Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1983, Jg. 15, H. 67, 68, [69/70], 71, 72)

Funktionale Orientierung 
Die wesentlichen funktionalen Aspekte, die 
für den Planungsbereich gelten, sind folgende: 
1) Vermeidung des fließenden Verkehrs mit 
entsprechenden Störungen und KGefähr- 
dungen durch eine „Vorkopf“-Erschließung. 
2) Vermeidung des ruhenden Verkehrs durch 
eine ausschließliche Unterbringung von Stell- 
plätzen und Tiefgaragen. Auch der in den 
letzten Jahren noch erforderliche Teil an Be- 
sucherplätzen ist in den Tiefgaragen vorge- 
sehen worden. Die Wohnbereiche sind völlig 
vom Verkehr abgeriegelt („verpollert‘“) wor- 
den, da sich immer wieder gezeigt hat, daß 
über kleine Stellplatzanteile hinaus eine Aus- 
weitung der Abstellflächen erfolgte. 
3) Alle Erdgeschosse haben eine (West-)Ter- 
rasse, eine Vielzahl von Erdgeschoßwoh- 
nungen außerdem eine zweite (Ost-) Terrasse. 
Zahlreiche Wohnungen in den Obergeschos- 
sen verfügen über Dachterrassen. 
4) Der Freiflächengestaltung bei entspre- 
chender Größenentwicklung in den Oberge- 
schossen wurde große Bedeutung zugemessen. 
Die Wohnungen, die keine Terrassen haben, 
wurden mit Loggien versehen. Die Tiefe einer 
Loggia beträgt weitestgehend auf einer Teil- 
fläche 2,00 m und liegt damit über dem von 
den Wohnungsbauförderungsbestimmungen 
vorgegebenen Mindestmaß von 1,60 m Tiefe. 
Die Flächengröße liegt durchschnittlich über 
den von der Wohnungsbauförderungspraxis 
gehandhabten Größenordnungen von 5 Pro- 
zent der Wohnfläche. 
5) Im Abschnitt Kolberg-Süd gibt es eine 
Reihe von Wintergärten. 
6) Im Abschnitt Kolberg-Süd gibt es einige 
Verbindungstreppen vom ersten Obergeschoß 
in den grünen Hofraum. 
7) Die Wohnungen sind weitestgehend nach 
dem Prinzip des Durchwohnens (Eßplatz/ 
Wohnzimmer sind ost-/westorientiert) ange- 
legt. 
8) Die Waschküchen sind in der Weise zu den 
Nebenplätzen orientiert, daß hier Ansätze für 
eine „natürliche“ Kommunikation geboten 
werden. Diese Arbeitsräume mit ihren Vor- 
räumen wurden in das „Außenraum“-Kon- 
zept funktional und gestalterisch integriert. So 
können sie auch für andere hausgemein- 
schaftsorientierte Aktivitäten genutzt werden. 
9) Die Hausdurchgänge mit den Stellplätzen 
für die Müllbehälter wurden in das „Außen- 
haus“-Konzept eingebunden. Diese überdach- 
ten Hausteile sind so auch für spezifische 
Spontannutzungen geeignet. 
10) Ansätze für eine Selbstgestaltung‘“ der 
Mieter sind diesen auf den zahlreichen Terras- 
sen und in der großen Anzahl der Mietergär- 
ten - in den Binnenbereichen wie an der Stra- 
ße - in einem ansehnlichen Umfang gegeben. 
Mietergärten auf der „Straßenfläche“ in den 
Abschnitten Süd und Mitte, die dem Land 
Berlin gehören, müssen unentgeltlich verpach- 
tet werden. 
11) Wohnungsschlüssel der 154 WE: 
22:20% 4/5 Z: 30% 
3 Z: 50% 
Anzahl der Maisonette-Wohnungen: 22 Stck 
12) Anteil der Sonderwohnungen für Körper- 
behinderte 8: 
zu 11) und 12) Der Anteil der familiengerech- 
ten Wohnungen und der Sonderwohnformen 
wurde in Hinblick auf die Bezirksinteressen 
- auch als Befreiungsaspekt - hoch angesetzt. 
13) Die bezirklichen Absichten mit einem be- 
grenzten Anteil an gewerblicher Fläche zielten 
auf eine gewisse funktionale Differenzierung, 
die gewöhnlich in Großprojekten an periphe- 
ren Standorten schwer durchzusetzen ist. 
14) Die bezirklichen Intentionen unterstützen 
ebenso eine begrenzte Differenzierung der Fi- 
nanzierungs- und Förderungsformen, da 
größere Wohnanlagen. wenn eine hieraus la- 
tent ableitbare soziale Differenzierung nicht 
zu Kontrasten führen soll, an Ausstattungs- 
und Gestaltungsqualitäten wie an einer mög- 
lichen Imagebildung gewinnen können. 
15) Dem Wohnumfeld im Sinne einer indivi- 
duellen wie sozialen „Außenhaus“-Gestaltung 
wurde eine besondere Bedeutung beigemes- 
sen. Für die Gestaltung der Außenanlagen 
wurde ein beschränkter Wettbewerb unteı 
fünf Teilnehmern veranstaltet. Das Bezirks- 
amt hatte hierfür generelle Prinzipien entwik- 
kelt und war auch im Preisgericht vertreten. 
Die Konzeption der Garten- und Land- 
schaftsarchitekten Müller-Heinze wurde 
preisgekrönt. Trotzdem konnte auch in die- 
sem Fall nicht verhindert werden, daß zum 
Schluß der Bauarbeiten bei den Außenanla- 
gen noch gespart wurde. 
Besondere Gestaltungsaspekte 
Neben der stadträumlichen Strukturierung 
ging es bei der Auswahl der Gestaltungsaspek- 
te besonders um die Verwendung von 
Klinkern in den Abschnitten Kolberg-Nord 
und Kolberg-Mitte und deren Einsatz ım Sin- 
ne der berlinischen Tradition und der Diffe- 
renzierung zur Herausbildung einer dreiteili- 
gen Fassadenstruktur mit Sockel, Mittelfeld 
und Dachzone. Überdies konnten so die un- 
terschiedlichen Funktionsbereiche wie Trep- 
penhäuser, Loggien, Terrassen und Haus- 
durchgänge, aber auch die „Fuß“- und 
„Kopf“-Stücke der nebenplatzbegleitenden 
niedrigen Bebauung und der Turmköpfe 
akzentuiert werden. Trapezförmig ausgebil- 
dete Erker nach Osten und Loggien nach 
Westen entsprechen den jeweiligen Funk- 
tionsbereichen Wohnen/Eßplatz und bilden 
diese als Durchwohnbereiche nach außen ab. 
Mit dieser funktional bedingten Form wird 
zugleich die sonst sehr orthogonale architek- 
tonische Gestalt belebt. Gläserne Dachele- 
mente überdecken die kleinen durch Ziegel- 
mauern eingefaßten Vorplätze der Hausein- 
gänge. 
Im Abschnitt Kolberg-Süd spielt eine 
variationsreiche Fensterausbildung die drei- 
teilige Fassadenzonierung an. Die Fassaden 
selbst werden dabei durch die Vielfalt der in 
den ihnen ablesbaren Wohnformen und durch 
das lebendige Sprossenspiel der Fenster sowie 
durch das Lineament der Brüstungen und 
Rankgerüste belebt. Die Hauseingangstüren 
und Blockdurchgänge wurden mit besondereı 
Sorgfalt gestaltet. Letztere tragen zu eineı 
beabsichtigten Transparenz ebenso bei wie die 
Arkaden und Pergolen in den Erd- und 
Dachgeschossen. 
Den Zugängen von den Straßen her wird in 
Erinnerung der Torbildungen der Wohnanla- 
gen der 20er Jahre eine besondere Bedeutung 
zur Identifikation beigemessen. Zwei nicht 
unwichtige Details seien hier noch erwähnt: 
® Zu dem Konzept für die Außenanlagen 
gehört auch die Beleuchtung. Hier wurde ein 
neuer Lampentyp für die öffentliche Straßen- 
beleuchtung erprobt. Dadurch konnten Mehr- 
kosten gegenüber den bisherigen Standard- 
typen eingespart werden. 
® Durch die Kooperation zwischen der 
Verwaltung und den privaten Bauträgern 
wurden Absperrungselemente in Form von 
Pollern im öffentlichen Straßenraum und in 
den Flächen der Siedlung aufeinander abge- 
stimmt. So wurde ein einheitliches Straßen- 
bild erreicht. 
Bonussystem 
Die dargestellten Qualitäten der Wohnanla- 
gen an der Cunostraße wurden durch ein vom 
Bezirk gehandhabtes Bonussystem mitbe- 
wirkt. Dieses praktiziert bereits zum Teil die 
zur Zeit diskutierten Ansätze eines wirtschaft- 
lichen und gleichzeitig qualitätsorientierten 
Bauens. Einbezogen in die quantitative Wer- 
tung wurde besonders bei Befreiungen ge- 
mäß 8 31/2 Bundesbaugesetz hinsichtlich der 
Geschoßflächenzahl die unterirdische Unter- 
bringung der Stellplätze im Sinne des $ 21a (5) 
der Baunutzungsverordnung, größere Ge- 
schoßfreiflächen als nach den Förderungsbe- 
stimmungen erforderlich sowie die Grünge- 
staltung der Freiflächen des öffentlichen Stra- 
ßenlandes und die Luftraumflächenanteile bei 
den Maisonettewohnungen. Darüber hinaus 
wurden die oben dargestellten qualitätsorien- 
tierten funktionalen Merkmale - auch unter 
städtebaulichen Aspekten - in die Gesamtbe- 
gründung mit einbezogen und das Maß der 
Nutzung auf GEZ = 1,25 und die Geschoßan- 
zahl auf 4 bis 5 bei GFZ zul. 0,9 und 
Geschoßanzahl 3 erhöht. 
Die Zeiten sind seit der Plan- und 
Entscheidungsphase schon wieder andere 
geworden. - Restriktionen allenthalben. Was 
hier erreicht wurde ist jedoch weniger von sog. 
teueren gestalterischen Detailambitionen als 
von Raumqualitäten - innen - wie außen - und 
ihrer Einbindung in ‚ein durchgehendes 
Nutzungskonzept bestimmt. Dies ist viel 
weniger eine Frage von Kosten als von 
Engagement und Verantwortung aller Betei- 
ligten, vom Bauträger, den Architekten und 
Landschaftsplanern und auch den diversen 
Behördenteilen. 
Die Anlage Kolberg-Süd wurde entwickelt 
von den Unternehmensgruppen Otremba 
Bauherrenbetreuung GmbH und Unterneh- 
mensberatung Tartsch KG und durch die 
Architekten: Büro Henry Nielebock und Co., 
Mitarbeit Axel Finkeldey, Siegfried Hein, 
Klaus Meier, Büro Horst Ziel; Mitarbeiter: 
Jürgen Hane, Klaus Wolf. 
Gartenplanung: 
ARGE Garten- und Landschaftsplanung, 
Cornelia Müller, Elmar Knippschild, Jan 
Wehberg 
Planzeit: Juli 1979 bis Juli 1980 
Ausführung: 
August 1980 bis August 1982 
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