Der Titel verspricht mehr, als ich in dem kur-
zen Beitrag zu halten vermag; es wäre sicher-
lich nicht abwegig, vom Autor eine Eröterung
über die wirtschaftspolitischen Vorausset-
zungen ökologischen Bauens und Wohnens
etwa zu verlangen, daß er nach einer Skiz-
zierung der wesentlichen Elemente einer öko-
logischen Wirtschaftspolitik daranginge, die
wirtschaftspolitischen Instrumente und Maß-
nahmen im einzelnen zu begründen und ihre
Auswirkungen auf den Bausektor und Wohn-
formen im einzelnen zu erörtern. Ich will es je-
doch dem Leser überlassen, die Verbindungs-
linien zwischen ökologischer Wirtschaftspoli-
tik und ökoligischem Bauen und Wohnen im
großen und ganzen selbst zu ziehen und mich
darauf beschränken, die wesentlichen Elemen-
te einer ökologischen Wirtschaftspolitik zu
skizzieren. Diese Skizze ist ein erster, unab-
dingbarer Schritt für eine umfassendere Er-
Öörterung des Themas, nicht mehr und nicht
weniger. So sehr beide Themengebiete jeweils
für sich genommen sich größter Aufmerksam-
keit erfreuen, so fehlen doch gründlichere
Analysen der Interdependenzen zwischen
ökologischer Wirtschaftspolitik einerseits,
ökologischem Bauen und Wohnen anderer-
seits. Es ist ja nicht einmal hinreichend klar,
durch welche Merkmale Bauen, Wohnen und
Wirtschaften sich eindeutig als ökologisch
auszeichnen. In beiden Fällen, so scheint es,
rückt die ökologische Idee nur zu oft in die
Rolle eines Wundermittels, das die Befreiung
von den Fehlern der Vergangenheit und einen
Ausweg aus all den Problemen, in welche die
bisherige Bau-, Wohnungs- und Wirtschafts-
politik geführt hat, verspricht. Wenn ich im
folgenden versuche, die Grundpositionen
einer ökologischen Alternative in der Wirt-
schaftspolitik (genauer: der Arbeitsmarktpo-
litik) aufzuzeigen, dann weiß ich sehr wohl,
daß schon die Wortverbindung: „ökologische
Alternative“ eher eine sprachliche Verlegen-
heit zum Ausdruck bringt, denn eine präzise
Bezeichnung für eine „neue“ Ausrichung der
Wirtschaftspolitik. Aus der Natur lassen sich
keine Richtlinien für die Politik gewinnen und
Naturerhaltung ist in mehr als einer gesell-
schaftlichen Form möglich. Die Erhaltung der
Vielfalt der Arten ist eine kulturelle Norm und
oft gehörte Vorstellung wie „Kreislaufwirt-
schaft“, „natürliches Gleichgewicht“ sind teils
sehr problematisch, teils sagen sie nichts
Gehaltvolles über die konkrete Organisation
des Wirtschaftslebens aus.
Ich werde mich der so eingegrenzten
Aufgabe, die Grundpositionen einer ökolo-
gischen Alternative der Wirtschafts- und Ar-
beitsmarktpolitik anzugeben, in vier Schrit-
ten entledigen:
Erstens möchte ich klarlegen, wozu die ökolo-
gische Alternative eine Alternative ist; zwei-
tens möchte ich verdeutlichen, worin die we-
sentlichen wirtschaftspolitischen Elemente
einer ökologischen Alternative bestehen; drit-
tens möchte ich präzisieren, worin die ökolo-
gische Alternative ökologisch ist; und viertens
schließlich möchte ich in ein paar Worten
deutlich machen, durch welche programmati-
schen Grundzüge die geschilderte Alternative
alternativ ist.
Zunächst einmal beanspruchen ökologische
Positionen, eine Antwort auf die Wachstums-
krise der industriell-kapitalistischen Gesell-
schaften zu geben. Bezogen auf die Arbeits-
und Berufswelt enthält diese Krise drei Aspek-
te: einen Mangel an Arbeitsgelegenheiten, das
Scheitern der Vollbeschäftigungspolitik und
der zunehmende Verlust des Sinns der Arbeit.
Joachim Berger
Wirtschaftspolitische
Voraussetzungen
ökologischen Bauens und
Wohnens
Der Mangel an Arbeitsgelegenheiten betrifft
das ökonomische System der Gesellschaft, das
Scheitern politischer Anstrengungen, Vollbe-
schäftigung herzustellen, ‘| das politische
System und die Bedrohung des Sinns der Ar-
beit durch ein Angebot von Arbeitsplätzen,
auf denen entweder die Ausübung beruflichen
Könnens verunmöglicht wird oder die in Pro-
duktionszweigen lokalisiert sind, deren ge-
sellschaftlicher Sinn umstritten ist, betrifft das
kulturelle System der Gesellschaft. In einer
Formel zusammengefaßt: Arbeitsgelegenhei-
ten werden zunehmend knapper, Wachstums-
politiken vermögen diese Knappheit nicht
mehr aufzufangen (sie steigern sie eventuell
nur noch) und fortdauernde Rationalisierung
sowie die Abtrennung der Arbeitenden von
einer Einflußnahme auf das Produkt ihrer
Arbeit stellt den Sinn dieser Arbeit (Selbstver-
wirklichung im Beruf) auf den verbleibenden
Arbeitsplätzen in Frage.
Anhaltende und noch weiter ansteigende
Massenarbeitslosigkeit, Stagnation und in
einem Wandel der Arbeitswerte sich ausdrük-
kende Zweifel am Sinn der Arbeit bezeugen,
daß die Grundlagen der Wachstumsgesell-
schaften der Nachkriegszeit sich in einer tie-
fen Krise befinden, welche die konjunkturelle
Dynamik aneinander ablösender Auf-
schwungsphasen übersteigt. Krisen, verstan-
den als Herausforderung und Infragestellung
der institutionellen Struktur einer Gesell-
schaftsordnung, sind Phasen beschleunigten
und verdichteten sozialen Wandels. Die west-
lichen Industriegesellschaften befinden sich
heute in einer solchen Phase krisenhaften
sozialen Wandels, die entweder auf ein neues
Stadium der kapitalistischen Entwicklung
hindeutet, dessen tragendes Muster noch un-
gewiß ist, oder sogar auf einen säkularen
Bruch, bei dem mehr auf dem Spiel steht als
die Ablösung eines alten und die Einleitung
eines neuen Stadiums der kapitalistischen
Entwicklung. Gleich ob die gegenwärtige
Krise in einen säkularen Rahmen gestellt oder
im Rahmen einer Theorie der Stadien der
kapitalistischen Entwicklung analysiert wird,
auf politischer Ebene zeichnen sich heute vier
Antworten auf die Herausforderung durch die
ökonomische, politische und kulturelle Krise
ab: eine marktwirtschaftliche, eine etatisti-
sche, eine korporativistische und ökologische.
Welche Richtung oder welcher Mix von Rich-
tungen des Umbaus der institutionellen
Struktur sich durchsetzt, läßt sich heute nicht
mit Sicherheit sagen. Am wahrscheinlichsten
erscheint mir eine Spielart des korporativisti-
schen Umbaus der Gesellschaft, mit Abstand
am unwahrscheinlichsten die ökologische
Restrukturierung, Ich gebe im folgenden nur
knappe, nur die Okonemie betreffende Stich-
worte zu den einzelnen Restrukturierungs-
richtungen, um zu verdeutlichen, mit welchen
politischen Strategien eine ökologische Alter-
native konkurriert.
a) Die marktwirtschaftliche Lösung: die kri-
senanalytischen Stichworte lauten: Ressour-
cenüberlastung durch Auseinanderklaffen
von Anspruchsmentalität und wirtschaftli-
chen Möglichkeiten, Kostenüberlastung der
privaten Wirtschaft, Einschnürung privater
Entscheidungsmöglichkeiten. Der Ausweg
soll liegen in Kostenentlastung und dadurch
herbeigeführter Verbesserung der Ertragslage
der Unternehmen, De-Regulierung der Öko-
nomie, „vertrauensbildende Maßnahmen“ im
Rahmen einer „angebotsorientierten“ Politik,
insgesamt also einer Befreiung des Marktes
vom Alpdruck aus Gewerkschaftsmacht und
staatlicher Einmischung („die Wirtschaft muß
wieder durchatmen können“).
b) Die sozialdemokratisch-etatistische Lö-
sung der Krise .durch mehr Verstaatlichung.
Da die Ursache der wirtschaftlichen Krise im
Marktversagen liegt und nicht bei der Ein-
schränkung der Marktwirtschaft durch staat-
liche Regulierung, kann ihre Überwindung
auch nicht in einer gesteigerten Privatisierung,
sondern nur umgekehrt in der Richtung der
Verstaatlichung gesucht werden. Investitions-
lenkung, Verstaatlichung von Schlüsselin-
dustrien, Wirtschaftsplanung etc. lauten hier
die die Richtung der Restrukturierung anzei-
genden Stichworte. Vertreten wird ein solches
Programm von „traditionssozialistischen“
Kräften in der SPD und den Gewerkschaften,
der Memorandumsgruppe, orthodoxen Kom-
munisten etc.
c) Die neo-korporativistische Lösung. Weder
durch mehr Markt noch durch mehr Staat
allein, sondern durch die Beteiligung „inter-
mediärer“ Organisationen wie der großen Ver-
bände des Arbeitsmarktes kann der durch den
Ölpreisschock, Verwerfungen der internatio-
nalen Weltwirtschaft etc. bedingte Struktur-
wandel der Wirtschaft bewältigt werden. Die
fetten Jahre sind vorüber. Im „Modell
Deutschland“ sollen die kommenden mageren
Jahre durch eine politisch in Kauf genomme-
ne und kontrollierte Spaltung durchstanden
werden. Der Kern der Wirtschaftspolitik be-
steht darin, die Weltmarktposition des west-
deutschen Kapitals zu stärken. Aber nicht alle
Teile der Volkswirtschaft können sich in der
harten Weltmarktkonkurrenz behaupten. Der
möglicherweise aufkeimende Protest der
herausgedrängten Arbeitnehmergruppen soll
einerseits durch sozialstaatliche Leistungen
abgefangen werden oder durch das Angebot
von Alternativrollen in Familie und Haushalt,
erweiterten Bildungsphasen, vorgezogenen
Altersruhephasen etc. unschädlich gemacht
du: