Bernhard Strecker
Grün
ist
die
Heide
E iner der wirklich regionalen Baumeister
ist für mich Gaudi. Er war von tiefer
Begeisterung für den kulturellen Raum, in
dem er lebte, erfüllt und träumte von einer
geistigen und sehr sinnlichen Antwort im
menschlichen Bauen auf den Charakter seiner
Region. Er war und blieb in dieser Land-
schaft buchstäblich verwurzelt, lebte und
arbeitete an diesem einen Ort - ähnlich wie
Cezanne, der seinen Berg ein Leben lang auf
der Leinwand zu erfassen suchte. Gaudi
erträumte eine mittelmeerische Gotik, gebo-
ren aus dem Licht, dem Äther dieser Region
und aus den Pflanzen und Gesteinen dieses
Küstenstreifens Barcelona, und er war nicht
allein in dieser Mission. Seine Handwerker
und wilden Ingenieure wurden von der
gleichen Idee getrieben, waren Vagabunden
der Berge, Tänzer und Sänger des örtlichen
Kultraumes und Kosmopoliten zugleich.
Wind, Sand und Sterne - regionales Bauen
und kosmopolitisches Denken können gute
Brüder sein. Weit spannt sich das Firmament
über dem Plateau im Park Güell, nun heute
allzu oft eingehüllt in den Dunst und Smog
der Großstadt.
Können wir nicht auch wie Gaudi und seine
Barden Heimat-Mutter-Erde singen, sagen?
Rühren nicht jeden bestimmte Landstriche
bis tief ins Innerste an? Kulturlandschaften ...
in die eine gehöre ich, will selbst zum
Bestandteil ihrer Bestimmung werden? Ich
z.B. begreife und verwirkliche mich im
nördlichen friesischen Küstenraum. Die
Visionen sind holzlattig, hüftig und durch-
tränkt von sprödem Protestantismus, auf der
Suche nach einer sensibel ostfriesischen
Mischung mit einem Hauch südlicher Sehn-
sucht unterm weiten nördlichen Himmel
(Projekte Atelier Kuckei - Strecker). Ist nicht
im Norden der Schatten Bote des Lichtes?
Durch die Schatten kommt das Licht selbst
zur Geltung, wir wollen sie gewissermaßen als
Träger des Lichtes. Am Beispiel von Farbe
und Licht läßt sich unsere Verhaltensweise
erläutern. Wir suchen nach Einbindung in die
vorhandene Natur- und Kulturlandschaft
und finden sie u.a. im Verhältnis von
Farbgebung zu Farbträger und im Umgang
mit dem Licht. Wir malen mit dem Material
und zeichnen mit dem Schatten. Schwarz und
Weiß bilden Zeichen und Verstärker. Im
holländisch friesischen Bauen hat das Weiß
eine Bedeutung wie das Weiß der Zähne, des
Augapfels im menschlichen Gesicht. Es sind
nicht Flächen und zusammenhängende Kör-
per in Weiß, sondern empfindliche Zonen,
Merkmale ... weiß hervorgehoben. Das Weiß
bedeutet das Frische, das Geputzte. Im
Frühjahr wird an einigen Punkten weiß
lackiert, und das Gebäude ist wieder frisch.
Der farbige Reichtum der Materialien selbst
liegt vor allem ım ständigen Wechsel des
Lichtes und der Atmosphäre. Farbe und
Material sind eins. Bei Regen dunkelt der
sonst trocken mürbe zinnoberrote Ton der
Pfannen ins Violett. Beim Abendrot erglüht
die schwärzliche Bretterwand in goldenem
Schimmer, im fahlen Nebellicht dünsten die
Reitdächer dunklen, nußbraunen Klang. Das
Sinnliche, Lebendige der Materialien, ihre
Modulation und Veränderung in Licht und
Luftfeuchtigkeit bewirken die Verschmel-
zung der Architektur mit der Landschaft und
Natur.
Solche und ähnliche Beschreibungen wer-
den mir heute gerne abgenommen. Regional
formal zu argumentieren, ist guter Ton. Der
politische Markt und der Baumarkt verein-
nahmen, verwerten schon wieder, und
schwarzbraun ist die Haselnuß ... dächelnd,
giebelnd, fensterInd wird Regionalismus zur
neuen Tarnkappe.
An der Niederelbe findet man Gehöfte, die
sind über und über bemalt - wie mit Sommer-
sprossen - mit weißen runden Tupfen. Diese
Tupfen ziehen sich frei über die Holzkon-
struktion und die Gefache - tanzend wie
Schneeflocken oder ... wie „Blütenblätter“?
Dieses Bild enthält viel von dem, was es über
regionales Bauen zu sagen gibt. Im Alten
Land hinter den Elbdeichen leben die Bauern
vom Glück weniger Tage der Apfel- und
Kirschblüte. Ihre Existenz liegt in diesem
weißen Blütenmeer. Betritt man die in feiner
Holzarbeit gehobelten und verzapften Ein-
gänge und Veranden, strahlen einem lackier-
te pausbäckige, rot-grüne Profile entgegen
und erzählen von gereiften Früchten. Aber
auch andere Botschaften mischen sich in die
Detailausstattungen und den Innenausbau ...
Mitteilungen von jenseits des Deiches - Mes-
singprofile - Porzellan, Sonderstücke aus
irgendwo hinter den grauen Meeren: christ-
liche Seefahrt ist hier eine weitere Existenz-
bedingung und für uns ein weiterer Hinweis
auf das, was es zum „Regionalen“ zu sagen
gibt: Hier und anderswo! Das Regionale ist
doch immer Teil eines universalen Ganzen
und wenn dies auch nur in der schwarzen
Kaffeebohne und dem indischen Pfeffer zum
Ausdruck kommen mag. Das Regionale ist