macher und Literaten, vorweg den Architek-
ten. War es nicht bislang auch so?
Dabei ist der Rotschlamm die Folge der
Produktion eines allseits verbreiteten Bau-
stoffs - Aluminium. Die Wächter der Region
bauen weniger mit Aluminium. Sie erstellen
Gutachten und organisieren die Bürger der
Gesamtgemeinde, sich für ihre Orte und
„lebenswerte Umwelt und ihre und ihrer
Kinder Gesundheit“ einzusetzen.
Heimat denken, empfinden, sagen fiel den
Deutschen lange Zeit ja zu Recht schwer,
heute wird es aus neuen Gründen nicht
leichter. Blut und Boden schimmert im heuch-
lerischen Regionalismus schnell wieder
durch, und wenn es ernst wird im regionalen
Engagement, dann kKnallt’s. Dachgauben
mögen erlaubt sein. Aber wieviel schwerer
wird es, eine alte Dorfstraße vor dem
Kahlschlag der Bäume durch den übergeord-
neten Verkehr zu bewahren! Noch selten
gelingt es. In Deutschland wurde die Heimat
durch Film und Literatur nur langsam wieder
scheu ertastet. Die Musikboxen bliesen
amerikanische Texte. Stolz und Schicksals-
verbundenheit mit der eigenen Region war
nur über Fremdschilderung erlaubt. „Grün ist
die Heide“, der Wildererfilm mit dem
Witzbold Wolfgang Neuss, blieb eine Anbie-
derung an die echten Gefühle zur Landschaft
... Dann doch lieber die Originaltexte von
Hermann Löns oder, wie wenige, Arno
Schmidts Pocahontas oder Brands Heide und
Kühe in Halbtrauer. Das waren Texte eines
Heidefauns, die Standorte, Landschaft, In-
nen- und Außenwelten in der Heideregion
neu entstehen ließen und vielen ein neues
Heimatpotential aufbauten. Lange vor den
Pop-artisten, die in den frühen 60ern die hohl
gewordene Herrschaft und Doktrin der infor-
mellen Asthetik niederrissen, hatten der
Wortmetz in Bargfeld seine Holzhütte
bezogen und meißelte an Gegenwarts-Ge-
schichten, die sarkastisch und innig die
kulturellen, sozialen und sprachlichen Böden
der Region umgruben. Nach diesem Um-
graben konnte man wieder leben, weiter-
machen. Auch dieser lokale Heide-Wanderer-
dichter hatte seine universalen Freundes-
beziehungen. James Fenimore Cooper. Die
Heide wird zur Prärie - „Flachland und
Nachschlagwerke - da bekommt man Luft!“
Blut & Boden heißester Natur mit natio-
nalem Ethos waren damals nur erlaubt als
B.Strecker
Strandhalle an der Wesermündung
links: Mittelschiff der Strandhalle
Strandhalle als Teil der Umgebung
unten: Winteransicht vom Wasser 1980
a.
Fremdschilderung aus entferntesten Breiten-
graden, wie etwa über den legendären Film
„O Cangancero“ - brasilianisches Erwachen,
wo der keusche, wunderbare Held dem Tode
geweiht mit seinem Blut und seinen Tränen
den Boden tränkt und seine feine starke Hand
im Staub der Mutter Erde erstirbt. Deutsche
Liedersprache probten zäh zuerst die Lieder-
macher aus der DDR, die sich, vielen nicht
bekannt, den westdeutschen Liedermarkt
früh erschlossen. Schrittweise über milieu-
kritische Studien hat sich in den 60ern ein
neues Landschaftspuzzle herausgebildet.
„Jagdszenen in Niederbayern“ mit der jungen
Angela gehört zu den Filmen, über die eine
Region beleuchtet wurde. Das sind nicht
mehr Rainer Maria Rilke und Emil Nolde
allein, die unsere Vorstellung neben dem
eigenen Erleben prägen, das sind auch diese
neuen reflektierenden Filmimpulse. Wim
Wenders „Im Laufe der Zeit“ treibt uns dann
gleich durch’s ganze bundesrepublikanische
Land, durch eine neue Ssoziographische
Landschaft. Regionbezogenes Wissen und
Handeln erweitert und komprimiert den
Spielraum auf dieser Erde zugleich. Unsere
Situation ist ähnlich der jenes kleinen Prinzen
auf einem Planeten, der nur wenig hat, das in
umso gefährdender grundlegender Beziehung
und Bedeutung zueinander steht.
In dem Film „Im Zeichen des Kreuzes“
wird 1983 über eine Region die wirkliche,
mögliche, schleichende Gefährdung der Le-
benszusammenhänge gewagt auszuspielen -
wir sind immer noch in der Heide „Gorleben“.
Die Autoren Bolt und Minow meinen, „dem
Fernsehen muß erlaubt sein, die Gefahren
unserer wissenschaftlich-technischen Welt an
die Wand zu malen, damit das Ungewisse aus
dem Reich der Alpträume ins Bewußtsein
tritt“. Der Film „Im Zeichen des Kreuzes“, so
benannt nach den kreuzähnlichen schwarzen
Flügelrädern des Strahlenwarnsymbols auf
gelbem Grund, der fiktiv die Katastrophe
eines atomaren Unfalles durch den Zu-
sammenprall eines Tankwagens mit einem
mit radioaktivem Material beladenen Trans-
porter schildert, handelt in einem Dorf in der
Lüneburger Heide. Laien aus der Umgebung
spielen mit. Inhalt und Produktion werden
zum Gegenstand öffentlichen Interesses. Und
dann ... wird der Streifen aus dem 1.
Programm abgesetzt, warum? Zuletzt kommt
er doch noch ins 3. Programm und wird von
der Kritik verrissen.
„. „In einer Zeit weitverbreiteter irrationaler
Angste sei es verantwortungslos, wenn man
zur unbegründeten Verunsicherung der Men-
schen noch beitrüge“. Der „Spiegel“ beendete
seinen Bericht im März dieses Jahres: „In der
Woche, in der sich die ARD das ’Zeichen des
Kreuzes’ vom Halse geschafft hat, sind die
Giftfässer von Seveso noch nicht aufgetaucht
- auch dies theoretisch ausgeschlossen und
praktisch undenkbar“. Ich weiß, daß es schon
Zeiten gegeben hat, wo Schlimmes von vielen
gewußt, aber doch verdrängt, nicht für wahr
gehalten wurde. Was ist es, was wir heute
wissen und doch nicht wahrhaben wollen?
Baumeisterinnen und Baumeister können
im regionalen Engagement für sich und das
Ganze vieles erreichen. Es liegt im ständig
präsent sein, am Ort sein, die Lebensbedin-
gungen und Systemzusammenhänge kennen.
Hier liegen auch die Antworten auf das
„Regionale“ in den Großstädten und Stadt-
quartieren. Auch hier ist die regionale
Baukultur die Frucht örtlichen ständigen
Engagements. Allerdings blüht in den Städ-
ten viel selbstverständlicher die auch im
ländlichen Regio gestattete wundersame Stil-
mischung. Denn es gehen ja in eine Stadt die
Erfahrungen aus vielen Städten ein, und es
schleppen die Generationen der Bewohner
ihre Erfahrungen und Bilder von der einen in
die andere Stadt.
y()