Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1983, Jg. 15, H. 67, 68, [69/70], 71, 72)

Die sich in Weiheräumen wie diesem an- 
«undigende Tendenz zielte auf einen Typ von 
3Zauwerk, wie er im Ehrenmal von Tannen- 
»erg schon 1924-29 erstmals Wirklichkeit 
wurde. Auch hier stand ein germanisches 
Vorbild Pate, nämlich ein Steinkreis wie in 
Stonehenge. Zum Reichsehrenmal wurde 
Tannenberg 1936 erhoben, nachdem Hinden- 
»urg hier auf seinen Wunsch bestattet wor- 
ien war. Hitler nutzte die Gelegenheit, sich 
bei der Trauerfeier für den berühmtesten 
Feldherrn des 1. Weltkriegs und einzigen 
spektakulären Sieger in dessen Nachfolge zu 
sonnen. Immerhin hatte er Hindenburgs Amt 
des Rreichspräsidenten übernommen.” 
Durch die Prominenz als Reichsehrenmal 
diente Tannenberg zum Vorbild zahlreicher 
Totenburgen. Deren Architekt, Robert Ti- 
schler, besaß zu Hitler schon deshalb gute 
Beziehungen, weil er ihm sein NSDAP-Par- 
teibuch abgetreten hatte, um den ’Führer’ in 
der Propaganda als Parteigenossen der ersten 
Stunde gelten zu lassen. 
Beide Tendenzen zur Friedhofsgestaltung, 
der Heldenhain und die Totenburg, bestan- 
den in den Dreißiger Jahren parallel neben- 
einander, bevor sich bei Neuanlagen die To- 
tenburg durchsetzte. Die Entwürfe von Wil- 
helm Kreis entstanden erst in den Vierziger 
Jahren und griffen auf diese Tradition zu- 
rück. '® 
Bei der Gründung 1919 hatte sich der 
Volksbund eine Organisation gegeben, in der 
sich Vorstand, Geschäftsleitung, Vertreter- 
tag und Präsidium in komplizierter Kompe- 
tenzverteilung die Entscheidungen teilten. '” 
Am 2. Dezember 1933, bald nach Hitlers 
Machtübernahme, wurde die Satzung geän- 
dert, der Vorstand abgeschafft und statt des- 
sen Eulen zum ’Bundesführer’ gekürt. '” Als 
solcher ernannte er seine Stellvertreter — 
statt sie wählen zu lassen — und bestimmte 
seine Gauführer. Analog der NSDAP glie- 
derte sich der Verein jetzt in Gaue, Bezirke 
und Gruppen. 
Mit Hitlers Regierung arbeitete der Volks- 
bund ausgesprochen harmonisch zusam- 
men. '” Ein erster Erfolg wurde sichtbar, als 
Eulen durch Direktintervention bei Goeb- 
bels 1934 erreichte, daß der ’Heldengedenk- 
tag’ per Gesetz in den Frühling gelegt und im 
ganzen Reich einheitlich gefeiert wurde: 
nämlich als Symbol für das anälog der Natur 
zu neuem Leben erwachte Deutschland. 
Nach Eulens Schreiben an den Propaganda- 
minister sollte der Tag ’Volkstum und Volks- 
kraft’ stärken. Er durfte „auf die Dauer nicht 
ein Tag der Trauer sein, sondern muß ein Tag 
der Erhebung werden, ein Tag des Hoffens 
auf das Aufgehen der blutigen Saat”.“” 
Schon 1927 hatte die ’Kriegsgräberfürsorge’ 
den damaligen Volkstrauertag in sein Gegen- 
teil verkehrt; er sollte nämlich als ein Symbol 
der deutschen Einheit dienen, den soldati- 
schen Geist von „Treue, Gehorsam, Pflicht- 
bewußtsein, Opfersinn und Liebe zum Vater- 
land” wachhalten und insgesamt der „sittli- 
chen Erneuerung unseres Vaterlandes” die- 
nen.“” Am Heldengedenktag trat Eulen re- 
gelmäßig in der Berliner Oper und im Zeug- 
haus mit den politischen Spitzen des Reichs 
auf. 
Weıtere Tatsachen belegen die offizielle 
Förderung des Volksbunds durch die Reichs- 
regierung. Ein Erlaß des Reichsinnenmini- 
sters vom 3. April 1935 genehmigte ausdrück- 
lich die Haus- und Straßensammlungen des 
VDK.”” Am 19. Januar 1939 bestätigte der 
Reichsinnenminister dem Volksbund die Er- 
laubnis, Mitglieder zu werben.“ Bei militäri- 
schen Einheiten soll dies besonders einfach 
gewesen sein: wie Augenzeugen berichten, 
wurde ihnen ein ’Kehrt’ befohlen und sie tra- 
ten geschlossen zur Unterschrift an. Die 
Schulen bekamen Straßenzüge zugewiesen, 
in denen die Schüler Propagandamaterial des 
Volksbunds verteilten und mit den Familien 
redeten, um Mitglieder zu werben.“” Als 
Gauführer suchte man sich einflußreiche Po- 
litiker, z.B. in Schlesien einen Regierungs- 
präsidenten. 
Das Verständnis für das Engagement der 
Reichsregierung beim Volksbund fällt leicht, 
wenn man sich erinnert, daß sich Hitler im- 
mer als Soldat begriff und sich der National- 
sozialismus insgesamt als die militarisierte 
Gesellschaft verstehen läßt. Auch bei Fried- 
hofsprojekten gefiel sich Hitler — analog sei- 
ner Gutachterrolle gegenüber Albert Speer 
— als architektonischer Berater. 
Das Ziel aller Aktivitäten des Volksbunds 
bestand darin, jedem Gefallenen des 1. Welt- 
kriegs ein lebendes Vereinsmitglied an die 
Seite zu stellen, d.h. die Zahl von zwei Millio- 
nen Einzelmitgliedern zu erreichen.“ Ob- 
wohl der Reichsinnenminister nach Aus- 
bruch des 2. Weltkriegs am 5.9.1939 ein ge- 
nerelles Verbot der Werbung und Sammlung 
erließ,*® stiegen die Mitgliederzahlen des 
VDK noch während des 2. Weltkriegs ständig 
an. 1943 hatte er_schon knapp eine Million 
Einzelmitglieder.?”” Die neuerlichen Kriegs- 
verluste trugen zu seinem sprunghaften An- 
schwellen bei. Im Januar 1945 stellte der stell- 
vertretende Bundesführer Zimmermann zu- 
frieden fest, der Verein habe jetzt fast zwei 
Millionen Mitglieder und 15.000 Unterglie- 
derungen.” Es mag makaber klingen, aber 
der Volksbund gehörte zu den größten 
Kriegsgewinnlern überhaupt. 
Differenzen mit der Reichsführung traten 
erst auf, als der Volksbund zu seinen beiden 
beschriebenen Tendenzen auch noch die drit- 
te vertrat, der Toten des 1. Weltkriegs nur 
noch in wenigen zentralen Monumenten zu 
gedenken. Z.B. plante Tischler statt der 320 
Ehrenfriedhöfe ın Westflandern ihre Kon- 
zentration zu zwei, nämlich Langemarck und 
den Kemmelberg. Die früheren Ehrenhaine 
sollten ohne Kennzeichnung der Einzelgrä- 
ber als bloße Haine mit einem Hinweisschild 
erhalten bleiben. Einige Tote wollte Tischler 
in die neuen monumentalen Gedenkstätten 
umbetten.“” Diese Absicht weckte bei der 
Wehrmacht und den Reichsdienststellen zu- 
nehmende Widerstände. Im Gegenzug laute- 
te eine ausdrückliche Forderung des Heers 
für die Gestaltung von Kriegerfriedhöfen: 
„Kennzeichnung eines jeden Grabes durch 
ein Kreuz. Das Einzelgrab muß im Gegensatz 
zu den Kriegerfriedhöfen des Weltkrieges, 
bei denen oft nur ein Kreuz mehrere Gräber 
kennzeichnet, zur Geltung kommen. ”®® 
Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs über- 
nahm die Wehrmacht im September 1939 
selbst die Gräberfürsorge. Daraufhin unter- 
stellte sich der Volksbund dem Oberkom- 
mando der Wehrmacht. Auf diese Weise 
suchte er sich wenigstens dem Zugriff der 
NSDAP zu entziehen.“ 
Diese nämlich wollte selbst Einfluß in der 
Gräberfürsorge gewinnen. Im August 1940 
versuchte die NSDAP, den Volksbund unter 
ihre Kontrolle zu bringen.” Zeitweise war 
sogar ein Verbot im Gespräch.” Schließlich 
wurde 1941 Wilhelm Kreis zum ’Generalbau- 
rat für die Gestaltung der deutschen Krieger- 
friedhöfe’ ernannt.” Er unterstand direkt 
Hitler. Nun lagen die Fragen künstlerischer 
Gestaltung in seinen Händen, während sich 
das OKW die Bestattung und Erfassung der 
Gefallenen und die Korrespondenz mit den 
Angehörigen vorbehielt. Dem Volksbund 
blieb nur noch die Herausgabe seiner Zeit- 
schrift, die Pflege seiner Mitglieder und der 
Ausbau einiger Friedhofsanlagen des 1. 
Weltkriegs.
	        

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