1 942 im vierten Kriegsjahr erschien die
erste Baufibel, auch „ABC der einfachen
Bauformen und Baukonstruktionen”
genannt, für die Hauslandschaft Oberpfalz.
Herausgegeben wurde sie vom Arbeitskreis
Baugestaltung in der Fachgruppe Bauwesen
des Nationalsozialistischen Bundes Deut-
scher Technik (NSBDT) — er war 1938 von
Fritz Todt als angeschlossener Verband der
NSDAP gegründet worden; in ihm waren
praktisch alle Architekten zusammenge-
schlossen —, der Arbeitsgemeinschaft „Hei-
mat und Haus” und dem Bayerischen Hei-
matbund. Während des Baustopps für alle
nicht Kkriegswichtigen Bauten erarbeitet,
sollte sie Richtlinien geben für das gewaltige
Bauschaffen nach dem Kriege: „Alle berufe-
nen Kräfte müssen also in dieser ... Atem-
pause vereint, einschneidende Maßnahmen
vorbereiten. Andernfalls schlägt die Riesen-
welle eines Werkschaffens über uns zusam-
men, das einen neuen vernichtenden
Schlamm der ebenso schlechten Durch-
schnittsleistung wie bisher über unseren
schon genug mißhandelten Heimatraum
ergießt.””
Angestrebt wurde eine anständige innere
und äußere Baugesinnung, die sich in „land-
schaftsgebundenem und handwerksgerechten
Schaffen, frei von engem Spezialistentum
kundtut.”?
Diese erste Baufibel wurde von Karl Erd-
mannsdorffer bearbeitet. Er war lange in der
Bauberatung des Bayerischen Landesvereins
für Heimatschutz leitend tätig und hatte zu
diesem Zweck eine Reihe von Werkblättern
erstellt, die er Ende der 30er Jahre in überar-
beiteter Fassung als „Bauberater für Siedlung
und Eigenheim. Die Baugestaltung” heraus-
gab.
In dem grau hervorgehobenen Kerngebiet der
Oberpfalz hat eindeutig die Oberpfälzer Bauweise
Geltung, wie sie in dieser Baufibel beschrieben ist.
in den mit grauer Schraffur versehenen Übergangs:
zonen herrscht diese Bauweise zwar vor, doch machen
) sich dort daneben auch stärkere Einflüsse der
jeweils benachbarten Hauslandschaften bemerkbar.
Die weiß gelasssenen Randgebiete der Oberpfalz
gehören dagegen mit geringen örtlichen Ausnahmen
zu den Nachbarlandschaften
Das landschaftsgebundene Bauen
Mit der Herausgabe von Baufibeln hoffte
man, „ein wertvolles Rüstzeug für die Aufga-
ben des Alltags, für die Erziehung des Fach-
Nachwuchses und zur Ausrichtung der Laien-
schaft zu gewinnen”.” Das in Wort und Bild
so einfach und sachlich wie möglich darge-
stellte ABC der Baugestaltung sollte inhalt-
lich abgeleitet sein aus den Besonderheiten
und charakteristischen Erscheinungsformen
der verschiedenen Hauslandschaften, deren
spezifische Merkmale einführend gekenn-
zeichnet wurden. Die Elemente des ”land-
schafts- oder heimatgebundenen Bauens’
wurden dabei definiert durch die Bindungen
der natürlich-landschaftlichen Gegebenhei-
ten: Klima, Baustoffe und topografische
Situation, Wohnsitten, soziale Verhältnisse,
Bauformen”. Ausdrücklich wurde an Haus-
formen aus der Zeit vor 1850 angeknüpft, ehe
die „Landflucht zur Zeit der Industrieent-
wicklung ... einsetzte und zur Entwurzelung
großer Menschenmassen führte und diese
gesunde Bauentwicklung jäh unterbrach ...
Die Geschmacksverirrung (hatte) das Haus
und seine Einzelheiten ... und selbst die
Möbel und kleinsten Gebrauchsgegen-
stände”” ergriffen, so daß „in den bewußten
6 bis 7 Jahrzehnten jede Tradition so gut wie
völlig vernichtet”® wurde, Diese „abgeris-
Sid Auffarth
Baufibeln
oder die Stabilisierung
der „Inneren Front”
Eine Übersicht
sene Kette einer gesunden Entwicklung wie-
der zu flicken, das Bindeglied einzufügen zur
Weiterarbeit für die Aufgaben der Zukunft
ist nun Aufgabe und Zweck der Baufibel””.
Genauso hatte schon zu Beginn des Jahrhun-
derts Paul Schultze-Naumburg für den Bund
Heimatschutz argumentiert und einen
Zusammenhang von Heimatschutz und Bie-
dermeierstil hergestellt.
Die Baufibeln betreffen nicht die „großen
Denkmale der Baukunst ... Diese werden als
höchste Spitzenleistungen einer Zeit nur ent-
stehen können, wenn eine allgemeine Bau-
kultur vorhanden ist, die sich im selben
Grade bei jeder anderen, auch der unschein-
barsten Bauaufgabe äußert”®”. Es geht dabei
um die Werke des Alltags, schrieb Paul
Schmitthenner: „Solange nicht der Durch-
schnitt besser wird, nützt die beste Einzellei-
stung nichts, die nur Höchstleistung werden
kann, wenn sie nicht durch schlechtes Mittel-
maß erdrückt und geschädigt wird””.
Äußere Ordnung
Der Aufbau der Baufibeln war einheitlich
bestimmt worden. Auf der Grundlage einer
qualifizierten Beschreibung der Hausland-
schaft mit Untergruppen und Sondergebie-
ten, Baustoffvorkommen und Ausarbeitung
einer Karte sollte der Haustyp vorgestellt
werden mit Grundrissen, Abmessungen,
Dachneigungen, Baustoffen und durch cha-
rakteristische Beispiele erläutert. Daran
schloß sich eine reich bebilderte Darstellung
einzelner Elemente des Hauses und des
nahen Umfelds an, in der landschaftstypische
Beispiele „wohlanständiger Baugestaltung”
den häßlichen, unerwünschten gegenüberge-
stellt sind — in der wirkungsvollen, wenig dif-
ferenzierenden Methode, die zum erstenmal
von P. Schultze-Naumburg in seinen Aufsät-
zen über Kulturarbeiten im ’Kunstwart’ ab
1900 angewandt wurde.
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