Hausbau - Stadtbau b
SE
Wenn heute über neue Programmatiken zu
Siedlungs- und Bau-/Freiraumkonzepten ge-
redet wird, findet sich oft der Hinweis, es
handele sich um einen Bewußtseinswandel
aufgrund von Erfahrungen der Nachkriegs-
zeit.
Gleichzeitig wird z.T. von den selben
Planern, über die ’alten’ Konzepte berichtet
wie über ’gute alte Zeiten’ (siehe dazu die Hefte
der Stadtbauwelt in den S0er und 60er
Jahren).
Muntere Gespräche über methodische und
ästhetische Entwurfskriterien der Entwurfs-
schulen; Bedingungen der Zeitgeister; Recht-
fertigungen der Verhaltens- und Handlungs-
praxis; oder auch rührende Erinnerungs-
pläusche und höfliches Gerangel um Begriffs-
besetzungen. Aber seit mehr als 30 Jahren
leben Leute in den Experimenten; müssen
versuchen, damit zu leben, weil sie keine
Alternative haben.
Die gelebte Praxis täglicher Erfahrungen
kommt in den erbaulichen Disputen übers
Bauen und Wohnen nicht vor.
Die neuerlichen Konzepte, die uns wieder
die Lösung der Probleme verheißen, sind
solange unglaubwürdig, wie sie nicht von den
Erfahrungen, die 30 Jahre Leben in den Sied-
lungen produziert haben, tatsächlich auch
lernen. Dies verlangt allerdings auch, daß
durch eine Kritik belegt wird, die die
’überkommenen’ Konzepte und Verheißungen
mit den konkreten Lebenserfahrungen und -
alltagen konfrontiert.
Wir wollen mit diesem Beitrag einen
Versuch in diese Richtung am Beispiel des
’Zeilenbaus’ aus der Nachkriegszeit unter-
nehmen. Dazu wollen wir uns zunächst einige
Erwartungen und Begründungen in Erinne-
rung rufen:
Verheißungen
„Der Mensch ist nur glücklich unterzubrin-
gen, wenn er gesund wohnt, das heißt, wenn er
im Grünen wohnt, wenn seine Wohnung Licht
und Sonne hat, und wenn eine günstige
Durchlüftung des Wohnbereichs gewährlei-
stet ist. Ferner, wenn er ruhig und vom
Verkehr ungefährdet wohnt.“!
Mit der „gegliederten und aufgelockerten
Stadt“, „der organischen Stadtbaukunst“ oder
der „Stadt-Landschaft“ werden die Formeln
der „funktionellen Stadt“ adaptiert.
„Der Städtebaukunst fällt die Aufgabe zu, die
Hierarchie der Werte wiederherzustellen, mit
deren Hilfe der Mensch die Wohltaten der
’westlichen Freuden’ zu genießen vermag, der
Gaben der Natur, der Sonne. des Raumes und
des Grüns ...“2
Die Gebäude wenden sich von der Straße ab
und dem Grün zu. Die Straße als öffentlicher
Raum wird durch das Gemeinschaftsgrün
zwischen den Zeilen ersetzt und durch
Grünzüge und -verbindungen geführt.
„Häuser und erst recht die Hauszeilen“
wurden „als Gerüst des Planes ... in gestaltete
Grünflächen hineinkomponiert“?, während
der Grünplaner versuchte, die Flächen
zwischen den Gebäuden mit reichlich Grün
Helmut Böse, Lolita Hörnlein, Petra Rau
Grün allein genügt nicht
Grünflächen und Freiräume
im Zeitalter nach dem 2. Weltkrieg
aufzulockern. Diese Grünflächen hatten die
Aufgabe, „die Überschaubarkeit der einzel-
nen gebauten Stadtelemente zu gewährleisten
und dadurch zur Identifikation der Bürger mit
ihrer gebauten Umwelt“* beizutragen und das
„Verhältnis zwischen Mensch und Natur zu
bessern“.5
Die grüne Stadtlandschaft wird zum
formalen Träger der Versöhnung von Stadt
und Natur; das sanitäre oder Wohlfahrtsgrün
zum Nachweis gesunden Wohnens und zum
Ort von Natur- und Gemeinschaftserleb-
nissen; das Freizeitgrün wird gleichbedeu-
tend mit Ruhe, Erholung, Entspannung und
Sport.
„Die Wohnungen am Grün zwischen den
Zeilen liegen abseits vom Lärm und Staub der
Straßen. Der Verkehr geht an den Stirnseiten
der Hauszeilen vorbei. Die Rasenflächen
zwischen den Gebäuden tragen keine Schilder
mit der Aufschrift ’Betreten verboten’. Das
Leben auf ihnen gleicht eher dem Leben in
einem Kurort. Der sich im Freien erholende
Mensch bestimmt das sommerliche Bild
inmitten der grünen Stadt.“%
„Die Qualitäten sind ruhige Rasenflächen,
das Gegenüber abschleiernde und darüber
hinaus raumbildende und raumgliedernde
Baum- und Strauchgruppen, sind Wege und
Kinderspielplätze, auf denen sich eine be-
scheidene ’Miniöffentlichkeit’ (zum Zuschau-
en) abspielt. Das sind neben den sonstigen
Sicherheits- und Wohlfahrtswirkungen dieser
Abstandsflächen positive Werte ...“7
Für Architekten, Städtebauer und Grün-
planer gleichermaßen stellte das Grün den
besonderen Fortschritt und das dominante
Element in der Konzeption des Wohnens dar;
gleichzeitig war es für die Wohnungsbau-
gesellschaften propagandistisch entscheidend;
über das Grün ließen sich Bauformen durch-
setzen und Wohnungen ’verkaufen’
Ä n Sr BZ Schi #
Zeilenbau
oben:
BILDER ZUR AUFLÖSUNG
DER STADT:
1.Roland Rainer. Wien 1947
A Kemer
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Im Westen Wohnräume
Im Osten Schlatrdume
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Vohnstrasi«
Alb
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%
Im Norden Wege und Nebenräume
Im Süden Grün und Aulenthaltsrdume
links;
GRUPPIERUNG DER BAUTEN
NACH DER SONNE:
2. aus: Möllendorff, W.v., 1953.
Lebendiges Bauen. Tübingen
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