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Ute Wittich: Hüttendorf — Spontane
Architektur im Flörsheimer Wald.
Verlag Dieter Fricke, Frankfurt/M.
Vorwort von Günther Bock, Prof.
für Architektur an der Städelschule
Frankfurt/M., Hochschule für Bil-
dende Künste. 88 Seiten mit 90 Fo-
tos, Broschur DM 24,80
ANDERS LEBEN
GENOSSENSCHAFTLICHE
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Bausteine zu einer wandernden
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Es ging darum, anwesend zu sein
an diesem Ort, dauernd anwesend,
um den Anspruch zu behaupten,
das Recht auf die Erhaltung dieses
Waldes, gegen seine Zerstörung
durch die Fortschritts-Maschine
mit ihrer rücksichtslosen Eigenge-
setzlichkeit.
Es mußte also hier gewohnt wer-
den.
Wenn ich die Hütten betrachte —
die Bilder der Hütten in dem Buch
von Ute Wittich, denn das Dorf
wurde längst zerstört — dann kom-
me ich zu dem Ergebnis, daß hier
mehr „gewohnt” wurde als an vie-
len Plätzen, die ausdrücklich dafür
ausgewiesen sind.
Wenn es nur und nur um die An-
wesenheit, um die Bewachung ge-
gangen wäre, es hätten vorgefertig-
te Baracken genügt, wie wir die von
Gastarbeiterunterkünften kennen,
oder die praktischen, perfekten
Zelte, aus denen humanitäre Orga-
nisationen im Nu ganze Städte für
Flüchtlinge oder Katastrofenopfer
entstehen lassen.
Offensichtlich war da aber mehr,
etwas, das dazu geführt hat, daß
viele dieser Hütten einen Ausdruck
haben, eine Gestalt, gestaltet sind,
Architektur sind. Dieses Mehr ist
Identifikation, Betroffenheit und
die Beziehung, die daraus entsteht:
zwischen den Menschen und den
Dingen und dem Ort und den Sinn
des Verweilens an diesem Ort.
Eine Situation, die ganz direkt
das Gefühl des wirklichen Betrof-
fenseins ermöglicht, weckt also
Michael Schwarz: „Kleinbäuerli-
ches” Wohnen in Mexiko. Schrif-
tenreihe „Entwicklungspolitische
Texte” der Friedrich Naumannstif-
tung, Bonn 1983, ca. 420 S.; Bestel-
lungen: FNS, Bereich Ausland,
Postfach 120537, 5300 Bonn 1
Wer sich bis vor kurzem der ent-
wicklungspolitischen Hoffnung (?)
hingab, Mexiko könne aufgrund
seines Erdölreichtums als „Schwel-
lenland” der Sprung in die Reihe
der Industrienationen gelingen,
sieht sich im Zusammenhang des
jüngsten Schuldendesasters und
der korrespondierenden Weltbank-
eingriffe gründlich desillusioniert:
Die aussenpolitische und ökonomi-
sche Abhängigkeit des Landes ist
stärker denn je, die soziale Lage
(Arbeitslosigkeit, Gesundheitszu-
stand, Sterblichkeit etc.) der groß-
städtischen Slumbevölkerung und
der Landbevölkerung auch mehr
als 60 Jahre nach der Revolution
katastrophal und das politische Sy-
stem weder fähig noch willens,
grundlegende Veränderungen
durchzuführen. Was kann in dieser
Lage die entwicklungspolitisch mo-
dische „Hilfe zur Selbsthilfe”, die
sich übrigens in einem anderen Ar-
gumentationskontext durchaus
auch als Legitimation für einen
konservativen Rückzug aus einer
engagierten Entwicklungspolitik
mißbrauchen läßt, bedeuten?
Der Autor, der einige Jahre in
Mexiko z. T. unter Campesinos
verbracht und an verschiedenen
Projekten mitgearbeitet hat, ist
dieser Frage exemplarisch für den
Bereich kleinbäuerlichens Woh-
nens mexikanischer Campesinos im
Bundesstaat Veracruz nachgegan-
Kreativität. Und zwar bei Leuten,
die bis dahin größtenteils herzlich
wenig mit Gestaltung zu tun hatten
und wohl auf Anfrage auch spontan
geantwortet hätten, daß sie nicht
dazu imstande sind. Eine solche Si-
tuation erzeugt plötzlich etwas, das
es sonst fast nicht gibt: Planer, Aus-
führender und Benutzer in einer
Person. Und es zeigt sich, daß da-
bei der Wunsch nach Gestaltung
entsteht, und zwar nicht nach dem
Genuß von Gestaltung, sondern
nach ihrer Ausübung. Und es zeigt
sich, daß offenbar viele Menschen
dazu fähig sind.
Insofern erzählen die Hütten die
Geschichte von den gestalterischen
Fähigkeiten von Menschen. Kreati-
vität bewirkt für denjenigen, der sie
ausübt, eine gesteigerte Wahrneh-
mung seiner selbst. Das bedeutet
für den Einzelnen Entfaltung von
Persönlichkeit, Aufbau von Selbst-
wertgefühl. Kreativität wirkt somit
gen. Ziel, und dies wird sehr deut-
lich durch die Kritik bisheriger Re-
gierungsprojekte unterstrichen,
kann nicht der Transfer „moder-
ner” Technologien und Wertvor-
stellungen auf das Land sein, son-
dern muß in dem Versuch des „soli-
darischen Beraters” liegen, eine
benutzerorientierte Hilfestellung
bei der (Weiter-)Entwicklung an-
gepaßter Technologien und der
entsprechenden Organisierung von
Betroffenen zu geben. Dies impli-
ziert zugleich eine echte Bereit-
schaft zum Lernen — ein Anspruch,
den der Autor in besonders exem-
plarischer Weise konkret gemacht
hat. Vor dem Hintergrund einer
ausführlichen Analyse der allge-
meinen Misere auf dem mexikani-
schen Campo wird den Fragen deı
Wohnbedingungen, Wohnstan-
dards und Wohnwertvorstellungen
der Campesino-Bevölkerung kon-
kret und illustriert durch zahlreiche
Beispiele im Detail nachgegangen
emanzipatorisch. Die Hauptströ-
mungen unserer augenblicklichen
gesellschafltlichen Wirklichkeit
sind Machtentfaltung, Anhäufung
von Kapital, Konkurrenz, Kon-
sum, Massenproduktion und Mas-
senumsatz. Das bedeutet die Ent-
faltung einiger auf Kosten vieler.
Diese Kategorien sind antiemanzi-
patorisch und damit antikreativ.
Aus dieser Sicht ist die Doku-
mentation des Hüttendorfes wich-
tig und von größtem Interesse.
Es sei noch darauf hingewiesen,
daß sich im Frankfurter Kunstver-
ein an der Frage einer Ausstellung
von Dokumenten über die Vorgän-
ge an der Startbahn West eine hef-
tige Kontroverse entzündet hat.
Dieser Streit geht viel weniger um
ein Problem politischer ONE nT
tät einer solchen Ausstellung, als
um die Frage nach einem erweiter-
ten Kunstbegriff. ristian Thiel
Darüber hinaus entwickelt Michael
Schwarz einen detaillierten Katalog
der wichtigsten in der traditionellen
ländlichen Volksarchitektur ver-
wendeten Baumaterialien und
Bauelemente. Darauf aufbauend
kann der Autor dann eine Strategie
ländlichen Bauens konzipieren, die
keinen abstrakten Modellcharakter
besitzt, sondern — auch mit Bezug
auf bereits laufende Entwicklungs-
projekte — konkrete Realisierungs-
bedingungen benennt: Die inte-
grierte Kooperation sogenannter
„interdisziplinärer Zentren für
ländliche Entwicklung”, von „Bau-
höfen” und sogenannten „Barfu-
Barchitekten”. Insgesamt handelt
es sich um eine Arbeit, der man
nicht zuletzt aufgrund ihres enga-
gierten Ansatzes und ihrer hohen
Praxisrelevanz größtmögliche Ver-
breitung unter den mit Entwick-
lungspolitik Befaßten und Interes-
sierten nur wünschen kann.
Tilman Harlander
D*z