Fahrradwege verbessern, statt einem natur-
wüchsigen Verkehrsaufkommen mit Straßen-
bauinvestitionen hinterherzulaufen;
5) überzogene Ausweisungen von Gewerbege-
bieten in Wohn- und Grün- sowie Kleingar-
tenflächen umplanen und
6) die in der Flächennutzungsplanung vorge-
haltenen Expansionsflächen am Stadtrand,
für die bei städtebaulicher Nachverdichtung
kein Bedarf mehr besteht, in land- und forst-
wirtschaftliche Flächen für die Naherholung
zurücknehmen.
Schon der Abschied von überhöhten
Kalkulationsweisen wird zum Politikum
Unangemessen an der Wohnungsneubau- und
Modernisierungsförderung sind vor allen
Dingen die Kalkulationsweisen; Bei den ge-
gebenen Umständen wird man es sich nicht
länger leisten können, Kosten, die, wenn über-
haupt, dann erst in ferner Zukunft entstehen,
sich schon jetzt über den Ansatz der Gebäude-
abschreibung und z.T. auch der Instandset-
zungsrücklage finanzieren zu lassen. Das gilt
auch für die in den Grundstückspreisen vor-
weggenommenen langfristigen Erträge, deren
Wahrscheinlichkeit ebenso fraglich ist, wie der
in der Gebäudeabschreibung vorweggenom-
mene Substanzverlust. Denn niemand geht
davon aus, daß die gerade erst renovierten
Gründerzeitviertel in wenigen Jahrzehnten,
weil sie dann ihre kalkulatorische Altersgren-
ze erreicht haben, abgerissen werden, oder da-
von, daß der gesamte Wohnungsbestand in
diesen Gebieten in Eigentumswohnungen um-
gewandelt wird, denn nur dann wäre das heu-
tige Grundstückspreisniveau dort gerecht-
fertigt und die entsprechenden Erwerbspreise
zu kapitalisieren.
Die öffentliche Förderung muß vielmehr
von der Deckung der nur wirklichen Verluste
nach dem Liquiditätsprinzipi ausgehen und
als Grundstückspreis ist nur das finanzierbar,
was in absehbarer Zeit im Rahmen der zulässi-
gen Nutzung, das ist in der Regel die Vermie-
tung zur Vergleichsmiete, auch wirklich aus
dem Grundstück erwirtschaftet werden kann.
Zusammengenommen sind nur dem verän-
derten Bedarf angemessenen Konzepte, Kal-
kulationsweisen und —KGrundstücksbewer-
tungsmethoden (auch ohne weiteren Land-
schaftsverbrauch) geeignet, Flächen für alle
Nutzungen in der Stadt entsprechend der zah-
lungsfähigen Nachfrage verfügbar zu halten,
preiswerte Wohnungen zu erhalten, kurz: eine
Stadt zu entwickeln, in der die vielen ohne
großen Verlust an Lebensqualität, bei aller-
dings veränderten Lebensgewohnheiten, auch
in der Dauerrezession ihr Auskommen finden.
Eine Stadt, die aber gleichwohl allen Bewoh-
nern mehr bietet als die bloße Existenzgrund-
lage.
Nur - dieses Konzeptionen, Kalkulations-
weisen und diese Grundstückspolitik sind zu-
gleich Programme der Umverteilung von Ein-
kommen, Vermögen und Macht, denn jede
echte Einsparung rührt an jemandes Privi-
legien. Die Gewinner der bisherigen Woh-
nungs- und Sanierungspolitik sind bekannt
und damit auch die Gegner,der neuen, gegen
die es nicht nur politische Mehrheiten zu bil-
den, sondern in deren Vorfeld auch jene nur
scheinbar technischen Planungs-, Kalkula-
tions- und Bewertungsmethoden durchzuset-
zen gilt, von denen die Umverteilung ja aus-
geht. Insofern aber das geltende Recht im all-
gemeinen einer entsprechenden Uminterpre-
tation der gängigen Planungsverfahren und
-methoden nicht entgegensteht, ja, wie das
Wohnungsangebotsbedingte Nahwanderung Darmstadt 1977 — 1982
Personen I
4.000
3.000
Abwanderung
2.000
1.00%
A
al
— Zuwanderung
ei
Abb. 3
HL -
1977 78 79 80 81
Ä
Arbeitsplatzbedingte Fernwanderung Darmstadt 1977 — 1982
Personen |
6.000
5.000
E ne A.
EP N dda
*&€
4.000
DE
1.000
Sn - A —
1977 78 79 80 81 82
Quelle: Darmstadt in Zahlen Abb; 2
Einwohnerentwicklung Darmstadt Martinsviertel West 1961 — 1982
Einwohner 1961 9.500
1971 7.750
6.800
|
6.600
6.400
6.200
L— HL
1977 78 ‚5 Bo 81 82
Quelle: Darmstadt in Zahlen Abb. 4
BBauG, sogar begünstigt, werden diese Kon-
flikte eher kommunalpolitisch auszutragen
sein als durch Bundesgesetzgebung.
Sind der überlieferte juristische Eigen-
tumsbegriff und das darauf gründende
Planungsverständnis die Hinderungs-
gründe aktiver Stadtentwicklungspolitik?
Die Hinderungsgründe für den notwendigen
Strukturwandel in der Nachwachstumsphase
sind auch auf kommunaler Ebene breit ge-
fächert und liegen weit tiefer als vermutet. Sie
stoßen im Kern auf einen tradierten, am Ei-
gentümerbelieben des BGB orientierten Ei-
gentumsbegriffs, auf den in weiten Teilen noch
heute die Rechtsprechung der ordentlichen
Gerichte zu Entschädigungsfragen und infolge
dessen auch das Planungsverständnis gründet.
Dieses stellt sich dem grundgesetzlichen Ei-
gentumsbegriff und dem daraus abzuleitenden
Planungsverständnis entgegen und versperrt
so den Weg zu deduktiver Planung! als dem
Kernstück aktiver Stadtentwicklungsplanung
und -politik.
Nach dem tradierten Eigentumsbegriff, wie
er der früheren Rechtsprechung des BGH ent-
spricht, wird in nahezu jeder Begrenzung ge-
gebener Eigentümerbefugnisse schon ein ent-
eignender Eingriff erkannt. Das Bundesver-
fassungsgericht hat zuletzt in seiner Entschei-
dung vom 15. Juli 1981 diese Auffassung im
grundsätzlichen korrigiert und somit aktiver
Stadtentwicklungspolitik den notwendigen
Handlungsspielraum verschafft, denn mehr
Begrenzungen der Eigentümerbefugnisse als
nach der bisherigen Anpassungsplanung in
der Wachstumsphase üblich waren, sind im
allgemeinen Interesse in Zukunft notwendig.
Eine solche Begrenzung in Gestalt eines
Verwaltungsaktes kann aber schon mit Rück-
sicht auf das Übermaßverbot nicht willkürlich
erfolgen. Vielmehr hat deduktive Planung
nachzuweisen, auf welche Weise sie einem in
Form von Zielen konkretisierten allgemeinen
Bedürfnis dient, bzw. besser dient als andere
Planungsmaßnahmen. Eine solche Deduktion
des Verwaltungshandelns aus allgemeinen Be-
dürfnissen als den politischen Zielen zu lei-
sten, gehört noch lange nicht zum täglichen
Planerhandwerk. In der Planungspraxis do-
miniert noch allzu sehr pragmatistische Pla-
nung und ein dementsprechend privatrecht-
lich-kaufmännischer Umgangsstil mit den In-
vestoren. Beides hatte seine Berechtigung, als
es im wesentlichen darum ging, einen allge-
meinen Investitionsdruck auf reichlich vor-
handener Fläche und mit reichlich fließenden
öffentlichen Haushaltsmitteln in städtebau-
lich einigermaßen geordnete Bahnen zu
lenken.
Mit den Investoren, der Fläche und den
Haushaltsmitteln ist der pragmatischen An-
passungsplanung aber ihr Gegenstand abhan-
den gekommen. So vorteilhaft ein „gesunder
Pragmatismus“ auf dem Hintergrund eines
schlüssigen, und daher auch Rechtskraft ver-
leihenden Handlungskonzepts ist, so wenig
vermag pragmatistische Planung ohne dieses
Konzept zu bewirken, denn ihr fehlt mit dem
Ziel stets auch die rechtliche Begründung, ge-
genüber dem einzelnen im ja nicht erwiesenen
Allgemeininteresse etwas anderes durchzu-
setzen, als dieser ohnehin zu tun gewillt ist.
Weil pragmatischer Planung also mit dem
Konzept auch das Rückgrat fehlt, dem allge-
meinen Interesse in hoheitlicher Funktion
Geltung zu verschaffen, versucht sie nach wie
vor, ihr Ziel der Stärke des Verhandlungspart-
ners angemessen entweder autorität oder an-
biederisch durch kaufmännisch-privatrechtli-
chen Verhandlungsstil zu erreichen. Die Ver-
fassungswirklichkeit bringt sie damit dem
Verfassungsideal kein Stück näher. Das ist
aber, wie jeden staatlichen Handelns, ihr Auf-
trag. Aktive Stadtentwicklungspolitik im
Sinne der neuen Aufgabenstellung scheitert
daher vermutlich in nicht geringem Umfang
am tradierten Planungsverständnis, seiner
Methodik und dem daraus entspringenden
Umgang mit dem Bürger.
Die Handlungskonzepte solcher Planung,
ihre einzelnen Umsetzungsschritte und damit
auch irgendwo die Denkweise der entspre-
chenden Akteure als Planer werden, verfolgt
vom Rotstift, immer bescheidener, um nicht
zu sagen immer kleinkarierter, wo doch nur
komplexe, ’systematische und bis ins Detail
nonkonformistische Planungsansätze Bes-
serung zu versprechen hoffen.
Anmerkung:
1) Deduktive Planung ist die planerische Ableitung und
Begründung eines Verwaltungsaktes aus allgemeinen
Bedürfnissen als den Planungszielen.
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