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Die gereihte Anordnung führt zu einer
Gleichartigkeit aller Außenräume. Die Unter-
schiede der sozialen Raumcharaktere lösen
sich auf. Wo die Vorderseite des einen sich der
Rückseite des andern zukehrt, verwandeln
sich gemeinschaftliche Grünflächen in diffuse
Distanzflächen und rückwärtige Gärten wer-
den zugleich zu Vorgärten. Die gebrauchsein-
schränkende Neigung zur Repräsentation
wird allgegenwärtig, weil überall auch „vorn“
lst.
Die gereihte Anordnung führt dazu, daß
man in den Hausgärten gleichsam „wie auf ei-
nem Präsentierteller sitzt“. Abhilfe können
hier nun sekundäre Grenzelemente, wie hohe
Zäune, Hecken, usw. schaffen, und zu eben
diesem Mittel greifen Eigenheimer in aller Re-
gel. Sie stellen damit die Unterscheidung von
„Vorn“ und „Hinten“ wieder-her.
Eben diese Grenzbildung unterbleibt aber
im Falle des Geschoßwohnungsbaus mit „ge-
meinschaftlichen“ Grünflächen. Die ver-
meintlich gemeinschaftliche Grünfläche wird
eingespannt zwischen den halböffentlichen
Erschließungsweg des einen und die „Wohn-
seite“ des andern Gebäudes. Die meist
schmale Zone zwischen Gebäude und Zu-
gangsweg wird als Repräsentationsgrün ver-
standen, das somit weit in die Tiefe des Gelän-
des vordringt. Da es keine sichtbare Grenze
zwischen dem halböffentlichen Bereich des
einen und dem gemeinschaftlichen des andern
gibt, bleibt völlig unklar, wo „vorn“ aufhört
und „hinten“ beginnt.
Auf der anderen Seite grenzt die „gemein-
schaftliche“ Grünfläche an das gegenüberlie-
gende Gebäude. Vor den Fenstern ebenerdig
gelegener Wohnungen liegt jedoch private Ta-
buzone. Der privat belegte Bereich endet nicht
an der Fensterscheibe, sondern irgendwo im
Außenraum davor: es besteht hier eine un-
sichtbare und nicht genau verortete Grenze.
Erwachsene wissen sie zu respektieren und
„fremde“ Kinder, die sie verletzen, bekom-
men sie lautstark zu spüren. Eingespannt
zwischen den unsichtbaren Grenzen dieser pri-
vat belegten Tabuzone und der halböffentli-
chen Zone entlang des anderen Gebäudes ver-
mag die Grünflächen keinen eigenständigen
gemeinschaftlichen Charakter zu gewinnen.
Sie degeneriert zum bloßen Schaugrün. (Feh-
lende rückwärtige Ausgänge kommen oft als
verschärfendes Moment hinzu).
Das Phänomen - oder Problem - der privat
belegten Tabuzone vor den Erdgeschoßfen-
stern im Konflikt mit dem beabsichtigten ge-
meinschaftlichen Charakter der Freifläche
tritt natürlich auch auf, wenn es sich um zwei-
felsfrei rückwärtige Bereiche handelt. Eine in
den 20er Jahren häufige Lösung ist der umlau-
fende rückwärtige Wohnweg direkt an den
Gebäuden. (Diese bedürfen dann einer Sok-
kelzone!) Er setzt gleichsam gewaltsam den
gemeinschaftlichen Charakter der Freifläche
gegen die private Tabuzone durch und stellt
zugleich den Status der mittleren Grünfläche
klar. Sinnvoller scheint es jedoch, die Verfü-
gungsregelung mit der durch Zuordnung ge-
links: Grundschema der gereihten Anordnung im Geschoßwoh:
nungsbau. Hier kann sich kein gemeinschaftlicher Raumcharak-
ter entwickeln. Eingespannt zwischen halböffentlichem Zu
gangsweg des einen und der Wohnseite der anderen Seite ent
steht eine diffuse Fläche mit unsichtbaren Grenzen: Die Grün
fläche wird zur Tabuzone
rechts: Ein Vorschlag für die ’’Reparatur” von Distanzflächen,
Die Gebäudenahen Bereiche werden jeweils nach ihrer Eigen:
art als Eingangsbereich bzw. als Zone mit Haus- und Mieter-
gärten ausgeprägt. Eine gemeinschaftliche Grünfläche für beide
Gebäude verbleibt in der Mitte, ist aber deutlich abgesetzt vom
Eingangsbereich.
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Problem: Von außen einsehbare Fenster: wechselseitige Beein
trächtigunag durch mangelhafte Grenzbildung.
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Lösung entweder eine hohe Sockelzone ..
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... oder : niedrigere Sockelzone mit schmalem Distanzstreifen
und Sitzmauer. So ist auch der Fensterkontakt möglich
zualeich aber die Distanz gewahrt.
Vor dem Fenster der Erdgeschoßwohnung existiert eine privat
belegt Tabuzone. Anders als Rasen bis an die Fensterbrüstung
stellt der rückwärtige Wohnweg den gemeinschaftlichen
Charakter klar. Das Modell ist aber nicht konfliktlos....
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troffenen Aussage in Übereinstimmung zu
bringen, d.h. den Erdgeschoßwohnungen klar
abgegrenzte private Freibereiche einzuräu-
men.
Allgemeiner formuliert: soziale Raumcha-
raktere lassen sich nicht ausweisen wie Zonen
im Flächennutzungsplan, ihre Ausprägung ist
niemals unabhängig von den sie begrenzenden
Elementen, ihrer Zuordnung zu bzw. umge-
kehrt ihrer Abkopplung von den Gebäuden.
Mit diesen wenigen Bemerkungen zum rück-
wärtigen Bereich, zu privaten und gemein-
schaftlichen Freiräumen, müssen wir es hier
bewenden lassen. Nur soviel sei zum Ergeb-
nis gesagt: große gemeinschaftliche und land-
schaftsgärtnerisch inszenierte Freiflächen sind
weit weniger gebrauchsfähig für die Bewoh-
ner als ein Gefüge aus Haus- und Mietergär-
ten, erschlossen durch kleine Höfe und Wirt-
schaftswege, ergänzt durch gemeinschaftliche
Freiflächen begrenzter Größe.
Wir gehen nunmehr zum vorderen Bereich
über und greifen auch hier nur ein Element
heraus: die Straße.
Der öffentliche Raum: die Straßen
Gegenüber dem rückwärtigen Bereich, in dem
sich überwiegend private und gemeinschaftli-
che Nutzungen entfalten, ist der vordere Be-
reich nach wie vor der wichtigste Raum für ein
öffentlich-städtisches Leben, soweit dieses Le-
ben außerhalb von Gebäuden und Einrich-
tungen stattfindet. Seit dem Mittelalter hatte
die städtische Straße die verschiedenen For-
men des öffentlichen Lebens aufgenommen.
Im Unterschied zur Landstraße diente sie eben
nicht allein der Fortbewegung, dem Verkehr,
sondern vermittelte alle städtischen Funktio-
nen zueinander, war der Ort der Verflech-
tung des Einzelnen mit der städtischen
Gemeinschaft.
Trotz allen „Strukturwandels der Öffent-
lichkeit“ und der Institutionalisierung des öf-
fentlichen Lebens gilt auch heute noch, daß
sich städtische Raum- und Lebensqualität
dort entfaltet, wo die vielfältigen Nutzungs-
weisen der Straße nicht dem Verkehr geopfert
wurden, sondern sich ein - durchaus nicht
konfliktloses - Nebeneinander entwickeln
konnte und die Möglichkeit zu Aufenthalt
und Teilnahme gewahrt blieb.
Für eine sozial brauchbare Gestaltung des
vorderen Bereichs sind vor allem zwei Aspekte
bedeutsam:
Der erste betrifft die Gliederung und Gestalt
der Straßenflächen selbst. Damit sind alle
Fragen der räumlichen Organisation der ver-
schiedenen Nutzungsweisen des Straßen-
raums angesprochen bis hin zu den gestalteri-
schen Detailaufgaben (Oberfläche, Abgren-
zungen, Straßenmöbel, Grün etc.). Ausschlag-
gebend dabei ist, ob und in welchem Umfang
zum Aufenthalt geeignete Flächen bereitge-
stellt werden.
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