Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1983, Jg. 15, H. 67, 68, [69/70], 71, 72)

Das da hätt einmal fast die Welt regiert 
Die Völker wurden seiner Herr. Jedoch 
Ich wollte, daß ihr nicht schon triumphiert: 
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. 
Bert Brecht, Kriegsfibel 
Über Aufgabe und Rollenfunktion der Ar- 
chitektur im Nationalsozialismus ist in der 
kritischen Baugeschichte der letzten Jahre 
vielfach reflektiert worden. Ihr war in der fa- 
schistischen Kunstproduktion, als öffentlich- 
ste aller Künste ein herausragender Stellen- 
wert zugewiesen. Die ihr zugedachte gesell- 
schaftliche Funktion war dabei neben deren 
ökonomischer Bedingtheit vorallem Herr- 
schaftstechnisch determiniert. Ihre Allgegen- 
wärtigkeit machte sie zu einem der propagan- 
distisch wirksamsten Instrumente faschisti- 
scher Massenmanipulation. Als Kulisse des 
öffentlichen Raumes schuf sie den ordnenden 
Rahmen, der zur permanenten Macht- und 
herrschaftsinszenierung notwendig war. Sie 
bildete das dialektische Pendant zu den ange- 
tretenen Marschblöcken, war die leibhaftige 
Erfahrung der Autorität des faschistischen 
Systems. Ihre totale Indienstnahme als 
machtpolitisches Instrument stand dabei öko- 
nomisch in direkter Austauschbeziehung zur 
Rüstungsindustrie und leitete in ihrer Verlän- 
gerung letztlich zum Krieg über. Im zweiten 
Vierjahresplan,, der die faktische Mobilma- 
chung bedeutete, nahm demzufolge neben 
der Rüstungsindustrie die Bauindustrie eine 
Schlüsselstellung ein. Das Bauen hatte im 
Rahmen der damit verbundenen Politik der 
Staatsverschuldung hohen Anteil an der Vor- 
bereitung des Krieges und war inhaltlich 
nicht von ihm zu trennen. Die Zielsetzung 
der auf Expansion abzielenden agressiven 
Außenpolitik spiegelte sich in der Program- 
matik der damit einhergehenden Architek- 
turplanungen. Sie vermittelten, gleichsam im 
Vorgriff auf ihre kriegerische Realisierung, 
die imperiale Perspektive der angestrebten 
Weltherrschaft. 
Eines der zynischsten Kapitel der Archi- 
tekturproduktion des Nationalsozialismus 
sind in diesem Zusammenhang die Planungen 
der sogenannten ’Totenburgen’. sie sind un- 
mittelbarer Ausdruck der Dialektik von Ar- 
chitektur und Krieg, sind im wahrsten Sinne 
des Wortes Dekorationen der Gewalt. Die 
systematische Projektierung dieser monströ- 
sen ’Ehrenmäler’ begann im Jahre 1941 und 
ging einher mit den anfänglichen Kriegserfol- 
gen. Wie ein Gürtel sollten sie sich um die be- 
reits eroberten bzw. noch zu unterwerfenden 
Territorien legen und das Imperium des 
'Großdeutschen Reiches’ abstecken. Pro- 
grammatisch waren die ”Totenburgen’ damit 
Grenzsteine und Heldenmäler zugleich. Als 
„Warnung und Mahnung” waren sie gedacht, 
die an „die Opferbereitschaft und den Blut- 
zoll” der deutschen Soldaten erinnern soll- 
ten, welche das ’Neue Reich’ heldenhaft er- 
kämpften. Den eroberten Machtbereich des 
deutschen Faschismus galt es mit ihnen sicht- 
bar zu kennzeichnen und zu umreißen. 
Um dieses ’Ehrenmäler’-Programm in ei- 
ner der nationalsozialistischen Ideologie ge- 
mäßen ästhetischen Sprache umzusetzen, 
wurde der Architekt Wilhelm Kreis zum ’Ge- 
neralbaurat für die Gestaltung der deutschen 
Kriegerfriedhöfe’ ernannt und mit der Pla- 
nung und Durchführung beauftragt. Kreis 
(1873-1955) empfahl sich als Spezialist für 
Denkmäler, dessen monumentale Architek- 
tur zugleich namentlich für die Kontinuität 
eines ästhetischen _Selbstverständnisses 
stand, welches um 1910 an der Schwelle des 
Ersten Weltkrieges entwickelt, sich nahtlos in 
das sogenannte "Dritte Reich’ vermittelte und 
dort seine Vorbildfunktion behielt. In diesem 
Zusammenhang avancierte er zu einem der 
Protagonisten der ’Neuen Deutschen Bau- 
kunst’ und erlebte während des ”Tausendjäh- 
rigen Reiches’ eine beispiellose Auftragsfol- 
Wolfgang Schäche 
Die ’Totenburgen’ des 
Nationalsozialismus 
ge im Staats- und Repräsentationsbau. Ohne- 
hin steht eine explizite Aufarbeitung dieser 
obskuren Architektenkarriere noch aus, die 
sich mit gleichbleibendem Erfolg sowohl dem 
deutschen Kaiserreich, der Weimarer Repu- 
blik und dem Nationalsozialismus als auch 
dem bundesrepublikanischen Deutschland 
andiente. Vor allem seine ab 1899 konzipier- 
ten Bismarcktürme sowie sein erster Preis im 
Wettbewerb um das Völkerschlachtdenkmal 
in Leipzig (1895) waren es, die ihn schon mit 
jungen Jahren zu einem der gefragtesten 
(Denkmals-) Architekten werden ließen. Die- 
se Arbeiten sowie die Entwürfe für das Bis- 
marck-Nationaldenkmal bei Bingen (1911, in 
der Weiterbearbeitung: 1928-32) und der 
preisgekrönte Wettbewerbsentwurf für ein 
Reichsehrenmal in Berka (1931) sind es auch, 
welche „...in ihm die letzten großen Wirkun- 
gen (bereits vorwegnehmen), die der reife 
Künstler in den Entwürfen für die Soldaten- 
male des Zweiten Weltkrieges erreicht” ”, 
wie sein NS-Biograph Hans Stephan 1943 
ausführte. Und so war es naheliegend, daß er 
mit seiner Affinität zum Totenkult schon bald 
nach 1933 erste Aufträge erhielt, bei denen er 
sein Talent für pathetische Heldenverklärun- 
gen und monumentale Posen einsetzen konn- 
te. Freilich zunächst noch für die Lebenden, 
baute er zwischen 1935 und 1938 das Luftgau- 
kommando Dresden. In dieser Welt des Mili- 
tärs, der Verherrlichung des Krieges und des- 
sen Heroisierung sollten seine kommenden 
Aufträge auch vornehmlich bleiben. Im Rah- 
men der ’Neugestaltungsmaßnahmen für die 
Reichshauptstadt Berlin’ war dann der Auf- 
trag für den Bau des ’Oberkommandos des 
Heeres’ sowie damit verbunden der ’gewalti- 
gen Soldatenhalle’ an der Nord-Süd-Achse 
1937/38 von herausragender Bedeutung. Sie 
war thematisch und inhaltlich mit den späte- 
ren ’Totenburgen’ untrennbar verknüpft. 
Soldatenhalle, Berlin (W.Kreis, 1938). Innenraum 
Federzeichnung 
„Die Soldatenhalle, die dereinst in der Hauptstadt des 
Großdeutschen Reiches entstehen soll, (ist) der Gegenpol 
zu allen Soldatenmälern, die im frisch erkämpften Lebens- 
raum die Wache halten werden. Ihre Pfeilerfront gemahnt, 
obschon in eigener Sprache, an das Erbe des Abendlandes. 
Ihr riesiges Tonnengewölbe im Innern mit dem durch die 
hohe Pfeilerfront hereinflutenden Licht spricht mehr von 
dem Gelübde der Lebenden als von dem Vermächtnis der 
Toten. Nur wenn man hinabsteigt in die Gruft der Toten, 
die sich als Krypta unterhalb der ganzen Halle erstreckt, 
findet man in den gewaltigen, lastenden Gewölben densel- 
ben Geist mahnend durch den Raum ziehen... So werden 
auch hier in der Reichshauptstadt die Opfer, die für Hei- 
mat, Eigenart und Lebensraum gebracht wurden, an der 
sich deutsche Menschen der Grenzen ihres irdischen Le- 
bens bewußt werden, eine Stätte der Ehrfurcht, der Mah- 
nung und Verehrung, und somit eine durch Sinn und 
Brauch geheiligte Weihestätte, ein neuer wahrer deutscher 
Dom, geboren aus dem Opfer aller, die ihr Liebstes gaben. 
damit das Zukünftige lebe 7”? 
Triumphbogen, Berlin (A. Speer) 
Madallnananinkes Dacnsımama 1047 
Im Gegensatz zur bisherigen Geschichte der 
Kriegerehrungen, die eine lange Tradition 
hat, welche bis in die Antike zurückreicht, 
war mit der ’Soldatenhalle’ erstmals eine 
neue Qualität formuliert. Hatte man in der 
l’)
	        

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