Freiräume mitgebaut wird - im vorderen wie
im rückwärtigen Bereich.
Breite Büraersteige und ihre mögliche Nutzung heute: Berlin Kreuzberg
Hausbau - Stadtbau
ist. Und die sind entscheidend schon bei jedem
kleinsten Eingriff in die räumliche Struktur
bestehender Wohnquartiere, nicht erst bei der
Frage des Neubaus. Man’ betrachte dazu nur
den Wiederaufbau zerstörter Blöcke oder
Blockteile in den 50er Jahren: damals eine in
die bestehende Stadt hinein korrigierte Form
des „besseren“ Städtebaus, heute ein Fall für
Stadtreparatur im Sinne der Rekonstruktion
ehemaliger städtebaulicher Qualitäten.
Indessen: nirgendwo wird die Notwendig-
keit von Stadtbau deutlicher als am Beispiel
jenes Hausbaus, der sich als Einfamilien-,
Bungalow- oder Reihenhaus-Brei ins Umland
unserer Städte frißt, ehem. Dörfer zu
Suburbias aufbläht. Er ist gleichsam ein
letzter Abkömmling des modernen Raum-
konzepts, nichts ist übrig geblieben von der
früheren militärischen Strenge der gereihten
Anordnung, die immerhin noch an „Siedlung“
denken ließ. Die Sünde gegen den städtischen
Raum, sie läßt sich noch steigern bis zur voll-
kommenen Zersplitterung.
Das Haus mit seiner Parzelle ist Inbegriff
der Befriedigung aller Bedürfnisse, jedes ist
sich selber genug, tut so, als sei es ganz allein
auf der Welt.
Natürlich ist dies Illusion, jeder Hausbauer
baut zugleich an seiner und seiner Nachbarn
Umwelt mit. Aber diese Illusion scheint das
Credo dieser Art von Siedlungsplanung zu
sein, denn darum handelt es sich ja: um eine
geplante Zersiedelung. Die Befriedigung des
Wunsches, in der Landschaft zu wohnen, muß
diese zerstörten und das verunmöglichen, was
immerhin erreichbar wäre: eine städtische
Siedlung.
Es wurden hier nur einige wenige Aspekte so-
zialer Raumorganisation behandelt. Deutlich
werden sollten aber zwei Grundpositionen:
1) Stadtbau, das ist mehr als ein Planspiel zur
Gruppierung von Häusern. Stadtbau ist
„Raum-Bau“, ist Vorformulierung von So-
zialraum. Irgendeine ästhetische Korrespon-
denz von Linien auf dem Papier sagt wenig
über die Gebrauchstauglichkeit dieses Sozial-
raums aus - und er entsteht immer, wenn die,
egal wie konzipierten Häuser auch gebaut und
bewohnt werden. Die gültigen Regeln und
Konventionen der Raumbenutzung werden
sich - auch modifiziert - durchsetzen und sei es
im Negativen, d.h. der Nichtnutzung, wenn
der Raum dazu völlig „Querliegt“. Stadtbau
ist soziale, gesellschaftliche Aufgabe (viel-
mehr als es der Wohnungsbau je sein kann),
wird doch das, was der „räumlich versammel-
ten Gemeinschaft“ (dies ist keine emphatische
Aussage, sondern eine faktische) und dem
Einzelnen in ihr an Raumvolumen und
Raumgebrauch zusteht, dadurch bestimmt. In
dem Sinne war Stadtbau auch immer
Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse, sei
es durch den Konsens des „Zubauens“ der gar
nicht so urwüchsigen spätmittelalterlichen
Stadt, sei es durch die auch räumliche Macht-
anmaßung barocker Feudalfürsten, sei es
durch die sich gegen jede Hemmung bahn-
brechende Repräsentation des „staatstragen-
den“ Bürgertums oder sei es durch den „zer-
splitterten“ Raum, der in ihrer Demokratisie-
rung auseinanderfallenden modernen Gesell-
schaft.
An diesem kurzen historischen Revue-
Passieren-Lassen soll auch verdeutlicht wer-
den, daß wir unter Stadtbau nicht den gro-
ßen Entwurf großartiger räumlicher En-
sembles verstehen, sondern die zugrunde lie-
genden sozialräumlichen Prinzipien. Und hier
wird - wie immer man heute zur Frage der Pla-
nung und Konzipierung größerer oder besser:
zusammenhängender „Siedlungselemente“
stehen mag, die Relevanz der „Stadtbau-Fra-
ge“ klar. Es geht nicht zuerst um die äußerliche
Form, um das räumliche Kleid, sondern um
die Regeln nach denen es zusammen..genäht“
Hausbau solcher Art versteht sich als
Alternative zur Ver-Wohneinheitlichung im
Geschoßwohnungsbau der großen Träger.
Das Versprechen ist: eigene Verfügbarkeit
über Innen- und Außenraum. Daß es erkauft
wird durch private Isolation ist ein Merkmal
dieser Hausbauerei, nicht jedoch des Haus-
baus per se.
Darum: Kein Hausbau ohne Stadtbau!
Stadtbau, das ist für uns der Wunsch, daß mit
der Ansiedlung von Häusern oder Gebäuden
zugleich ein vielfältiges Gefüge brauchbarer
RA
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Wettbewerbsprojekt von Rob Krier (rechts) und Leon Krier (links) für einen Block nahe der Königlichen Münze, London
2) Es wird manchem so scheinen, daß wir mit
unserem Pladoyer für Stadtbau nur offene
Türen einrennen, ist es doch längst wieder
selbstverständlich etwa bei Sanierungspla-
nungen die Figur geschlossener Blockbe-
bauungen zugrunde zu legen. Namentlich die
inzwischen wohl dominierende Richtung der
„Postmodernen“, die Rationalisten, treten ein
für eine vollständige Abkehr von der moder-
nen Raumkonzeption und zugleich für eine
Stadtbaukunst der figürlich präzise be-
grenzten öffentlichen Räume.
Gewiß sind einfache, jedermann verständli-
che Raumfiguren der Kenntlichkeit der öf-
fentlichen Räume nur günstig. (Willkürliches
Vor- und Zurückspringen der Gebäude- oder
Häuserfronten, das sind Mätzchen der 60er
Jahre - ein verzweifelter Versuch, Vielfalt vor-
zutäuschen, wo keine ist). Was wir allerdings
auf den Plänen nicht weniger. Vertreter die-
ser Strömung der Postmodernen sehen, das ist
in der Tat Renaissance, Renaissance des
perspektivischen Raums, der ja niemals aus
der Perspektive des Fußgängers gedacht war,
die Renaissance der Korridorstraße mit glat-
ten Fluchten, ohne jeden Hinweis, daß die
Straßen zum Aufenthalt gedacht wären. Wir
sehen über drei Stockwerke reichende Arka-
den und stellen fest: hier tritt das Symbol einer
Zuwendung der Gebäude zur Straße an die
Stelle der Zuwendung, selbst der dahinter
wohnenden Menschen.
Die Rückkehr zur Blockbebauung ist eine
Konsequenz der klaren Unterscheidung zwi-
schen vorderen und rückwärtigen Bereichen.
Soweit das Grundprinzip. Wenn wir jedoch
Blockbebauungen sehen, die eine nur entkern-
te Version des gründerzeitlichen Blocks sind,
denen also das (gewiß nicht unproblemati-
sche) „Innenleben“ herausgenommen und
durch viel zu große „Gemeinschafts“grün-
flächen ersetzt worden ist, dann fragen wir
uns, worin liegt eigentlich der Unterschied zu
den ja gleichfalls landschaftsgärtnerisch ge-
stalteten und zentralverwalteten Abstands-
flächen im Geschoßwohnungsbau etwa der
60er Jahre?
Oder die bekannte, durch Cardo und
Decumatus viergeteilte Blockfigur: Ist sie
anders möglich als auf einer einzigen oder
bestenfalls vier Großparzelle(n)? Schreibt
nicht bereits die Planfigur fest, daß die vier
Höfe niemals etwas anderes sein können als
gemeinschaftliche Freiflächen, daß also die
Gebäude aus Wohneinheiten bestehen müs-
sen, ohne eigenes Verfügungsrecht über
Außenraum?
Ist dies schon Stadtbau, so doch einer der
mit Hausbau offenbar nichts im Sinn hat, der
die Verwohn-einheitlichung voraussetzt, um
gefügiges Stadtbaumaterial zur Hand zu
haben.
Hausbau, das ist der Wunsch, über Innen-
und Außenräume selbst verfügen zu können,
Spielraum zu haben auch für Wohnformen
und Gebrauchsweisen, an die Planer oder
andere Zuständige nicht gedacht haben oder
denken.
Kein Stadtbau ohne Hausbau! Das wäre
der Versuch zu einer neuen Synthese zwischen
beidem zu erreichen, der Versuch aus Wohn-
einheiten wieder so etwas wie Häuser zu
machen, ihnen einen eigenen Fuß auf dem
Boden zu geben. Das erfordert, nicht bloß in
Planfiguren von Gebäuden zu denken,
sondern stets Gebäude/ Häuser zusammen mit
den zugehörigen Freiräumen als Element des
Gefüges zu verstehen. Das erfordert Gebäude-
anordnungen, die nicht bloß in die dünne Luft
hier des öffentlich dort des trägerschaftlich
verwalteten Außenraums gestellt sind.
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