Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1983, Jg. 15, H. 67, 68, [69/70], 71, 72)

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Nach dem 2. Weltkrieg setzte der VDK, dessen Chef- 
ırchitekt weiterhin Robert Tischler blieb, seinen faschistischen 
Jtil fort. Die Kriegerfriedhöfe, wie hier in Weeze am Nieder- 
hein, verleugneten die Individualität des einzelnen 
zefallenenen. Hochkreuze symbolisierten die militärischen 
jefehlshaber, Symbolkreuze eine angetretene militärische 
inheit. Die Namen der Gefallenen stehen auf kleinen 
"lättchen, die am Boden liegen und optisch nicht 
ur Geltung kommen. 
Noch nach dem 2. Weltkrieg setzte Tischler den Bau von 
Totenburgen fort. Die berühmtesten Beispiele stehen 
in der nordafrikanischen Wüste bei Tobruk/ Lybien und 
El Alamein/ Ägypten. Beide entstanden in den 50-er 
Jahren. Beim Ehrenmal von El Alamein ist das Vorbild 
der Stauferburg Castel del Monte deutlich, die 
Friedrich II. 1240 in Apulien errichtete. Neben diesem 
Vorbild läßt sich die unmittelbar vorhergehende 
Tradition der Totenburgen bis auf das Ehrenmal von 
Tannenberg zurückverfolgen, das sich seinerseits am jung 
steinzeiltichen Stonehenge orientierte. 
Die nach dem 2. Weltkrieg ausgeführten 
Kriegsgräberstätten folgten bis zu Tischlers 
Tod durchweg dem Konzept von entweder 
Heldenhain oder Totenburg. Bis 1952 küm- 
merte sich der Volksbund um alle Kriegsgrä- 
berstätten im In- und Ausland, danach nur 
noch im Ausland. Ca. 400 Friedhöfe wurden 
nach Tischlers Konzept bis 1952 ausgebaut.“” 
Auf allen stehen die gleichen Symbolkreuze, 
die eine angetretene militärische Einheit 
symbolisieren. Fast überall faßt eine einheit- 
liche Rasendecke die Einheit der darunter 
liegenden Gefallenen zusammen. Deren indi- 
viduelle Kennzeichnung geschieht durch Na- 
mensplatten, die am Boden liegen. In einigen 
Fällen, wie z.B. in Heidelberg, vermied man 
das faschistische Konzept einer Aufmarsch- 
straße und legte statt dessen die Gräber auf 
Segmentbögen an. Im Endeffekt entstand je- 
doch durch eine freigelassene Sichtschneise 
in der Symmetrieachse ein ähnlicher Ein- 
druck wie früher.” Auch die zentralen Eh- 
renmale der Friedhöfe wiederholten Prinzi- 
pien faschistischer Architektur: die zu Dol- 
men gefügten, grob bossierten Findlinge; die 
Weiheräume; die auf Kapitelle verzichtende 
Kombination von Pfeilern und Stürzen; die 
schmiedeeisernen Gitter; die schmalen Ein- 
gänge usw. Neu waren eingestreute christli- 
che Motive und die Orientierung an altdeut- 
scher Architektur in den zentralen Ehrenma- 
len. Noch am Anfang der Fünfziger Jahre 
plante Tischler für eine spätere Zeit die Be- 
seitigung der Einzelgräber. Zur späteren Sta- 
pelung der Gebeine wurden — z.B. in Lom- 
mel, wo fast 40.000 Gefallene ruhen — riesige 
unterirdische Gebeinhäuser gebaut. 
Auch Totenburgen wurden weiterhin er- 
richtet: z.B. in Tobruk (1954-55) und EI Ala- 
mein (1956-59). Ihre Gestaltung läßt sich 
nicht mit dem vom Volksbund vorgebrachten 
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Argument der Pflegeleichtigkeit in einer was- 
serarmen Gegend entschuldigen. Deutlich ist 
das architektonische Vorbild der Anlagen des 
Dritten Reiches. Geblieben sind die Goldmo- 
saiken, die Adler, die trauernden Kamera- 
den, die vorgetäuschte Wehrarchitektur, die 
Feuerschalen, das Pathos der Inschriften 
u.a.m.°” 
Vereinzelt wurden nach dem 2. Weltkrieg 
Anlagen fertiggestellt, die während des Drit- 
ten Reiches begonnen worden waren. Dabei 
änderte man — wie z.B. auf dem Lerchen- 
berg bei Meersburg — das Konzept und streu- 
te christliche Motive ein. 
Erst nach Tischlers Tod 1959 änderte der 
Volksbund sein Gestaltungskonzept. Jetzt 
wurden statt der Symbolkreuze wieder ver- 
stärkt Namenskreuze aufgestellt. Sie trugen 
in der Regel zwischen zwei und acht Namen, 
so daß auch jetzt nicht genau klar ist, wer wo 
ruht. Wo architektonische Ehrenmale ent- 
standen, bevorzugte man Kapellen oder For- 
men, die auf Vorbilder der Zwanziger Jahre 
zurückgehen, z.B. auf dem Futa-Paß. 
Auch jetzt noch ruhen die Gefallenen nach 
militärischen Gesichtspunkten uniform in pa- 
rallelen Reihen und stehen dabei als Tote 
noch stramm, wie sie es als Lebende tun muß- 
ten. Nach wie vor vereint sie eine einheitliche 
Rasendecke. Individueller Grabschmuck ist 
ausdrücklich verboten.” Die Toten bleiben 
über ihren Tod hinaus zwangsweise Soldaten, 
ob sie es wollten oder nicht. Sie kehren nicht 
etwa durch ihren Tod — was ja denkbar wäre 
— ins Zivilleben der Familie zurück. 
Die im Dritten Reich verkündete Mahnung 
des Volksbunds zur Nachfolge der Kriegsop- 
fer wurden nach dem 2. Weltkrieg in eine 
Mahnung zum Frieden umgedeutet. Doch 
blieb es bei diesem werbewirksamen Schlag- 
wort, ohne daß eine Perspektive zur Verwirk- 
lichung des Friedens aufgezeigt würde. Bis 
heute bekennt sich der VDK eindeutig zur 
Bundeswehr, deren Transportfahrzeuge und 
Feldküchen er für seine Jugendlager gut 
brauchen kann und dere Soldaten am Volks- 
trauertag dem VDK kostenlose Straßen- 
sammler stellen. 
Für die Aufrichtigkeit des Volksbunds ge- 
genüber seiner eigenen Geschichte sind Klit- 
terungen aufschlußreich, die sich 1959 genau- 
so finden wie noch 1980. 1959 verdrehte 
Klaus v. Lutzau - damals 2. Bundesgeschäfts- 
führer, aber schon während des Dritten 
Reichs in der Bundesgeschäftsstelle tätig — 
die Haltung des Vereins zum Nationalsozia- 
lismus mit der Tendenz, dieser habe auch zu 
den Verfolgten gehört und sich sauber und 
aufrecht gegen die Gleichschaltung gewehrt. 
Gemäß dem damals modischen Mythos vom 
tapferen deutschen Soldaten soll der VDK 
auf der Seite der Wehrmacht gestanden ha- 
ben — auf die er sich in Wahrheit nur gestellt 
hatte, um dem Zugriff der NSDAP und des 
zuständigen Generalbaurats zu entgehen und 
möglichst seine frühere Machtposition zu ei- 
nem Monopol auszuweiten. Die Ereignisse 
vom Spätjahr 1944 werden einseitig aus dem 
Zusammenhang gerissen, ohne die Vorge- 
schichte zu erwähnen: „Der Volksbund wei- 
gerte sich, drohte mit Selbstauflösung, trieb 
Verzögerungstaktik.”” 
Die gleiche Entstellung der Wahrheit fin- 
det sich noch 1980. Jetzt erging sich Hans Sol- 
tau, Leiter der Abteilung OÖffentlichkeitsar- 
beit, im offiziellen Gedenkbuch des Volks- 
bunds — der derzeitigen Anerkennungsgabe 
für verdiente Mitarbeiter — in Geschichtsklit- 
terung. Nach seiner Darstellung wurde die 
Arbeit des VDK schon bald nach Hitlers 
Machtübernahme ’eingeengt’:‘” Wie jedoch 
die Mitgliederzahlen beweisen, war das Ge- 
genteil der Fall. Auch Soltau riß die Gleich- 
schaltungsbestrebungen der NSDAP-Partei- 
organisationen aus ihren historischen Kon- 
text, um den Volksbund als Verfolgten der 
Nazis mit sauberer Wese davonkommen zu 
lassen. Die Gründe für die Kontrolle des 
VDK werden verschwiegen: nämlich der 
Machtkampf mit dem OKW, dem General- 
baurat und der Partei sowie die Befürchtung 
von Unruhen in der Bevölkerung und der 
Wehrmacht, falls man die Einzelgräber nivel- 
lieren würde. 
In dem erwähnten ’Gedenkbuch’ von 1980 
sind in primitiver Kontrastierung Schwarz- 
weiß-Aufnahmen vom schrecklichen Krieg 
Farbaufnahmen von idyllischen, gepflegten 
Kriegerfriedhöfen und Denkmälern gegen- 
übergestellt. Beim Betrachter soll dadurch 
ein Eindruck von Harmonie und Ordnung 
der Friedhöfe entstehen. Hinter diesem vor- 
grogrammierten Eindruck verbergen sich die 
Verdrängung der Gewalt und des massenhaf-
	        

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