Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1983, Jg. 15, H. 67, 68, [69/70], 71, 72)

Bunker mit Maschinengewehrstand 
Beobachtungsposten mit Flakstellung 
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(#* 
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Der Atlantikwall 
hang, und es ist eine Verwechslung, die 
Brauchbarkeit dieses Arsenals für instru- 
mentelle Prozesse für sein Eigenleben zu 
halten. 
Das seelische Geschehen hat seine 
Geschichte als gegenwärtig. Wir werden 
sehen, daß sich dabei nichts Physiolo- 
gisches in Psychologie, nichts Individuelles 
in Gesellschaft oder Geschichte umwan- 
delt. Eine Umwandlung existiert nicht, es 
sind verschiedene Verschlüsselungen, ver- 
schiedene Beobachtungsarten, nicht ver- 
schiedene Gegenstände. Dann ist die 
Aufhebung der historischen Zeiten, die 
Gegenwärtigkeit der Geschichte auf alle 
Ereignisse der Evolution, der Geschichte, 
die Entstehung der Arbeitsvermögen und 
auch auf die Zukunft bezogen. Ausschließ- 
lich in dieser Perspektive ist Selbst- 
regulierung das wirkliche Verhältnis. Wir 
sehen es nicht, weil diese Perspektive durch 
willkürliche Ausschnitte der geschicht- 
lichen Ordnung verdeckt ist. Ihr Eigen- 
leben haben aber Bewußtsein, innere 
Geschichte der lebendigen Arbeit und 
menschliches Eigentum in diesem wirk- 
lichen Verhältnis, also etwas anderem als 
dem, was sich als Wirklichkeit vor- 
gaukelt.? 
Im Herbst erscheint als Suhrkamp-Ta- 
schenbuch Nr. 967: Hellmut Becker, Carl 
Nedelmann, Psychoanalyse und Politik. 
Ich kenne davon nur die Fahnen. Auf 
Fahne 48 findet sich eine Abhandlung der 
Autoren mit dem Titel ’Von der Anwend- 
barkeit psychoanalytischer Kategorien auf 
die Politik’. Daß der Weltuntergang „aus 
einem frommen Mythos zu einer technisch 
vollziehbaren Möglichkeit geworden ist“, 
nehmen die Autoren als Herausforderung, 
sämtliche politischen Denkformen: und 
darauf gegründete Handlungen einer kriti- 
schen N G6erprüfung zu unterziehen. In 
raschen Zügen räumen die Autoren die 
Illusion aus, politische Prozesse ließen sich 
aus dem bewußten Handeln verstehen. 
Gegenständlich, sagen die Autoren, wird 
das was in der Welt an Wiederholungs- 
zwang, Rüstungswahn und schon errichte- 
ter Landschaft des Kriegs existiert, sobald 
die unbewußten Prozesse ebenfalls beob- 
achtet werden: die Abwehrmechanismen 
(Verdrängung, Projektion, Verleugnung, 
Spaltung, Introjektion, Rationalisierung, 
Reaktionsbildung, Ungeschehenmachen). 
Für ganze Gesellschaften aber erschei- 
nen diese Prozesse wenig sichtbar. Sie sind 
überlagert, z.B. durch die Balanceökono- 
mien. Sie wären auch dann als Prozesse 
schwer sichtbar, wenn ihre Resultate 
sämtlich bekannt und ihre Unbewußtheit 
aufgehoben wären. Dort aber, wo ein tech- 
nischer Grund oder eine hektisch planende 
Absicht Teile der Unbewußtheit unnötig 
machen, treten die inneren Bilder, nach 
denen sich Menschen und Gesellschaften 
wirklich richten, deutlicher hervor. Es ist 
deshalb kein Zufall, daß Sigm. Freud die 
wichtigste anschauliche Darstellung der 
Zeitlosigkeit psychischer Geschichte an 
einem Beispiel der Architektur deutlich 
macht} 
) Sigm. Freud, Das Unbehagen in der Kultur, in: 
Gesammelte Werke, XIV. Band, London 1948, 
S. 427 f. Hervorhebung von mir. 
Man muß sich die Differenz deutlich machen. In 
unseren Städten haben die Autos Vorfahrt, die das 
Zeichen Grün erhalten. Andernfalls gibt es Zusam- 
menstöße. Die Augen können die Folgen sehen: 
Die Auto-Dinge stoßen sich wirklich in Raum 
und Zeit. Mit diesem Wirklichen verhält es sich 
aber wie mit dem Ritter an König Artus’ Hof, der 
sagt: Haben die Leute denn keine Augen im Kopf? 
Die Sonne geht, wie ich sehe, am östlichen Hori- 
zont auf, am westlichen unter. Es bewegt sich also 
die Sonne, nicht die Erde. 
Die von Freud wiedergegebene Beobachtung ver- 
stößt gegen etwas, das sinnenklar erscheint. Im 
geschichtlichen Verhältnis wäre es danach so, daß 
in einer Stadt Autos, ohne Stopplichter zu beach- 
ten, in allen Richtungen hin- und herfahren und 
doch nie aufeinander treffen. Ein solcher Ge- 
schichtsfluß ist aber das wirkliche Verhältnis und 
die in ein Auto eingebaute Verdinglichung verhält 
sich dazu unnatürlich, unwirklich. Weder haben sie 
als Ding von sich aus, noch hat die lebendige Ar- 
beit, die sie hervorgebracht hat, zu anderen leben- 
digen Arbeiten die Tendenz, Zusammenstöße her- 
vorzurufen. Auf dem Jahrmarkt ist der Zusammen- 
stoß von Autoscootern geradezu das Vergnügen 
Es ist das geschichtliche Beziehungsverhältnis, 
das eingebaute Widerstandssystem der toten 
Arbeit, die die Regelungssysteme des Straßen- 
verkehrs erzwingt: eingebauter Privategoismus; 
Rücksichtslosigkeit ist keine Naturform lebendiger 
Arbeit. Weil rücksichtslos aufgebaut wurde, muß 
das Korrektiv der Rücksicht in die Bewegungen 
eingebaut werden. 
Sigm. Freud, ebda. 
3)
	        

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