Die sich in Weiheräumen wie diesem an-
«undigende Tendenz zielte auf einen Typ von
3Zauwerk, wie er im Ehrenmal von Tannen-
»erg schon 1924-29 erstmals Wirklichkeit
wurde. Auch hier stand ein germanisches
Vorbild Pate, nämlich ein Steinkreis wie in
Stonehenge. Zum Reichsehrenmal wurde
Tannenberg 1936 erhoben, nachdem Hinden-
»urg hier auf seinen Wunsch bestattet wor-
ien war. Hitler nutzte die Gelegenheit, sich
bei der Trauerfeier für den berühmtesten
Feldherrn des 1. Weltkriegs und einzigen
spektakulären Sieger in dessen Nachfolge zu
sonnen. Immerhin hatte er Hindenburgs Amt
des Rreichspräsidenten übernommen.”
Durch die Prominenz als Reichsehrenmal
diente Tannenberg zum Vorbild zahlreicher
Totenburgen. Deren Architekt, Robert Ti-
schler, besaß zu Hitler schon deshalb gute
Beziehungen, weil er ihm sein NSDAP-Par-
teibuch abgetreten hatte, um den ’Führer’ in
der Propaganda als Parteigenossen der ersten
Stunde gelten zu lassen.
Beide Tendenzen zur Friedhofsgestaltung,
der Heldenhain und die Totenburg, bestan-
den in den Dreißiger Jahren parallel neben-
einander, bevor sich bei Neuanlagen die To-
tenburg durchsetzte. Die Entwürfe von Wil-
helm Kreis entstanden erst in den Vierziger
Jahren und griffen auf diese Tradition zu-
rück. '®
Bei der Gründung 1919 hatte sich der
Volksbund eine Organisation gegeben, in der
sich Vorstand, Geschäftsleitung, Vertreter-
tag und Präsidium in komplizierter Kompe-
tenzverteilung die Entscheidungen teilten. '”
Am 2. Dezember 1933, bald nach Hitlers
Machtübernahme, wurde die Satzung geän-
dert, der Vorstand abgeschafft und statt des-
sen Eulen zum ’Bundesführer’ gekürt. '” Als
solcher ernannte er seine Stellvertreter —
statt sie wählen zu lassen — und bestimmte
seine Gauführer. Analog der NSDAP glie-
derte sich der Verein jetzt in Gaue, Bezirke
und Gruppen.
Mit Hitlers Regierung arbeitete der Volks-
bund ausgesprochen harmonisch zusam-
men. '” Ein erster Erfolg wurde sichtbar, als
Eulen durch Direktintervention bei Goeb-
bels 1934 erreichte, daß der ’Heldengedenk-
tag’ per Gesetz in den Frühling gelegt und im
ganzen Reich einheitlich gefeiert wurde:
nämlich als Symbol für das anälog der Natur
zu neuem Leben erwachte Deutschland.
Nach Eulens Schreiben an den Propaganda-
minister sollte der Tag ’Volkstum und Volks-
kraft’ stärken. Er durfte „auf die Dauer nicht
ein Tag der Trauer sein, sondern muß ein Tag
der Erhebung werden, ein Tag des Hoffens
auf das Aufgehen der blutigen Saat”.“”
Schon 1927 hatte die ’Kriegsgräberfürsorge’
den damaligen Volkstrauertag in sein Gegen-
teil verkehrt; er sollte nämlich als ein Symbol
der deutschen Einheit dienen, den soldati-
schen Geist von „Treue, Gehorsam, Pflicht-
bewußtsein, Opfersinn und Liebe zum Vater-
land” wachhalten und insgesamt der „sittli-
chen Erneuerung unseres Vaterlandes” die-
nen.“” Am Heldengedenktag trat Eulen re-
gelmäßig in der Berliner Oper und im Zeug-
haus mit den politischen Spitzen des Reichs
auf.
Weıtere Tatsachen belegen die offizielle
Förderung des Volksbunds durch die Reichs-
regierung. Ein Erlaß des Reichsinnenmini-
sters vom 3. April 1935 genehmigte ausdrück-
lich die Haus- und Straßensammlungen des
VDK.”” Am 19. Januar 1939 bestätigte der
Reichsinnenminister dem Volksbund die Er-
laubnis, Mitglieder zu werben.“ Bei militäri-
schen Einheiten soll dies besonders einfach
gewesen sein: wie Augenzeugen berichten,
wurde ihnen ein ’Kehrt’ befohlen und sie tra-
ten geschlossen zur Unterschrift an. Die
Schulen bekamen Straßenzüge zugewiesen,
in denen die Schüler Propagandamaterial des
Volksbunds verteilten und mit den Familien
redeten, um Mitglieder zu werben.“” Als
Gauführer suchte man sich einflußreiche Po-
litiker, z.B. in Schlesien einen Regierungs-
präsidenten.
Das Verständnis für das Engagement der
Reichsregierung beim Volksbund fällt leicht,
wenn man sich erinnert, daß sich Hitler im-
mer als Soldat begriff und sich der National-
sozialismus insgesamt als die militarisierte
Gesellschaft verstehen läßt. Auch bei Fried-
hofsprojekten gefiel sich Hitler — analog sei-
ner Gutachterrolle gegenüber Albert Speer
— als architektonischer Berater.
Das Ziel aller Aktivitäten des Volksbunds
bestand darin, jedem Gefallenen des 1. Welt-
kriegs ein lebendes Vereinsmitglied an die
Seite zu stellen, d.h. die Zahl von zwei Millio-
nen Einzelmitgliedern zu erreichen.“ Ob-
wohl der Reichsinnenminister nach Aus-
bruch des 2. Weltkriegs am 5.9.1939 ein ge-
nerelles Verbot der Werbung und Sammlung
erließ,*® stiegen die Mitgliederzahlen des
VDK noch während des 2. Weltkriegs ständig
an. 1943 hatte er_schon knapp eine Million
Einzelmitglieder.?”” Die neuerlichen Kriegs-
verluste trugen zu seinem sprunghaften An-
schwellen bei. Im Januar 1945 stellte der stell-
vertretende Bundesführer Zimmermann zu-
frieden fest, der Verein habe jetzt fast zwei
Millionen Mitglieder und 15.000 Unterglie-
derungen.” Es mag makaber klingen, aber
der Volksbund gehörte zu den größten
Kriegsgewinnlern überhaupt.
Differenzen mit der Reichsführung traten
erst auf, als der Volksbund zu seinen beiden
beschriebenen Tendenzen auch noch die drit-
te vertrat, der Toten des 1. Weltkriegs nur
noch in wenigen zentralen Monumenten zu
gedenken. Z.B. plante Tischler statt der 320
Ehrenfriedhöfe ın Westflandern ihre Kon-
zentration zu zwei, nämlich Langemarck und
den Kemmelberg. Die früheren Ehrenhaine
sollten ohne Kennzeichnung der Einzelgrä-
ber als bloße Haine mit einem Hinweisschild
erhalten bleiben. Einige Tote wollte Tischler
in die neuen monumentalen Gedenkstätten
umbetten.“” Diese Absicht weckte bei der
Wehrmacht und den Reichsdienststellen zu-
nehmende Widerstände. Im Gegenzug laute-
te eine ausdrückliche Forderung des Heers
für die Gestaltung von Kriegerfriedhöfen:
„Kennzeichnung eines jeden Grabes durch
ein Kreuz. Das Einzelgrab muß im Gegensatz
zu den Kriegerfriedhöfen des Weltkrieges,
bei denen oft nur ein Kreuz mehrere Gräber
kennzeichnet, zur Geltung kommen. ”®®
Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs über-
nahm die Wehrmacht im September 1939
selbst die Gräberfürsorge. Daraufhin unter-
stellte sich der Volksbund dem Oberkom-
mando der Wehrmacht. Auf diese Weise
suchte er sich wenigstens dem Zugriff der
NSDAP zu entziehen.“
Diese nämlich wollte selbst Einfluß in der
Gräberfürsorge gewinnen. Im August 1940
versuchte die NSDAP, den Volksbund unter
ihre Kontrolle zu bringen.” Zeitweise war
sogar ein Verbot im Gespräch.” Schließlich
wurde 1941 Wilhelm Kreis zum ’Generalbau-
rat für die Gestaltung der deutschen Krieger-
friedhöfe’ ernannt.” Er unterstand direkt
Hitler. Nun lagen die Fragen künstlerischer
Gestaltung in seinen Händen, während sich
das OKW die Bestattung und Erfassung der
Gefallenen und die Korrespondenz mit den
Angehörigen vorbehielt. Dem Volksbund
blieb nur noch die Herausgabe seiner Zeit-
schrift, die Pflege seiner Mitglieder und der
Ausbau einiger Friedhofsanlagen des 1.
Weltkriegs.