Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

realen Einzugsbereich der Stutt- 
garter City ganz erheblich. Die Fol- 
ge: Fortsetzung der Stadtflucht, 
weitere Zersiedlung des Umlandes 
und erhöhtes Verkehrsaufkommen 
— die aus der Stadt vertriebenen, 
fernab auf dem Lande wohnenden 
Stuttgarter kehren täglich als Pend- 
ler wieder in die Innenstadt zurück. 
Die zunehmende Autolawine ver- 
treibt weitere Bewohner — ein Teu- 
felskreis ... 
Die letzten 10 bis 15 Jahre haben in 
Stuttgart für das Auto eine erhebli- 
che Verbesserung gebracht: 
® einen teilweise zwölfspurigen (!) 
Innenstadtring im engsten City- 
bereich, Er soll angeblich die City 
autofrei machen für die Einrichtung 
weiter Fußgängerzonen. Das hat er 
auch. Doch zusätzlich und wohl eher 
„zufällig” ist damit — im Zusammen- 
hang mit dutzenden von Parkhäu- 
sern und verbreiterten City-Zufahrts- 
straßen — die Kapazität für das Auto 
erheblich erweitert. 
® Ausbau der Radialstraßen. Konse- 
quent wurden auch die zentral 
auf die Innenstadt zuführenden Ra- 
dialstraßen ausgebaut. Und dieser 
kapazitätserhöhende Ausbau geht 
weiter. Heute allerdings mit der plau- 
siblen und auch wahren Begründung, 
Konkurrenz durch Individualverkehr 
Während Angebot und Attraktivität 
des ÖPNV verschlechtert wird, baut 
man die Voraussetzungen für den IV 
aus. Damit entpuppt sich der Slogan 
„Vorfahrt für den Öffentlichen Nah- 
verkehr” enddgültig als Farce. 
Was ist attraktiver für 
uns Stuttgarter: 
Die Fenstertrasse für 240 Mio DM? 
Suche beim Stehen festen Halt 
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)ie Entscheidung der Parteien im Gemeinderat betrifft uns alle 
Die Weinsteigtrasse für 
218 Mio DM? 
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Gegenüberstellung: Aussicht im städtischen Tunnel (oben) und Blick auf die ebenerdige Trassen- 
führung des Alternativ-Vorschlages (unten). Quelle: Flugblatt der Rettungsaktion Hohenheimer 
Straße 
die innenstadtnahen Wohngebiete 
vom Durchgangsverkehr zu befreien 
{Verkehrsberuhigung). Doch über- 
raschenderweise werden diese Stra- 
ßen — meist Tunnels aufgrund der 
besonderen topografischen Gegeben 
heiten — derart groß dimensioniert, 
daß zusätzlicher IV in die Innenstadt 
geführt wird — zudem noch störungs- 
freier als bisher/. Die Hohenheimer 
Straße ist übrigens eine dieser Radial- 
straßen. 
® Bau einer neuen Ringstraße 
(„„Filderquerstraße”’). Parallel zur 
bestehenden Autobahnumfahrung 
und zu anderen Umgehungsstraßen 
soll durch Wohngebiete und Naher- 
holungsbereiche ein neuer äußerer 
Ring gebrochen werden. 
Doch nicht nur der bevorzugte 
Ausbau des IV insgesamt bringt dem 
Nahverkehr tödliche Konkurrenz. 
Die Konkurrenz besteht auf jeder ein: 
zelnen Linie. Dort nämlich, wo eine 
Stadtbahnstrecke ausgebaut wird, 
d.h. unter die Erde verschwindet, 
entsteht auf der Oberfläche eine von 
der Bahn befreite und wesentlich ver- 
breiterte Autostraße 
Verkehrspolitik im Interesse der 
privaten Wirtschaft 
Streckenreduzierung im Innenstadt- 
bereich benachteiligt die ohnehin 
längst übermäßig belasteten Innen- 
stadtbewohner in erheblichem Maße 
Die Grenze der Aufnahmefähigkeit 
ist längst erreicht, die Stuttgarter In- 
nenstadt wird mehr und mehr unbe- 
wohnbar. 
‚Streckenausbau bis weit ins Um- 
land hinein, verbunden mit erhebli- 
chem Ausbau von Ringstraßen und 
in die City führenden radialen Stadt 
autobahnen, ermöglicht es, aus im- 
mer weiterer Entfernung Arbeits- 
kräfte und Käufer in die Stuttgarter 
Innenstadt zu führen und dort zu 
konzentrieren. Auf knapp 2% der 
Stadtfläche sind heute über 125.000 
Arbeitsplätze konzentriert. Doch 
nicht einmal 10% dieser Beschäftig- 
ten wohnen auch in Stuttgart-Mitte? 
Der Rest pendelt täglich, davon ein 
Großteil von außerhalb der Stadt- 
grenzen A 
Insgesamt ist dies eine Verkehrs- 
politik, die eindeutig und einseitig 
die Interessen der privaten Wirtschaft 
massiv bevorzugt — finanziert durch 
die Öffentliche Hand. 
Obwohl mittlerweile diese Politik 
den Großteil der Stuttgarter Bevöl- 
kerung negativ trifft, werden in beson- 
derem Maße die wirtschaftlich schlech- 
ter Gestellten benachteiligt. Sie sind 
es, die aus den billigeren Innenstadt- 
wohnungen vertrieben werden. Sie 
treffen die erhöhten Kosten für den 
verlängerten Weg zur Arbeit unver- 
hältnismäßig mehr. 
Ähnlich unsozial ist auch die Tarif- 
politik im ÖPNV. Einzelfahrschein 
1975: 1.— DM; 1978: 1,60 DM. 
Und gegen die wirtschaftlich Be- 
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