Funktionale Orientierung
Die wesentlichen funktionalen Aspekte, die
für den Planungsbereich gelten, sind folgende:
1) Vermeidung des fließenden Verkehrs mit
entsprechenden Störungen und KGefähr-
dungen durch eine „Vorkopf“-Erschließung.
2) Vermeidung des ruhenden Verkehrs durch
eine ausschließliche Unterbringung von Stell-
plätzen und Tiefgaragen. Auch der in den
letzten Jahren noch erforderliche Teil an Be-
sucherplätzen ist in den Tiefgaragen vorge-
sehen worden. Die Wohnbereiche sind völlig
vom Verkehr abgeriegelt („verpollert‘“) wor-
den, da sich immer wieder gezeigt hat, daß
über kleine Stellplatzanteile hinaus eine Aus-
weitung der Abstellflächen erfolgte.
3) Alle Erdgeschosse haben eine (West-)Ter-
rasse, eine Vielzahl von Erdgeschoßwoh-
nungen außerdem eine zweite (Ost-) Terrasse.
Zahlreiche Wohnungen in den Obergeschos-
sen verfügen über Dachterrassen.
4) Der Freiflächengestaltung bei entspre-
chender Größenentwicklung in den Oberge-
schossen wurde große Bedeutung zugemessen.
Die Wohnungen, die keine Terrassen haben,
wurden mit Loggien versehen. Die Tiefe einer
Loggia beträgt weitestgehend auf einer Teil-
fläche 2,00 m und liegt damit über dem von
den Wohnungsbauförderungsbestimmungen
vorgegebenen Mindestmaß von 1,60 m Tiefe.
Die Flächengröße liegt durchschnittlich über
den von der Wohnungsbauförderungspraxis
gehandhabten Größenordnungen von 5 Pro-
zent der Wohnfläche.
5) Im Abschnitt Kolberg-Süd gibt es eine
Reihe von Wintergärten.
6) Im Abschnitt Kolberg-Süd gibt es einige
Verbindungstreppen vom ersten Obergeschoß
in den grünen Hofraum.
7) Die Wohnungen sind weitestgehend nach
dem Prinzip des Durchwohnens (Eßplatz/
Wohnzimmer sind ost-/westorientiert) ange-
legt.
8) Die Waschküchen sind in der Weise zu den
Nebenplätzen orientiert, daß hier Ansätze für
eine „natürliche“ Kommunikation geboten
werden. Diese Arbeitsräume mit ihren Vor-
räumen wurden in das „Außenraum“-Kon-
zept funktional und gestalterisch integriert. So
können sie auch für andere hausgemein-
schaftsorientierte Aktivitäten genutzt werden.
9) Die Hausdurchgänge mit den Stellplätzen
für die Müllbehälter wurden in das „Außen-
haus“-Konzept eingebunden. Diese überdach-
ten Hausteile sind so auch für spezifische
Spontannutzungen geeignet.
10) Ansätze für eine Selbstgestaltung‘“ der
Mieter sind diesen auf den zahlreichen Terras-
sen und in der großen Anzahl der Mietergär-
ten - in den Binnenbereichen wie an der Stra-
ße - in einem ansehnlichen Umfang gegeben.
Mietergärten auf der „Straßenfläche“ in den
Abschnitten Süd und Mitte, die dem Land
Berlin gehören, müssen unentgeltlich verpach-
tet werden.
11) Wohnungsschlüssel der 154 WE:
22:20% 4/5 Z: 30%
3 Z: 50%
Anzahl der Maisonette-Wohnungen: 22 Stck
12) Anteil der Sonderwohnungen für Körper-
behinderte 8:
zu 11) und 12) Der Anteil der familiengerech-
ten Wohnungen und der Sonderwohnformen
wurde in Hinblick auf die Bezirksinteressen
- auch als Befreiungsaspekt - hoch angesetzt.
13) Die bezirklichen Absichten mit einem be-
grenzten Anteil an gewerblicher Fläche zielten
auf eine gewisse funktionale Differenzierung,
die gewöhnlich in Großprojekten an periphe-
ren Standorten schwer durchzusetzen ist.
14) Die bezirklichen Intentionen unterstützen
ebenso eine begrenzte Differenzierung der Fi-
nanzierungs- und Förderungsformen, da
größere Wohnanlagen. wenn eine hieraus la-
tent ableitbare soziale Differenzierung nicht
zu Kontrasten führen soll, an Ausstattungs-
und Gestaltungsqualitäten wie an einer mög-
lichen Imagebildung gewinnen können.
15) Dem Wohnumfeld im Sinne einer indivi-
duellen wie sozialen „Außenhaus“-Gestaltung
wurde eine besondere Bedeutung beigemes-
sen. Für die Gestaltung der Außenanlagen
wurde ein beschränkter Wettbewerb unteı
fünf Teilnehmern veranstaltet. Das Bezirks-
amt hatte hierfür generelle Prinzipien entwik-
kelt und war auch im Preisgericht vertreten.
Die Konzeption der Garten- und Land-
schaftsarchitekten Müller-Heinze wurde
preisgekrönt. Trotzdem konnte auch in die-
sem Fall nicht verhindert werden, daß zum
Schluß der Bauarbeiten bei den Außenanla-
gen noch gespart wurde.
Besondere Gestaltungsaspekte
Neben der stadträumlichen Strukturierung
ging es bei der Auswahl der Gestaltungsaspek-
te besonders um die Verwendung von
Klinkern in den Abschnitten Kolberg-Nord
und Kolberg-Mitte und deren Einsatz ım Sin-
ne der berlinischen Tradition und der Diffe-
renzierung zur Herausbildung einer dreiteili-
gen Fassadenstruktur mit Sockel, Mittelfeld
und Dachzone. Überdies konnten so die un-
terschiedlichen Funktionsbereiche wie Trep-
penhäuser, Loggien, Terrassen und Haus-
durchgänge, aber auch die „Fuß“- und
„Kopf“-Stücke der nebenplatzbegleitenden
niedrigen Bebauung und der Turmköpfe
akzentuiert werden. Trapezförmig ausgebil-
dete Erker nach Osten und Loggien nach
Westen entsprechen den jeweiligen Funk-
tionsbereichen Wohnen/Eßplatz und bilden
diese als Durchwohnbereiche nach außen ab.
Mit dieser funktional bedingten Form wird
zugleich die sonst sehr orthogonale architek-
tonische Gestalt belebt. Gläserne Dachele-
mente überdecken die kleinen durch Ziegel-
mauern eingefaßten Vorplätze der Hausein-
gänge.
Im Abschnitt Kolberg-Süd spielt eine
variationsreiche Fensterausbildung die drei-
teilige Fassadenzonierung an. Die Fassaden
selbst werden dabei durch die Vielfalt der in
den ihnen ablesbaren Wohnformen und durch
das lebendige Sprossenspiel der Fenster sowie
durch das Lineament der Brüstungen und
Rankgerüste belebt. Die Hauseingangstüren
und Blockdurchgänge wurden mit besondereı
Sorgfalt gestaltet. Letztere tragen zu eineı
beabsichtigten Transparenz ebenso bei wie die
Arkaden und Pergolen in den Erd- und
Dachgeschossen.
Den Zugängen von den Straßen her wird in
Erinnerung der Torbildungen der Wohnanla-
gen der 20er Jahre eine besondere Bedeutung
zur Identifikation beigemessen. Zwei nicht
unwichtige Details seien hier noch erwähnt:
® Zu dem Konzept für die Außenanlagen
gehört auch die Beleuchtung. Hier wurde ein
neuer Lampentyp für die öffentliche Straßen-
beleuchtung erprobt. Dadurch konnten Mehr-
kosten gegenüber den bisherigen Standard-
typen eingespart werden.
® Durch die Kooperation zwischen der
Verwaltung und den privaten Bauträgern
wurden Absperrungselemente in Form von
Pollern im öffentlichen Straßenraum und in
den Flächen der Siedlung aufeinander abge-
stimmt. So wurde ein einheitliches Straßen-
bild erreicht.
Bonussystem
Die dargestellten Qualitäten der Wohnanla-
gen an der Cunostraße wurden durch ein vom
Bezirk gehandhabtes Bonussystem mitbe-
wirkt. Dieses praktiziert bereits zum Teil die
zur Zeit diskutierten Ansätze eines wirtschaft-
lichen und gleichzeitig qualitätsorientierten
Bauens. Einbezogen in die quantitative Wer-
tung wurde besonders bei Befreiungen ge-
mäß 8 31/2 Bundesbaugesetz hinsichtlich der
Geschoßflächenzahl die unterirdische Unter-
bringung der Stellplätze im Sinne des $ 21a (5)
der Baunutzungsverordnung, größere Ge-
schoßfreiflächen als nach den Förderungsbe-
stimmungen erforderlich sowie die Grünge-
staltung der Freiflächen des öffentlichen Stra-
ßenlandes und die Luftraumflächenanteile bei
den Maisonettewohnungen. Darüber hinaus
wurden die oben dargestellten qualitätsorien-
tierten funktionalen Merkmale - auch unter
städtebaulichen Aspekten - in die Gesamtbe-
gründung mit einbezogen und das Maß der
Nutzung auf GEZ = 1,25 und die Geschoßan-
zahl auf 4 bis 5 bei GFZ zul. 0,9 und
Geschoßanzahl 3 erhöht.
Die Zeiten sind seit der Plan- und
Entscheidungsphase schon wieder andere
geworden. - Restriktionen allenthalben. Was
hier erreicht wurde ist jedoch weniger von sog.
teueren gestalterischen Detailambitionen als
von Raumqualitäten - innen - wie außen - und
ihrer Einbindung in ‚ein durchgehendes
Nutzungskonzept bestimmt. Dies ist viel
weniger eine Frage von Kosten als von
Engagement und Verantwortung aller Betei-
ligten, vom Bauträger, den Architekten und
Landschaftsplanern und auch den diversen
Behördenteilen.
Die Anlage Kolberg-Süd wurde entwickelt
von den Unternehmensgruppen Otremba
Bauherrenbetreuung GmbH und Unterneh-
mensberatung Tartsch KG und durch die
Architekten: Büro Henry Nielebock und Co.,
Mitarbeit Axel Finkeldey, Siegfried Hein,
Klaus Meier, Büro Horst Ziel; Mitarbeiter:
Jürgen Hane, Klaus Wolf.
Gartenplanung:
ARGE Garten- und Landschaftsplanung,
Cornelia Müller, Elmar Knippschild, Jan
Wehberg
Planzeit: Juli 1979 bis Juli 1980
Ausführung:
August 1980 bis August 1982
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