, Thyssen-Solmer 
& Marocoke Projekt in Fos bei Marseille), 
wodurch sich die Attraktivität der Binnen 
standorte, vor allem jener ohne leistungs- 
starke Wasserstraßen wie vor allem das 
Saarland und das östliche Ruhrgebiet, 
verschlechterte. Mit der Absatzflaute auf 
dem Weltmarkt, der verschärften Konkur- 
renz Japans und neokolonialistischer Län- 
der (z.B. Südkorea, Iran, Süd-Afrika) ver- 
lieren die Seestandorte relativ an Stand- 
ortgunst (z.B. Rückzug Thyssens aus Fos- 
sur-Mer, vgl. FR v. 22.2.78). 
Diese Zahlen beinhalten nicht: Selbstän- 
dige, mithelfende Familienangehörige, 
Beamte; für das Jahr 1976 fehlen auch 
die höherverdienenden, nicht-versiche- 
rungspflichtigen Angestellten (max, 
10%) 
Vgl. Landesentwicklungsplan 1/11 „Raum 
und Siedlungsstruktur‘”, Entwurf, Stand 
1.6.1977, Landesplanungsbehörde (Il A 
2— 50.15 1/11) 
Vgl. & 4 des Landesentwicklungspro- 
gramm-Gesetzes 
Während der LEP 1/Il zwar die Kategorie 
„Unterzentrum mit Teilfunktionen eines 
Mittelzentrums” kennt, gibt es keine ent- 
sprechende Kategorie für Mittelzentren 
in bezug auf vorhandene oberzentrale 
Ansätze. 
Val. LEP 1/11 (Entwurf) a.a.O0., S.19 
Städtische Finanzkrise 
am Beispiel Duisburgs 
- ein Interview 
Das nachfolgende Interview veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung der 
Zeitschrift „AMOS — Kritische Blätter aus Westfalen”. Es erschien dort in der 
Nummer 4/5 1977 
Amos: 
In den letzten Monaten hat Duisburgs Fi- 
nanzmisere Schlagzeilen gemacht. Duis- 
burgs Kämmerer, der zugleich Stadtdirek- 
tor war, Herr Dumas, ist an die Öffent- 
lichkeit gegangen mit spektakulären Ent- 
hüllungen über die leeren Kassen einer 
der entscheidenden Städte dieses Landes. 
Nach umfangreichen Recherchen über die 
Hintergründe sind Sie leider daran gehin- 
dert worden, in Ihrer Tageszeitung darü- 
ber zu schreiben. Schade! Wie wichtig 
eine genaue Analyse wäre, zeigt sich 
daran, daß Duisburg kein Einzelfall blei- 
ben wird, und auch daran, daß selbst 
kritische Leute wie das weithin bekannte 
Jugend- und Stadtteilzentrum Eschhaus 
in Duisburg beschlossen hat, freiwillig 
auf städtische Zuschüsse zu verzichten, 
um damit einen Beitrag zur Behebung 
der Finanzmisere zu leisten. Ein falscher 
Beschluß — Leider! 
der Gemeinde, z.B. die Beseitigung gan- 
zer Wohngebiete in der Nähe der Werke, 
Umgehungsstraßen für den Werktransport, 
auch die Unterbringung von Familien bei 
Verlust der Werkswohnung oder Sozial- 
hilfe für Frauen, die in ganz Duisburg 
keinen Arbeitsplatz finden. Den Ursa- 
chen der Finanzkrise ist aber nur voll 
auf die Spur zu kommen, wenn man 
auch die Funktion des Staats sieht. Er 
hat diese schlechte Einnamesituation 
von Duisburg nicht etwa ausgeglichen. 
Im Gegenteil ist der Anteil, den Duis- 
burg aus der Lohn- und Einkommens- 
steuer erhält, geringer gewachsen als 
der Teil, den Duisburg aus der Gewerbe- 
steuer an den Staat abführt. Die Schlüs- 
selzuweisungen des Landes liegen um ca. 
20 Mio. DM unter dem für dieses Jahr 
erwarteten Niveau. 
STAHLKRISE 
Amos: 
Ist die Entwicklung der Finanzkrise in 
Duisburg eine Ausnahme oder ist sie 
symptomatisch für einen Trend, der für 
viele oder alle anderen Städte auch zu- 
trifft? 
Antwort: 
In Duisburg besteht ein enger Zusammen- 
hang zwischen Stahlkrise und Finanzkri- 
se der Stadt. Duisburg hat 1977 ein 
Haushaltsvolumen von knapp 1,5 Mrd.DM. 
Die Gewerbesteuereinnahmen werden eine 
Höhe von ca. 200 Mio DM erreichen. Das 
sind nur 35% der Gesamtsteuereinnah- 
men. Im Durchschnitt aller Gemeinden 
in der BRD beträgt der Anteil der Ge- 
werbesteuer an den Gesamtsteuereinnah- 
men rund 40%. Also wird in Duisburg 
im Vergleich zur überragenden Bedeutung 
als Industriestandort sehr wenig Gewerbe- 
steuer aufgebracht. Dieses geringe Gewer- 
besteueraufkommen ist seit 1974/75, 
also seit Ausbruch der Stahlkrise nur 
noch gering gewachsen und gegenüber 
1976 sogar zurückgefallen. Dies hat dazu 
beigetragen, daß der städtische Haushalt 
seit 1974 auch nur noch minimal gewach- 
sen ist und gegenüber 1976 stagniert. Auf 
der einen Seite also ein geringes Steuer- 
aufkommen, maßgeblich bestimmt durch 
die Abhängigkeit Duisburgs von der 
Stahlindustrie. Auf der anderen Seite sehr 
hohe Ausgaben der Stadt nicht zuletzt 
aufgrund der Stahlindustrie. Diese verur- 
sacht eine Reihe von Störungen der Le- 
bensbedingungen der Bewohner der Stadt: 
dies verlangt andauernd besonderen Auf- 
wand der öffentlichen Hand, insbesondere 
STEUERPOLITIK 
Antwort: 
Sicher ist es richtig, daß Duisburg nur 
die Spitze eines Eisbergs ist. Was ich aber 
deutlich machen will, ist dies: es ist nicht 
zufällig, daß Duisburg die Spitze des Eis- 
bergs ist. Zur Finanzlage hat der Deutsche 
Städtetag, d.h. die Spitzenvereinigung aller 
Kommunen in der BRD (als staatstragen- 
de Institution natürlich in der Kritik sehr 
zurückhaltend!), folgende Stellungnahme 
abgegeben: „Die neuen steuerpolitischen 
Maßnahmen der Regierung lassen die be- 
reits vorher gefährdete Konsolidierung 
der Finanzen der Gemeinden vollends un- 
möglich erscheinen.’” Gemeint ist dabei: 
das Steueränderungsgesetz, das Gesetz 
über die steuerlichen Vergünstigungen bei 
der Herstellung oder Anschaffung von 
Wohngebäuden und die Umsatzsteuerver- 
teilung. Die Gemeinden werden als Folge 
dieser Gesetze 3 Mrd. DM im ersten Jahr 
weniger einnehmen, in den folgenden Jah- 
ren sogar zunehmend noch weniger. Das 
muß man im Zusammenhang mit den 
in den letzten Jahren vollzogenen Ermä- 
Bigungen der Gewerbesteuer und Grund- 
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