ter Wohnraum, zum Promenieren, Spie-
len, Stehenbleiben, Sport u.a.
Die Straße wird wieder ein vielfältiger
sozialer Lebensraum — wie sie es über
Jahrtausende hinweg war.
Man kann Teile der Straße mit Bäumen
bepflanzen. Dies ist besonders dort
attraktiv, wo es wenig Grün gibt.
Man spart Kinderspielplätze und Erho-
lungsparks. Denn: die Bewohner erhal-
ten den viel wichtigeren wohnungsbezo-
genen Spielraum für ihr individuelles
und soziales Leben.
Rechtsgrundlage für alle verkehrslenken-
den Maßnahmen ist ein Gummi-Paragraph,
der 8 4, 1 der Straßenverkehrsordnung. Er In den meisten Straßen in Wohngebieten
lautet: „Die Straßenverkehrsbehörden kön fahren nur wenige Autos. Im Widerspruch
nen die Benutzung bestimmter Straßen aus dazu steht, daß man sie durchfahren kann,
Gründen der Sicherheit oder Leichtigkeit und dies in zwei Richtungen sowie mit
des Verkehrs beschränken oder verbieten.” 50 km/Stunde (erlaubt) und bis zu 80/90
Zuständig ist das Ordnungsamt der Stadt- km/Stunde (nicht erlaubt, aber nur selten
verwaltung. Danach ist es eine Frage der xontrolliert). Auch wenn nur wenige
Auslegung, was ‚„‚Gründe der Sicherheit” Autos die Straße durchfahren, läßt sich
und „Leichtigkeit des Verkehrs” sind. feststellen: ein Auto alle 20 oder auch
Die Sicherheit des Verkehrs bezieht nur 60 Sekunden macht das Gehen und
sich nicht nur — wie die Autolobby meint Spielen auf der Straße unmöglich, stört
— auf den Autofahrer, sondern ebenso auf den Schlaf, schafft Unfallgefahren — kurz:
den Fußgänger und Radfahrer, auf Auto- die Straße dient dann nur noch dem Auto
busse und Straßenbahnen. Die Autofah- Verkehr.
rer stellen lediglich 25 Prozent der Bevöl- Man kann mit Leichtigkeit viele Stra-
kerung dar, machen auch nur 30 Prozent Ben zu Sackgassen machen. Vor allem
des Stadtverkehrs aus (40% Fuß- und Rad- die kurzen.
verkehr, 30% ÖNV) und benutzen-den Längere Wohnstraßen kann man in der
Straßenraum lediglich in einer sehr einge- Mitte blockieren.
schränkten Weise, entwerten ihn jedoch Die objektiven und subjektiven Wirkun-
für die anderen Benutzergruppen auf die gen der Sackgasse:
radikalste Art. e Nur die Anlieger benutzen die Straße.
Die Stadtverwaltung wird zwar ein Netz @ Sie fahren langsam, weil sie die Leute,
von Straßen vorrangig dem Autoverkehr vor allem die Kinder, kennen. Verant-
widmen (dessen Nutzen nur teilweise be- wortung entwickelt sich aus Kenntnis.
stritten werden kann), muß aber aus o Jeder weiß: Es lohnt nicht, schnell
menschlichen und sozialen Gründen sowie zu fahren: denn die Straße hört gleich
zur Herstellung der Gleichheit (Grundge- auf.
setz) in anderen Bereichen, d.h. in den Je kürzer die Sackgasse ist, desto besser
Wohnvierteln Ausgleichsmaßnahmen vor- — objektiv wie psychologisch.
nehmen: um das Recht dieser Bevölke- Eine Sackstraße benötigt keinen Wen-
rungsgruppen auf Entfaltung ihrer Le- dekreis („Wendehammer”’). Denn’ Der
bensmöglichkeiten herzustellen. Rückwärtsgang ist längst erfunden.
Auch Kreuzungen von zwei Wohnstra-
ßen können als Wendebereiche dienen.
Unter Umständen ist eine geringfügige
Änderung des Bürgersteigprofils sinnvoll.
Am besten setzt man eine Schranke
in die Mitte der in zwei Sackstraßen un-
terteilten Straße. Die Fahrer von Müll-
fahren, sondern er wird rasch wieder Die Sackstraße erhält ein zusätzliches
herausgedrängt. Schild! Keine Wendemöglichkeit für
Um dem Autofahrer unnötiges Fahren LKW.
zu ersparen, sollte das Viertel gekenn- Die Anlage einer Sackstraße macht
zeichnet sein — mit. Zusätzen an den rechtlich keine Schwierigkeiten:
Schildern: Schlaufen-Erschließung. Am ® Die Erschließung ist gewährleistet,
besten stellt man an einigen ‚,strategi- d.hl das Recht, zur eigenen Wohnung
schen” Punkten mit Haltemöglichkeiten fahren zu können.
Schilder auf: mit deutlich lesbaren Zeich- e Die Stadtverwaltung kann die Umwand-
nungen der Straßen des Viertels. lung einer Straße zu einer Sackstraße
Beispiel: Altstadt in Stockholm. auf dem Verwaltungswege vornehmen,
benötigt also nicht einmal einen Parla-
mentsbeschluß. Natürlich kann auch
das Parlament darüber beschließen.
Die Richtlinien für den Straßenausbau
(RAST) sind lediglich Empfehlungen;
sie haben Einfluß bei Bezuschussun-
gen durch übergeordnete Behörden,
die’hier jedoch nicht in Frage kom-
men. Wenn die RAST einen Wende-
kreis empfiehlt, muß sich die Stadt-
verwaltung nicht darauf einlassen.
Kosten: für ein Schild rund 650 DM, für
eine Schranke rund 1000 DM.
Beispiele: Sackstraßen gibt es in jedem Ort in
größerer Anzahl. Ihre Wirkungen lassen sich
dort feststellen. Kein Bewohner dürfte sie
missen wollen. Schon seit langer Zeit schlägt
das „„Radburn-System"’ der amerikanischen
Gartenstadt Radburn (Clarence Stein) die
Sackgassen als Struktur-Element von Wohnvier-
teln vor. In der Sennestadt von Hans Bernhard
Reichow (1954) wurde dessen Übernahme
durch die Behörde verhindert. In vielen Neu-
bauplanungen von Trabantenvierteln ist die
Sackstraße als Struktur-Element gezielt ver-
wendet worden (z.B. in Wulfen, Les Gavines
bei Valencia/Spanien; Baumeister 2/1976,
S. 113).
Literatur: Hans Bernhard Reichow, 10 Jahre
Sennestadt /seit 1954/, Planung und Aufbau:
Deutsche Bauzeitschrift 1/1965 (Sackstraßen
Wohnstraßen u.a )
Wenn man verhindern will, daß der Auto-
verkehr durch einen Wohnbereich fährt,
kann man die Straßen an einigen Stellen
so sperren, daß man in diesen Bereich nur
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SPAZIERGÄNGER-STRASSE (3.5)
Man kann die Bordsteine einer Straße ent-
fernen und den Fußgängern auch die
Straße freigeben. Schilder zeigen deutlich
an, daß die Fußgänger Vorrecht vor den
Autos haben.
Beispiele: Haarlem („‚Wandelstraat”), L- 'en-
burg am Neckar.
FUSSGÄNGERSTRASSE / WOHN-
STRASSE (3.6)
noch in einer Schlaufe hinein- und hinaus-
fahren kann.
Durch den Zwang zum Rechtsabbiegen
kann der Verkehr nicht durchs Viertel
fahrzeugen, Krankenwagen und Möbel-
transportern können sie mit einem Vier:
kant-Schlüssel öffnen. Oder: sie fahren
seitlich über den Bürgersteig.
In amerikanischen Einkaufszentren ent-
stand die Ladenstraße ohne Autoverkehr.
Nach 1945 kam sie über die Rotterdamer
Liinbaan nach Deutschland (zuerst: Kas-
iQ