Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

Manfred Speidel 
Gedanken zur Staatsbibliothek 
Als ich im März 1978 zum ersten Male 
die Baustelle der Staatsbibliothek in 
Berlin besichtigte, war ich überrascht 
von dem großartigen Raum des Lese- 
saales, der hier entstehen sollte, und 
den ich von außen überhaupt nicht ver 
mutet hätte. Was außen in Höhe und 
Tiefe drei gegeneinander versetzte Bau- 
körper vor dem massigen Bücherturm 
sind, ist innen ein zusammenhängender, 
in Ebenen und mit Galerien und Po- 
desten gegliederter langgestreckter 
Raum, der endlos sich auszudehnen 
scheint, der eine Lust zum Entdecken 
erweckt, zum Ausschreiten vom einen 
Ende zum anderen, dessen lichte Gren- 
zen und die gläsernen, leider zu dunkel 
gewordenen Licht-Pyramiden eine un- 
erwartete Leichtigkeit zeigen und dessen 
Ordnungen aus klaren rechtwinkligen 
Raumteilen gebaut sind, die lediglich 
wenig gegeneinander in den einzelnen 
Abschnitten gedreht eine erstaunliche 
Vielfalt ergeben, und eben nicht nur ir- 
gendeine Vielfalt, sondern gleichzeitig 
eine räumliche Einheit und eine freie 
Mitte. 160 m Länge, 55 m Breite und 
16 m Höhe der Lesesaalhalle sind Di- 
mensionen, die nur Scharoun ohne Mo- 
numentalität gliedernd zu einer Einheit 
bringen konnte, ohne Superordnungen 
oder Riesentragwerke, die den Besucher 
nur erdrücken würden, Seine größte 
Raumschöpfung hatte Scharoun dazu 
benutzt, die Kunst der Raumbildung 
noch einmal zu erproben, ohne — so 
schien es mir — irgendwo die Spannung 
zu verlieren, und das gerade im noch 
nicht möblierten Bau. Was der Ausbau 
und damit ein bestimmter Gebrauch an 
diesem Raum verändert hat, beschreibt 
sehr eindrücklich Julius Posener in sei- 
nem Beitrag in diesem Heft und Edgar 
Wisniewski in der Bauwelt (1/1979). 
Aber die Beschreibung dieses Raumes 
ist so abstrakt, rein ästhetisch erlebnis- 
haft. Gerade im noch leeren Raum konn- 
te man sich einen ganz bestimmten Ge- 
brauch vorstellen: Auf den weiten Trep- 
pen und Galerien sich hin- und herbewe- 
gende Menschen, auf den terrassierten 
Ebenen Gruppen stehender oder sitzen- 
der Leute, man könnte sich — sitzend — 
auf den Galerien verstecken, aber stehend 
oder über die Brüstung lehnend die große 
Menge überblicken, der gegliederte Raum 
würde die Menge in Gruppen gliedern 
und doch alle, ginge man den Raum ent- 
lang, wieder miteinander verbinden. Es 
ist überhaupt kein Raum, der als künst- 
lerische Hohlskulptur, etwa im Sinne von 
Walter Förderer, einen Anspruch erheben 
würde, sondern eher ein Raum, dessen 
Cast, 
zum MENDEE 
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H.Scharoun: Theater, Volkshaus und Kulthaus, Gelsenkirchen 1920.
	        

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