Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

Anzeichen für ein Umdenken sind 
bereits sichtbar. In Wohnblocks und 
Siedlungen der großen Wohnungsbau- 
gesellschaften schließen sich Mieter 
zusammen, wehren sich gegen Mieterhö- 
hungen, undurchsichtige finanzielle Kal- a 
kulationen der Baugesellschaften und die genossenschäften Ol DC 
Verschlechterung ihrer Wohnverhält- + KM 
nisse. Gemeinschaftliche Selbsthilfeini- 
tiativen zum Erhalt und zur Schaffung 
billigen Wohnraums werden von Betrof- 
fenen gegründet. 
Auf der Suche nach neuen Formen 
gemeinsamen, selbstverwalteten und 
selbstverantworlichen Lebens stellt die 
Ausstellung Anders Leben die histo- 
rischen Leistungen der Genossenschaf- 
ten als Wohn-, Lebens- und Wirtschafts- 
reformbewegung dar und weist auf 
aktuelle Ansätze und Probleme genos- 
senschaftlicher Organisationsformen 
hin. Die Ausstellung, die während der 
Ruhrfestspiele im Mai 1983 in Reckling- 
hausen zum ersten Mal eröffnet wurde, 
wandert seit Herbst 1983 durch verschie- 
dene Städte in Nordrhein-Westfalen, die 
selber bedeutende Genossenschaftstradi- 
tionen aufweisen. Am jeweiligen Ort 
wird die Ausstellung zusätzlich durch 
einen Lokalteil ergänzt. In Zusammen- 
arbeit mit unterschiedlichen Organisa- 
tionen und Einzelpersonen, mit beste- 
henden Genossenschaften, Archiven, 
Volkshochschulen, Gewerkschaften und 
wohnungspolitisch interessierten Grup- 
pen wird die lokale Geschichte der genos- 
senschaftlichen Selbsthilfebewegung wie- Foto: Thomas Schmidt 
der ins Bewußtsein vieler alter Genossen- 
schaftler, aber auch junger Menschen 
gerückt. Gerade dieser lokale Ausstel- Zunehmend bekunden gerade auch „Friedrich-Ebert-Haus“ erhalten. An- 
lungsteil, der die Identifikation der Be- große bestehende Baugenossenschaften satzpunkte, die eine Wiederentdeckung 
völkerung am Ort und der bestehenden ihr Interesse an der Ausstellung. In der verlorengegangenen Werte genossen- 
Genossenschaften mit ihrer eigenen Ge- Solingen, wo sie im April zu sehen ist, schaftlicher Selbsthilfe ermöglichen. 
schichte und damit mit der Geschichte wird sie fast ausschließlich von der zz. l E 
einer erfolgreichen Reformbewegung Arbeitsgemeinschaft der Wohnungsbau- Im Juni wird die Ausstellung in 
ermöglicht, weckt Interesse für einen genossenschaften und speziell vom dorti- Oberhausen zu sehen sein. Die Stadt- 
wohnungspolitischen Umdenkungspro- gen Spar- und Bauverein getragen und verwaltung bemühte sich darum, weil das 
zeß. Neue Ansätze zur Selbstverwaltung finanziert, einer Genossenschaft, die vor Planungsamt sich aus architektonischen 
und Selbstverantwortung in unterschied- allem in den Zwanziger Jahren soziale und städtebaulichen Gründen für die 
lichen Lebensbereichen werden disku- und kulturelle Einrichtungen für ihre Errichtung einer genossenschaftlichen 
tiert. So finden im Rahmen der Aus- Mitglieder schuf und in der noch heute Neubausiedlung einsetzt, die als Projekt 
stellung Diskussionen statt, Diavor- Selbstverwaltung in den Siedlungen des Werkbundes und des Wohnbundes 
träge und Stadtrundfahrten zu den histo- durch die Bewohner praktiziert wird. entstehen soll. Die Ausstellung trägt hier 
rischen Stätten der Selbsthilfebewegung Als eine weitere bedeutende Woh- dazu bei, Chancen genossenschaftlicher 
werden angeboten. nungsbaugenossenschaft in Nordrhein- Organisationsformen der Öffentlichkeit 
Im November letzten Jahres wurde die Westfalen veranstaltet im Mai in Biele- nahezubringen. 
Ausstellung in der Duisburger Volks- feld die Freie Scholle das Ausstel- Neben der großen Wanderausstellung 
hochschule gezeigt, als hier die Entschei- lungsprogramm. Bei der Suche nach wurde eine verkleinerte Fassung von 
dung der Stadt für eine Unterstützung historischen Dokumenten zur Erstellung Anders Leben bereits auf vielen 
der Neugründung einer Genossenschaft des dortigen Lokalteils fanden mehrere Tagungen und Kongressen gezeigt; bei 
für die von der Privatisierung bedrohten Vorträge vor alten Genossenschaftlern sozialdemokratischen oder gewerk- 
Zechensiedlung Rheinpreußen in Duis- zur geschichtlichen Entwicklung der schaftlichen Veranstaltungen ebenso wie 
burg-Homberg anstand. Baugenossenschaftsbewegung statt. bei Treffen von Alternativprojekten, wie 
Im Februar 1984 in Wuppertal unter- Mehr als 500 Genossenschaftler nahmen im August letzten Jahres auf der „Pro- 
stützte die dortige Arbeitsgemeinschaft teil und ergänzten die Diavorträge mit jektmesse“ der ASH-Krebsmühle bei 
der Baugenossenschaften die Ausstel- ihren eigenen Erinnerungen. Auf meh- Frankfurt oder Ende März bei der 
lung, ebenso die Bezirksleitung der Ge- reren Veranstaltungen wurde so auch Zukunftswerkstatt in Saarbrücken, ei- 
werkschaft Handel, Banken, Versiche- vorgeschlagen, einen lange Zeit unbeach- nem Verein, der die Gründung von 
rungen, die Vertreterin der Arbeitneh- tet gelassenen Brunnen innerhalb der selbstverwalteten Projekten unterstützt. 
mer in den gemeinwirtschaftlichen Un- Siedlungsanlage Heeper Fichten, der Die Ausstellung trägt dazu bei, bei den 
ternehmen wie coop und Neue Heimat mittlerweile mit Sträuchern‘ zugewach- traditionellen Organisationen der Arbei- 
ist. Inzwischen hatte auch die Landes- sen war, wieder freizulegen. Das noch terbewegung Verständnis zu wecken für 
leitung der HBV in Nordrhein-Westfalen bestehende Genossenschaftshaus „Fich- aktuelle Formen alternativen und selbst- 
die Unterstützung der Ausstellung be- tenhof“, das erst im Nationalsozialismus verwalteten Lebens und Arbeitens, denn 
schlossen. In Remscheid im März kam diesen Namen erhielt, wird wahrschein- die Genossenschaftsbewegung der Arbei- 
ein ähnlicher Unterstützerkreis zustan- lich anläßlich der Ausstellungseröffnung ter war früher nichts anderes als eine 
de. am 1. Mai wieder seinen alten Namen selbstbestimmte. alternative Kultur.
	        
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