Manfred Speidel
Gedanken zur Staatsbibliothek
Als ich im März 1978 zum ersten Male
die Baustelle der Staatsbibliothek in
Berlin besichtigte, war ich überrascht
von dem großartigen Raum des Lese-
saales, der hier entstehen sollte, und
den ich von außen überhaupt nicht ver
mutet hätte. Was außen in Höhe und
Tiefe drei gegeneinander versetzte Bau-
körper vor dem massigen Bücherturm
sind, ist innen ein zusammenhängender,
in Ebenen und mit Galerien und Po-
desten gegliederter langgestreckter
Raum, der endlos sich auszudehnen
scheint, der eine Lust zum Entdecken
erweckt, zum Ausschreiten vom einen
Ende zum anderen, dessen lichte Gren-
zen und die gläsernen, leider zu dunkel
gewordenen Licht-Pyramiden eine un-
erwartete Leichtigkeit zeigen und dessen
Ordnungen aus klaren rechtwinkligen
Raumteilen gebaut sind, die lediglich
wenig gegeneinander in den einzelnen
Abschnitten gedreht eine erstaunliche
Vielfalt ergeben, und eben nicht nur ir-
gendeine Vielfalt, sondern gleichzeitig
eine räumliche Einheit und eine freie
Mitte. 160 m Länge, 55 m Breite und
16 m Höhe der Lesesaalhalle sind Di-
mensionen, die nur Scharoun ohne Mo-
numentalität gliedernd zu einer Einheit
bringen konnte, ohne Superordnungen
oder Riesentragwerke, die den Besucher
nur erdrücken würden, Seine größte
Raumschöpfung hatte Scharoun dazu
benutzt, die Kunst der Raumbildung
noch einmal zu erproben, ohne — so
schien es mir — irgendwo die Spannung
zu verlieren, und das gerade im noch
nicht möblierten Bau. Was der Ausbau
und damit ein bestimmter Gebrauch an
diesem Raum verändert hat, beschreibt
sehr eindrücklich Julius Posener in sei-
nem Beitrag in diesem Heft und Edgar
Wisniewski in der Bauwelt (1/1979).
Aber die Beschreibung dieses Raumes
ist so abstrakt, rein ästhetisch erlebnis-
haft. Gerade im noch leeren Raum konn-
te man sich einen ganz bestimmten Ge-
brauch vorstellen: Auf den weiten Trep-
pen und Galerien sich hin- und herbewe-
gende Menschen, auf den terrassierten
Ebenen Gruppen stehender oder sitzen-
der Leute, man könnte sich — sitzend —
auf den Galerien verstecken, aber stehend
oder über die Brüstung lehnend die große
Menge überblicken, der gegliederte Raum
würde die Menge in Gruppen gliedern
und doch alle, ginge man den Raum ent-
lang, wieder miteinander verbinden. Es
ist überhaupt kein Raum, der als künst-
lerische Hohlskulptur, etwa im Sinne von
Walter Förderer, einen Anspruch erheben
würde, sondern eher ein Raum, dessen
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zum MENDEE
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H.Scharoun: Theater, Volkshaus und Kulthaus, Gelsenkirchen 1920.