Hört sich (liest sich) mittelalterlich an. Sind
doch aber auch massiv, die Bunker; und
Wehrbauten ... na ja Wehrbau halt. Aber das
Erscheinungsjahr. 1944. Muß doch aktuell
sein. Totaler Krieg. Ganz Deutschland ein
Bollwerk gegen den Feind. Schlesien: da sitzt
doch wohl keiner und schreibt neunzehn-
hundertvierundvierzig unter Bombenhagel
eine Baugeschichte mittelalterlicher schlesi-
scher Wehrbauten?!
Vielleicht muß ich damit wirklich anfangen,
sollte eine kleine historische Einleitung in den
Wehrbau machen. Zum Einstimmen gehe ich
zum Handapparat, schlage auf, Lexikon der
Kunst, Bd. 5, T-Z;,. Leipzig 1978, S.535:
Wehrbau, die Gesamtheit des Verteidigungs-
baues bei Burg und Stadt sowie als Sonder-
leistung des befestigten Sakralbaues von den
Anfängen in der entwickelten Urgesellschaft
an. Der W. entwickelte sich von der primitiven
und elementar notwendigen Zweckform der
Verteidigung sozialer Gemeinschaften,
Schichten und Klassen (z.B. Volks- und
Fluchtburgen mit Gräben, Wällen und Palli-
saden) zur künstler. Form (W.kunst) der
Hochkulturen im Vorderen Orient, Agypten,
China, Japan, Indien, Lateinamerika sowie im
Mittelmeergebiet und Europa. (...)
Die Entwicklung des mitfelalterl. W.es ist
engstens verbunden mit den —> Stadt-befesti-
gungen und maßgeblich in allen Wandlungen
geprägt durch die Veränderung der Feuer-
waffen, der gesamten Kriegstechnik und -
führung. (...)
Ab Ende des 19. Jh. wurden Festungen
zunehmend aus Stahl und Beton angelegt,
gepanzert, oft nur noch gering über dem
Boden erhöht, z.T. mit weitläufigen unterird,
Systemen (Kasematten) für Versorgung,
Depots u.ä. (...)
Im 20. Jh. kam auch eine entwickelte Feld-
befestigungstechnik (Bunker, Gräben usw.)
hinzu. Damit und mit relativ atomsicheren
Bunkern fand die Geschichte des W.es
zugleich, angesichts der modernsten Angriffs-
technik, ihren Abschluß (...)
ca. 28 Literaturangaben
Wehrgang, wichtigster Teil der Verteidi-
gungs...
Wehrkirche, eine Kirche, die ...
Per wissenschaftlicher Definition und In-
formation also Wehrbau bis Bunker. Folge-
richtig von der „elementar notwendigen
Zweckform“ (igittigitt!) zum „relativ atom-
sicheren Bunker“, mit dem dieser Bautyp
seinen Abschluß fand (?...). Ab wann legiti-
miert ein zeitlicher Abstand dann die Beschäf-
tigung (wertfrei) mit den Bunkern des 2. Welt-
krieges? Der Abschluß signalisiert doch das
Eintreten dieses Bautyps in die Geschichte, in
die Baugeschichte allemal. Und somit heißt’s
auch erster sein. Ist doch auch ein interessan-
tes Thema.
Bei Bimler-Kurt handelt es sich dann doch
um die Geschichte der Burgen und Klöster.
Ohne Vorwort, Einleitung. 1944 fehlt dann im
letzten Satz dieses Heftchens einem Kirch-
turm „die Konsequenz der trutzhaften Er-
scheinung, zumal sich dicht daneben eine
dieser Rolle würdigere Burg befand.“ (S.49)
Seite 33: oben weiß, fast 2/3 des Blattes.
Darunter: Abb. 15: Grundrißentwicklung der
Stadt Münsterberg. Rekonstruktion des Ver-
fassers. Darüber wie gesagt weiß. Nein, halt!
Klein gedruckt in die weiße Fläche: „Zeich-
nung und Bildstock dieses Grundrisses sind
durch Kriegseinwirkung zugrunde gegangen.
Die Abbildung wird später nachgeliefert.“ Die
Abbildung trutzte also nicht dem Kriege. Jetzt
würde mich ja doch interessieren, ob die Stadt
Münsterberg heute noch rekonstruierbar ist.
Der Verfasser hat es mit der Grundrißent-
wicklung gemacht. Ja und nun? Haben die
Baugeschichtler vorher genug getan, um die
Stadt irgendwo und -wie zu konservieren, in
Beschreibungen, Fotos, Plänen, Skizzen,
Modellen, so daß Kriegseinwirkung nicht
verhindern konnte, daß wir uns diese Stadt
auch so richtig nostalgisch betrachten kön-
nen?
Ich bemerke, daß ich schon wieder
abschweife. Diesmal nicht moralisierend,
sondern fast zynisch. Die Geschichte mit Seite
33 bei Bimler stimmt aber und da ist die
’Gewalt des Zusammenhangs’.
Unter anderem:
Kremer, Bernd
Der kluge Mann baut tief
Neuenbürg / Württ. 1963
Erste Seite nach dem Bibliothekseinband ein
Stempel: TU Berlin, Institut für Kranken-
hausbau. Was haben die sich im Institut
eigentlich gedacht bei der Beschaffung des
Buches? Die sollen doch Studenten beibrin-
gen, wie man Häuser zur Genesung von
Menschen baut und nicht wie man Bunker
baut. Ach so: quer über dem verblaßt-lila
Stempel ein dicker roter: Ungültig. Hätte mich
ja dann doch gewundert. Weiterblättern,
Rückseite des Vorsatztitels: „Um der mög-
lichen Verwechselung mit einem ähnlich
klingenden Buchtitel vorzubeugen, wird da-
rauf hingewiesen, daß ein im ECON-Verlag
Düsseldf. erschienener Ratgeber den Titel
trägt „Der kluge Mann baut vor“.“
So naiv-harmlos und spießig-dumm konnte
man 1963 sein und im Inhaltsverzeichnis nach
der Frage „Hat Luftschutz im Atomzeitalter
noch Sinn?“ die Punkte
1. Das ABC der Vernichtung (...)
9. Wer soll das bezahlen? und
10. Bereit sein ist alles
abhandeln, als gelte es, den Schlager dieser
Zeit in Buchform weiterzuverbreiten.
„Wer soll das bezahlen, wer hat soviel
Geld?“ Der kluge Mann, der vorbaute, mußte
selbst bezahlen; baute er zudem noch tief,
zahlte dafür schon 18 Jahre nach dem
Kriegsende der Staat.
Unter anderem:
Schoszberger, Hans
Bautechnischer Atomschutz
Düsseldf. 0.J. (ca. 1955)
Schoszberger, Hans
Bautechnischer Luftschutz
Berlin 1934
Aha! Habe ich also so einen unverbesserlichen
Menschen gefunden. Schreibt 1934 und 1955
über die Möglichkeiten der ziviltechnischen
Verteidigung. Die Bücher sind sofort zur
Hand. Die von 1955 ist eine der „Mono-
graphien über Stahlverwendung“, in der es
dann im Vorwort u.a. heißt:
„Im Jahre 1936 war das Interesse der Bauleute am
Luftschutz sehr gering. Die Fachliteratur lasen nur wenige,
Gesetze und finanzielle Regelungen ließen auf sich warten,
kaum, daß irgendwo vereinzelt etwas wirklich gebaut
wurde. Eine allgemeine Luftschutz-Lethargie - ähnlich wie
heute,
Da entschloß sich die Beratungsstelle für Stahlverwen-
dung zu einer großen Ausstellung ’Luftschutz durch Stahl’
auf der Leipziger Messe und gleichzeitig erschien in einer
Auflage von 50.000 ein Buch gleichen Titels.
Das wirkte! Es entstand lange vor der Atombombe eine
Kettenreaktion bei den anderen Verbänden. Industrien
anderer Baustoffe, - deren Eignung im Luftschutz unbe-
stritten ist, - mußten sich jetzt auch für das neue Gebiet
interessieren “
Natürlich mußten sie sich interessieren für
eine Sphäre, in der Profit zu machen war. Da
war doch schon der anfangs ausgemachte
Zusammenhang. Die Stahlindustrie reagierte
nicht nur 1936, sondern auch 1955 und hatte
damals wie heute nur lautere Interessen und
die so geliebten Menschen im Sinn.
Und dann, in der gleichen Monographie,
nachdem im Schutzraumbau die Elemente
Keller im Altbau, im Neubau, Außenanlagen,
Belüftung usw. abgehandelt sind, auf Seite 59,
im Kapitel „Geschichte“ der Satz:
„Erst mit der Stahlverknappung während des Krieges hört
die Verwendung des Stahls im Luftschutz auf. Es wurden
stahlarme und stahllose Bauweisen vorgeschrieben. In den
meisten Fällen waren sie wesentlich teurer und in ihrer
Schutzwirkung oft geringer als Stahlbauten.“
(Was in Schutzbaufibeln und praktischen
Ratgebern oftmals aufgelistet und veran-
schaulicht wird, ist dann schon ziemlich
zynisch: Sandsäcke vor Wellblechhütten,
Erdhaufen mit Bleiabdeckung, Backstein-
nischen in Kellern usw.)
In Zeiten der Stahlverknappung wird auf
den vorher propagierten Schutz des Menschen
geschissen, man verzichtet auf Effektivität
und setzt an ihre Stelle den Appell zum Auf-
die-Erde-werfen mit gleichzeitigem Über-den-
Kopf-halten der mitgeführten Aktentasche,
wenn möglich bleigefüttert.
Herr Schoszberger steht da bestimmt nicht
allein, aber er wird deutlich. Vorwort seiner
Schrift von 1934:
„An den gewaltigen Fortschritten der Waffentechnik liegt
es aber, daß dieser Einfluß (der der Kriegstechnik durch
Jahrhunderte auf das Bauwesen) voraussichtlich einmal
eine Bedeutung bekommen wird, von der wir uns heute
noch gar keine Vorstellung machen können. Die Zeit liegt
nicht zu fern, in der der Schutz gegen die Bomben des
Angreifers eine viel wichtigere Forderung sein wird als
manche andere Fragen, die heute das Bauwesen bewegen.
(...) Eine riesige Bauindustrie und eine wunderbar
ausgebaute Bauwissenschaft stellen heute eine Verteidi-
gungswaffe dar, die den modernsten Bombenflugzeugen
und Giftgasen mindestens als gleichwertig, wenn nicht gar
als überlegen entgegengehalten werden kann. (...)“
Gehört denn zu dieser „wunderbar ausgebau-
ten Bauwissenschaft“ auch die der Bauge-
schichte? Gibt es da also eine Logik, die uns
zwingt, ob wir wollen oder nicht, uns an dem
ganzen Wahnsinn zu beteiligen? Kann es sein,
daß wenn ich eine detaillierte Bunkergeschich-
te schreibe und die Schwachstellen nachweise,
diese Arbeit dann anschließend Leuten dient,
die ihre perversen Waffensysteme danach
ausrichten? Wenn es sie gibt, diese Logik,
dann soll sie auch ohne mich funktionieren.
Ich denke, sie tut es schon.
Die folgenden Ausführungen zum Schutz
gegen den Feind werden unter den Waffen-
kategorien abgehandelt: Sprengbombe,
Brandbombe, Chemische Kampfstoffe, Bak-
terien. Eingeführt wird mit dem Kapitel Krieg
und Bauwesen, den Schluß bilden die Kapitel
„Städtebau“ und „Luftschutz und Baukunst“.
Philosophierend und historisierend schlän-
gelt er sich auf den Punkt zu:
„In dieser Arbeit wird der Krieg als gegebenes Natur-
ereignis aufgefaßt. Die Wirkung dieser Gewalt und der
Schutz gegen sie werden behandelt.“ (S.18)
Das Behandelte: Ist das dann die „elementar
notwendige Zweckform“ oder schon die
entwickeltere „künstlerische Form, Wehr-
kunst“? Also Schutz-Kunst? Nur: wer schützt
uns vor ihr?
„Es gibt keine Waffe und wird auch nie eine geben, gegen
die es nicht auch einen Schutz gäbe. Wenn ein wirksamer
Luftschutz vorgesorgt ist, so ist das Schlimmste, aber auch
das Äußerste, was ein Luftkrieg bringen kann, das Ende der
dichtbesiedelten Gebiete der Großstadt - nicht der
Menschen, sondern nur der Häuser! Es gibt Architekten,
die überzeugte Pazifisten sind und doch eine derartige
Wirkung der Bomben nicht ablehnen würden. (...)
Man stelle sich vor, welche Wirkung auf alle Bevöl-
kerungsschichten entsteht, wenn der erste Brandbomben-
hagel auf eine Stadt niedergeht. Welcher Architekt wird
sich dann noch mit formalen Fragen befassen können! Wer
wird der Frage noch irgendeine Bedeutung beimessen, ob
ein Dach flach oder steil sein soll (...)
In allen rüstenden Staaten stehen heute riesige Bomben-
geschwader startbereit, und die ausländische Rüstungs-
industrie arbeitet mit Hochdruck. (...) 7
Damit kommt ein vollkommen neuer Gedanke in die
Tätigkeit des Architekten und Bauingenieurs. Er wird sich
wie ın früheren Zeiten ... (...).“ (S.217 f.)
In das Feld geführt werden Leonardo da Vinc!
und Albrecht Dürer und die Selbstverständ-
lichkeit, mit der sie sich dem waffentechn!-
schen Stand der Zeit widmeten.
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