Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1983, Jg. 15, H. 67, 68, [69/70], 71, 72)

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Die gereihte Anordnung führt zu einer 
Gleichartigkeit aller Außenräume. Die Unter- 
schiede der sozialen Raumcharaktere lösen 
sich auf. Wo die Vorderseite des einen sich der 
Rückseite des andern zukehrt, verwandeln 
sich gemeinschaftliche Grünflächen in diffuse 
Distanzflächen und rückwärtige Gärten wer- 
den zugleich zu Vorgärten. Die gebrauchsein- 
schränkende Neigung zur Repräsentation 
wird allgegenwärtig, weil überall auch „vorn“ 
lst. 
Die gereihte Anordnung führt dazu, daß 
man in den Hausgärten gleichsam „wie auf ei- 
nem Präsentierteller sitzt“. Abhilfe können 
hier nun sekundäre Grenzelemente, wie hohe 
Zäune, Hecken, usw. schaffen, und zu eben 
diesem Mittel greifen Eigenheimer in aller Re- 
gel. Sie stellen damit die Unterscheidung von 
„Vorn“ und „Hinten“ wieder-her. 
Eben diese Grenzbildung unterbleibt aber 
im Falle des Geschoßwohnungsbaus mit „ge- 
meinschaftlichen“ Grünflächen. Die ver- 
meintlich gemeinschaftliche Grünfläche wird 
eingespannt zwischen den halböffentlichen 
Erschließungsweg des einen und die „Wohn- 
seite“ des andern Gebäudes. Die meist 
schmale Zone zwischen Gebäude und Zu- 
gangsweg wird als Repräsentationsgrün ver- 
standen, das somit weit in die Tiefe des Gelän- 
des vordringt. Da es keine sichtbare Grenze 
zwischen dem halböffentlichen Bereich des 
einen und dem gemeinschaftlichen des andern 
gibt, bleibt völlig unklar, wo „vorn“ aufhört 
und „hinten“ beginnt. 
Auf der anderen Seite grenzt die „gemein- 
schaftliche“ Grünfläche an das gegenüberlie- 
gende Gebäude. Vor den Fenstern ebenerdig 
gelegener Wohnungen liegt jedoch private Ta- 
buzone. Der privat belegte Bereich endet nicht 
an der Fensterscheibe, sondern irgendwo im 
Außenraum davor: es besteht hier eine un- 
sichtbare und nicht genau verortete Grenze. 
Erwachsene wissen sie zu respektieren und 
„fremde“ Kinder, die sie verletzen, bekom- 
men sie lautstark zu spüren. Eingespannt 
zwischen den unsichtbaren Grenzen dieser pri- 
vat belegten Tabuzone und der halböffentli- 
chen Zone entlang des anderen Gebäudes ver- 
mag die Grünflächen keinen eigenständigen 
gemeinschaftlichen Charakter zu gewinnen. 
Sie degeneriert zum bloßen Schaugrün. (Feh- 
lende rückwärtige Ausgänge kommen oft als 
verschärfendes Moment hinzu). 
Das Phänomen - oder Problem - der privat 
belegten Tabuzone vor den Erdgeschoßfen- 
stern im Konflikt mit dem beabsichtigten ge- 
meinschaftlichen Charakter der Freifläche 
tritt natürlich auch auf, wenn es sich um zwei- 
felsfrei rückwärtige Bereiche handelt. Eine in 
den 20er Jahren häufige Lösung ist der umlau- 
fende rückwärtige Wohnweg direkt an den 
Gebäuden. (Diese bedürfen dann einer Sok- 
kelzone!) Er setzt gleichsam gewaltsam den 
gemeinschaftlichen Charakter der Freifläche 
gegen die private Tabuzone durch und stellt 
zugleich den Status der mittleren Grünfläche 
klar. Sinnvoller scheint es jedoch, die Verfü- 
gungsregelung mit der durch Zuordnung ge- 
links: Grundschema der gereihten Anordnung im Geschoßwoh: 
nungsbau. Hier kann sich kein gemeinschaftlicher Raumcharak- 
ter entwickeln. Eingespannt zwischen halböffentlichem Zu 
gangsweg des einen und der Wohnseite der anderen Seite ent 
steht eine diffuse Fläche mit unsichtbaren Grenzen: Die Grün 
fläche wird zur Tabuzone 
rechts: Ein Vorschlag für die ’’Reparatur” von Distanzflächen, 
Die Gebäudenahen Bereiche werden jeweils nach ihrer Eigen: 
art als Eingangsbereich bzw. als Zone mit Haus- und Mieter- 
gärten ausgeprägt. Eine gemeinschaftliche Grünfläche für beide 
Gebäude verbleibt in der Mitte, ist aber deutlich abgesetzt vom 
Eingangsbereich. 
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Problem: Von außen einsehbare Fenster: wechselseitige Beein 
trächtigunag durch mangelhafte Grenzbildung. 
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Lösung entweder eine hohe Sockelzone .. 
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... oder : niedrigere Sockelzone mit schmalem Distanzstreifen 
und Sitzmauer. So ist auch der Fensterkontakt möglich 
zualeich aber die Distanz gewahrt. 
Vor dem Fenster der Erdgeschoßwohnung existiert eine privat 
belegt Tabuzone. Anders als Rasen bis an die Fensterbrüstung 
stellt der rückwärtige Wohnweg den gemeinschaftlichen 
Charakter klar. Das Modell ist aber nicht konfliktlos.... 
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troffenen Aussage in Übereinstimmung zu 
bringen, d.h. den Erdgeschoßwohnungen klar 
abgegrenzte private Freibereiche einzuräu- 
men. 
Allgemeiner formuliert: soziale Raumcha- 
raktere lassen sich nicht ausweisen wie Zonen 
im Flächennutzungsplan, ihre Ausprägung ist 
niemals unabhängig von den sie begrenzenden 
Elementen, ihrer Zuordnung zu bzw. umge- 
kehrt ihrer Abkopplung von den Gebäuden. 
Mit diesen wenigen Bemerkungen zum rück- 
wärtigen Bereich, zu privaten und gemein- 
schaftlichen Freiräumen, müssen wir es hier 
bewenden lassen. Nur soviel sei zum Ergeb- 
nis gesagt: große gemeinschaftliche und land- 
schaftsgärtnerisch inszenierte Freiflächen sind 
weit weniger gebrauchsfähig für die Bewoh- 
ner als ein Gefüge aus Haus- und Mietergär- 
ten, erschlossen durch kleine Höfe und Wirt- 
schaftswege, ergänzt durch gemeinschaftliche 
Freiflächen begrenzter Größe. 
Wir gehen nunmehr zum vorderen Bereich 
über und greifen auch hier nur ein Element 
heraus: die Straße. 
Der öffentliche Raum: die Straßen 
Gegenüber dem rückwärtigen Bereich, in dem 
sich überwiegend private und gemeinschaftli- 
che Nutzungen entfalten, ist der vordere Be- 
reich nach wie vor der wichtigste Raum für ein 
öffentlich-städtisches Leben, soweit dieses Le- 
ben außerhalb von Gebäuden und Einrich- 
tungen stattfindet. Seit dem Mittelalter hatte 
die städtische Straße die verschiedenen For- 
men des öffentlichen Lebens aufgenommen. 
Im Unterschied zur Landstraße diente sie eben 
nicht allein der Fortbewegung, dem Verkehr, 
sondern vermittelte alle städtischen Funktio- 
nen zueinander, war der Ort der Verflech- 
tung des Einzelnen mit der städtischen 
Gemeinschaft. 
Trotz allen „Strukturwandels der Öffent- 
lichkeit“ und der Institutionalisierung des öf- 
fentlichen Lebens gilt auch heute noch, daß 
sich städtische Raum- und Lebensqualität 
dort entfaltet, wo die vielfältigen Nutzungs- 
weisen der Straße nicht dem Verkehr geopfert 
wurden, sondern sich ein - durchaus nicht 
konfliktloses - Nebeneinander entwickeln 
konnte und die Möglichkeit zu Aufenthalt 
und Teilnahme gewahrt blieb. 
Für eine sozial brauchbare Gestaltung des 
vorderen Bereichs sind vor allem zwei Aspekte 
bedeutsam: 
Der erste betrifft die Gliederung und Gestalt 
der Straßenflächen selbst. Damit sind alle 
Fragen der räumlichen Organisation der ver- 
schiedenen Nutzungsweisen des Straßen- 
raums angesprochen bis hin zu den gestalteri- 
schen Detailaufgaben (Oberfläche, Abgren- 
zungen, Straßenmöbel, Grün etc.). Ausschlag- 
gebend dabei ist, ob und in welchem Umfang 
zum Aufenthalt geeignete Flächen bereitge- 
stellt werden. 
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