_— .
Nach dem 2. Weltkrieg setzte der VDK, dessen Chef-
ırchitekt weiterhin Robert Tischler blieb, seinen faschistischen
Jtil fort. Die Kriegerfriedhöfe, wie hier in Weeze am Nieder-
hein, verleugneten die Individualität des einzelnen
zefallenenen. Hochkreuze symbolisierten die militärischen
jefehlshaber, Symbolkreuze eine angetretene militärische
inheit. Die Namen der Gefallenen stehen auf kleinen
"lättchen, die am Boden liegen und optisch nicht
ur Geltung kommen.
Noch nach dem 2. Weltkrieg setzte Tischler den Bau von
Totenburgen fort. Die berühmtesten Beispiele stehen
in der nordafrikanischen Wüste bei Tobruk/ Lybien und
El Alamein/ Ägypten. Beide entstanden in den 50-er
Jahren. Beim Ehrenmal von El Alamein ist das Vorbild
der Stauferburg Castel del Monte deutlich, die
Friedrich II. 1240 in Apulien errichtete. Neben diesem
Vorbild läßt sich die unmittelbar vorhergehende
Tradition der Totenburgen bis auf das Ehrenmal von
Tannenberg zurückverfolgen, das sich seinerseits am jung
steinzeiltichen Stonehenge orientierte.
Die nach dem 2. Weltkrieg ausgeführten
Kriegsgräberstätten folgten bis zu Tischlers
Tod durchweg dem Konzept von entweder
Heldenhain oder Totenburg. Bis 1952 küm-
merte sich der Volksbund um alle Kriegsgrä-
berstätten im In- und Ausland, danach nur
noch im Ausland. Ca. 400 Friedhöfe wurden
nach Tischlers Konzept bis 1952 ausgebaut.“”
Auf allen stehen die gleichen Symbolkreuze,
die eine angetretene militärische Einheit
symbolisieren. Fast überall faßt eine einheit-
liche Rasendecke die Einheit der darunter
liegenden Gefallenen zusammen. Deren indi-
viduelle Kennzeichnung geschieht durch Na-
mensplatten, die am Boden liegen. In einigen
Fällen, wie z.B. in Heidelberg, vermied man
das faschistische Konzept einer Aufmarsch-
straße und legte statt dessen die Gräber auf
Segmentbögen an. Im Endeffekt entstand je-
doch durch eine freigelassene Sichtschneise
in der Symmetrieachse ein ähnlicher Ein-
druck wie früher.” Auch die zentralen Eh-
renmale der Friedhöfe wiederholten Prinzi-
pien faschistischer Architektur: die zu Dol-
men gefügten, grob bossierten Findlinge; die
Weiheräume; die auf Kapitelle verzichtende
Kombination von Pfeilern und Stürzen; die
schmiedeeisernen Gitter; die schmalen Ein-
gänge usw. Neu waren eingestreute christli-
che Motive und die Orientierung an altdeut-
scher Architektur in den zentralen Ehrenma-
len. Noch am Anfang der Fünfziger Jahre
plante Tischler für eine spätere Zeit die Be-
seitigung der Einzelgräber. Zur späteren Sta-
pelung der Gebeine wurden — z.B. in Lom-
mel, wo fast 40.000 Gefallene ruhen — riesige
unterirdische Gebeinhäuser gebaut.
Auch Totenburgen wurden weiterhin er-
richtet: z.B. in Tobruk (1954-55) und EI Ala-
mein (1956-59). Ihre Gestaltung läßt sich
nicht mit dem vom Volksbund vorgebrachten
-.
vn
Argument der Pflegeleichtigkeit in einer was-
serarmen Gegend entschuldigen. Deutlich ist
das architektonische Vorbild der Anlagen des
Dritten Reiches. Geblieben sind die Goldmo-
saiken, die Adler, die trauernden Kamera-
den, die vorgetäuschte Wehrarchitektur, die
Feuerschalen, das Pathos der Inschriften
u.a.m.°”
Vereinzelt wurden nach dem 2. Weltkrieg
Anlagen fertiggestellt, die während des Drit-
ten Reiches begonnen worden waren. Dabei
änderte man — wie z.B. auf dem Lerchen-
berg bei Meersburg — das Konzept und streu-
te christliche Motive ein.
Erst nach Tischlers Tod 1959 änderte der
Volksbund sein Gestaltungskonzept. Jetzt
wurden statt der Symbolkreuze wieder ver-
stärkt Namenskreuze aufgestellt. Sie trugen
in der Regel zwischen zwei und acht Namen,
so daß auch jetzt nicht genau klar ist, wer wo
ruht. Wo architektonische Ehrenmale ent-
standen, bevorzugte man Kapellen oder For-
men, die auf Vorbilder der Zwanziger Jahre
zurückgehen, z.B. auf dem Futa-Paß.
Auch jetzt noch ruhen die Gefallenen nach
militärischen Gesichtspunkten uniform in pa-
rallelen Reihen und stehen dabei als Tote
noch stramm, wie sie es als Lebende tun muß-
ten. Nach wie vor vereint sie eine einheitliche
Rasendecke. Individueller Grabschmuck ist
ausdrücklich verboten.” Die Toten bleiben
über ihren Tod hinaus zwangsweise Soldaten,
ob sie es wollten oder nicht. Sie kehren nicht
etwa durch ihren Tod — was ja denkbar wäre
— ins Zivilleben der Familie zurück.
Die im Dritten Reich verkündete Mahnung
des Volksbunds zur Nachfolge der Kriegsop-
fer wurden nach dem 2. Weltkrieg in eine
Mahnung zum Frieden umgedeutet. Doch
blieb es bei diesem werbewirksamen Schlag-
wort, ohne daß eine Perspektive zur Verwirk-
lichung des Friedens aufgezeigt würde. Bis
heute bekennt sich der VDK eindeutig zur
Bundeswehr, deren Transportfahrzeuge und
Feldküchen er für seine Jugendlager gut
brauchen kann und dere Soldaten am Volks-
trauertag dem VDK kostenlose Straßen-
sammler stellen.
Für die Aufrichtigkeit des Volksbunds ge-
genüber seiner eigenen Geschichte sind Klit-
terungen aufschlußreich, die sich 1959 genau-
so finden wie noch 1980. 1959 verdrehte
Klaus v. Lutzau - damals 2. Bundesgeschäfts-
führer, aber schon während des Dritten
Reichs in der Bundesgeschäftsstelle tätig —
die Haltung des Vereins zum Nationalsozia-
lismus mit der Tendenz, dieser habe auch zu
den Verfolgten gehört und sich sauber und
aufrecht gegen die Gleichschaltung gewehrt.
Gemäß dem damals modischen Mythos vom
tapferen deutschen Soldaten soll der VDK
auf der Seite der Wehrmacht gestanden ha-
ben — auf die er sich in Wahrheit nur gestellt
hatte, um dem Zugriff der NSDAP und des
zuständigen Generalbaurats zu entgehen und
möglichst seine frühere Machtposition zu ei-
nem Monopol auszuweiten. Die Ereignisse
vom Spätjahr 1944 werden einseitig aus dem
Zusammenhang gerissen, ohne die Vorge-
schichte zu erwähnen: „Der Volksbund wei-
gerte sich, drohte mit Selbstauflösung, trieb
Verzögerungstaktik.””
Die gleiche Entstellung der Wahrheit fin-
det sich noch 1980. Jetzt erging sich Hans Sol-
tau, Leiter der Abteilung OÖffentlichkeitsar-
beit, im offiziellen Gedenkbuch des Volks-
bunds — der derzeitigen Anerkennungsgabe
für verdiente Mitarbeiter — in Geschichtsklit-
terung. Nach seiner Darstellung wurde die
Arbeit des VDK schon bald nach Hitlers
Machtübernahme ’eingeengt’:‘” Wie jedoch
die Mitgliederzahlen beweisen, war das Ge-
genteil der Fall. Auch Soltau riß die Gleich-
schaltungsbestrebungen der NSDAP-Partei-
organisationen aus ihren historischen Kon-
text, um den Volksbund als Verfolgten der
Nazis mit sauberer Wese davonkommen zu
lassen. Die Gründe für die Kontrolle des
VDK werden verschwiegen: nämlich der
Machtkampf mit dem OKW, dem General-
baurat und der Partei sowie die Befürchtung
von Unruhen in der Bevölkerung und der
Wehrmacht, falls man die Einzelgräber nivel-
lieren würde.
In dem erwähnten ’Gedenkbuch’ von 1980
sind in primitiver Kontrastierung Schwarz-
weiß-Aufnahmen vom schrecklichen Krieg
Farbaufnahmen von idyllischen, gepflegten
Kriegerfriedhöfen und Denkmälern gegen-
übergestellt. Beim Betrachter soll dadurch
ein Eindruck von Harmonie und Ordnung
der Friedhöfe entstehen. Hinter diesem vor-
grogrammierten Eindruck verbergen sich die
Verdrängung der Gewalt und des massenhaf-