Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

® ® Wortführer das Wort beschneiden, geschwei- Anschein nach ein reines Architekturheft ist. 
Editorial ge denn die Kompetenz zu Vor-Worten Architektur füllt die Seiten. Trotzdem geht es 
streitig machen. Trotzdem sei hier Stellung nicht um sie als gesonderte Disziplin, sondern 
genommen, wenn auch in anderer Form und als Beispiel für ein sozialräumliches Raum- 
Weise. Diese Zeitschrift hat sich von der —verständnis 
ersten Stunde an in die beginnende Archi- 
tekturdebatte eingemischt. Sie hat früh Regelbegriffe 
Position bezogen, zuerst behutsam in Dar- 
stellung und kommentierender Kritik (37 Mit diesen Heften hat ARCH+ ironischer- 
ARCH+, Aymonino, Rossi, Tafuri), später weise Geschichte gemacht. Sie hat mit zum 
eindeutig (42 ARCH+, Tzonis), aber immer ın Abbau des Nachholbedarfs der deutschen 
der Absicht, die beginnende Debatte um Architekturdiskussion nach 45 beigetragen, 
Architektur mit den in der Bundesrepublikin Zz.T. so durchschlagend, daß eine bestimmte 
enkt man das Gespräch unter Architekten etwa zeitgleich auftretenden neuen sozialen Terminologie mittlerweile zum Standard- 
L auf Christopher Alexander, dann sind die Bewegungen zu verbinden, um so den durch repertoire von Architekten gehört. Typus, 
Verurteilungen und Beschimpfungen schnell die Obsoleszens des Funktionalismus aufge- Gewebe, Morphologie - na ja, wer verwendet 
bei der Hand. Anti-Architektur, Un-Archi- rissenen Graben zwischen Avantgarde und sie nicht! | . . . . . 
ijektur fallen da noch milde aus. Sieht man Reformbewegung, zwischen dästhetischem Dagegen ist die Diskussion weiterhin 
umgekehrt seine Schriften durch, unter Projekt und sozialer Utopie zu schließen. rezeptiv geblieben, was die Basisannahmen 
anderen die Diskussionen zwischen ihm und Die ersten Reaktionen auf die neuen dieses Ansatzes betrifft: was Raum heißt, 
Peter Eisenmann in diesem Heft. dann sozialen Bewegungen waren andere: ARCH+ welche Zugriffsweise herrscht - darüber und 
werden diese Vorurteile noch positiv bestärkt. berichtete ... Die politische Auseinander- über ähnliche Fragen gibt es so gut wie keine 
Es geht Alexander um nicht mehr und nicht setzung lasse ich aus Gründen der Argumen- die Vorgaben überwindende Debatte, ge- 
weniger als um eine grundsätzliche Alterna- tation außer acht. ARCH+ hat sie über schweige denn Forschung, obwohl gerade 
tive zur sog. nach-modernen Architektur. mehrere Hefte verfolgt. Statt dessen sei auf hierzu auf eine große und lange Tradition 
Ist dieser Anspruch auch einzulösen? sine für die weitere Diskussion um die zurückgegriffen werden könnte. Erinnert sei 
Unbenommen kann man sich ihm anschlie- Bedeutung des Raums für Architektur und in diesem Zusammenhang an die durch die 
ßen, schaut man nur die gegenwärtige Archi- Städtebau wichtige Linie verwiesen. Einge- Phänomenologie inspirierten Beiträge von 
tekturdebatte nach Fragen der Autonomie führt wurde sie unter dem Thema „Aneig- von Dürckheim zum gelebten Raum, an eine 
der Architektur, der Partizipation der Be- nung“, und vorgestellt wurde dazu eine Richtung der Kunstwissenschaft, die in 
wohner durch und schaut man sich. nicht Richtung der französischen Stadtsoziologie Opposition zur Moderne gerade die Frage des 
zuletzt die Architekturen selber auf ihren ‘1 ARCH+, Chombart de Lauwe). Andere Raums auf’s Panier hob etc. Wr 
Gusto an, ob er menschenfreundlich oder - Beiträge schlossen sich an wie die von Günter Das ist umso erstaunlicher, als sich in 
feindlich. auftritt. Hier treffen Welten auf- ‘ARCH+ 42, 43/44), Fester, Kraft, Sachs- besagtem Zeitraum nicht nur eine neue 
einander. Pfeiffer (ARCH+ 68). . Terminologie verbreitet, sondern auch eine 
Kriterium ist sicherlich der Anspruch nach Diesem Ansatz ist eigen, daß er zum einen neue Form zu entwerfen als S7i/ durchgesetzt 
äner. humanen Architektur. Doch soll an die bisher ausschließlich architektonisch hat. Auf eine Kurzformel gebracht, lautet er: 
dieser Stelle nicht in den Vorwurf vorschnell ausgerichtete Diskussion zum Raum um seine In Beziehungen des Raumes denken und nach 
miteingestimmt werden, daß alles, was sich verhaltensräumliche Dimension erweitert. den Mustern dieser Beziehungen die Welt 
zeometrischer Abstraktionen bedient, Was Ausgangspunkt ist das Raumverhalten. Zum organisieren, heiße Muster nun Typus oder 
Klein-Maßstäblichkeit verachtet, schon an anderen sucht er im Raumverhalten die Pattern. Diese Muster definieren nach 
sich. a-human. sei. Gleichwohl wird diese Bestimmungsmomente zu isolieren, die Aymonino Elementanordnungen, wobei Ele- 
Zeitschrift immer für eine humane Architek- Raum im eigentlichen Sinne erst konstituie- ment alles sein kann: Haus, Straße, Garten, 
Air. streiten. ren. Denn wenn Raumverhalten Bedingung kurzum, die gesamte Stadt - und nach 
Nichtsdestotrotz ‘sind. die Probleme viel- von Raum ist, dann müssen die ihn konstitu- Alexander ausschließlich Beziehungen. Die- 
schichtiger. Sie beginnen damit, daß diese ierenden Strukturen sowohl räumlicher wie sen Beziehungen gibt er zur Beschreibung des 
Vorverurteilungen falsche Eindeutigkeiten verhaltensräumlicher Natur sein. In den Verhältnisses von. Kontext, Problem die 
schaffen. Alexander ist nicht. der Anti- Verhaltensdispositionen erkennt er diese allgemeine Form einer dreiteiligen Regel, und 
Architekt noch ist sein Architekturkonzept Strukturen. Entsprechend den verschiedenen sie legt er im Unterschied zu Aymonino 
die Architektur schlechthin. obwohl. es. ihm Schulen heißen sie auch kulturelle Modelle mehrdimensionaler an, nicht nur den Raum, 
schon um eine andere Architektur, als heute ON Habitus oder Verhaltensstandards oder - EEE auch das Raumverhalten organisie- 
in ; ; patterns. rend. 
GEHEN der A in Auf verschiedene Hefte verteilt, hat Sehen wir vom Raumverständnis ab, bleibt 
zwischen ihm und seinen scheinbaren und ARCH+ diese Annäherungen an den Raum, als Unterschied die Betonungsdifferenz: hier 
‚atsächlichen Antipoden mehr an Gemeinsa- die städtebauliche und sozialwissenschaft- Element, dort Beziehung. } } 
mem als man; ahnt. Die heimlichen Gemein- liche zur Diskussion gestellt und damit So sehr sich diese Regelbegriffe auch in der 
samkeiten beginnen früh, gehen zurück auf versucht, sich dem Raum neben der Ökolo- Definition gleichen, sie unterscheiden sich in 
Jas Team X. aus dem sich viele Konzepte gie, Wohnungsbaupolitik etc. als einem ihrer der Bedeutung extrem. Für Aymonino ist der 
speisen, die sich später in der einen oder zentralen Themen zu nähern. Typus ausschließlich analytischer Natur, der 
 ahderen Richtung entwickelt haben und Mit Heft 50 haben wir einen ersten Versuch sich erst in der Untersuchung mit Bedeutung 
heute bekämpfen. Gemeinsam ist diesen zur Verschränkung dieser Ansätze unternom- anreichert. Folgerichtig verwendet er diese 
Versuchen die Suche nach einer strukturalen men, um den Raum nicht nur im Sinne von Kategorie auch nur zur Isolierung histori- 
Begründung der Architektur, die sich gleich- Architektur und Städtebau stadträumlich scher Bautypen (ARCH+ 37, Aymonino). Für 
wohl in dem, was Struktur, was Anwendungs- oder im Sinne der Sozialwissenschaften ver- Alexander dagegen existieren die Patterns 
feld strukturalen Denkens ist, unterscheidet, haltensräumlich zu sehen, sondern sozial- real und besteht die Aufgabe des Entwerfens 
heiße Struktur nun Struktur, Typus oder räumlich. Die Lehre an der UP 3 diente uns in nichts anderem als „bestimmte Versionen 
Pattern, Anwendungsfeld nun Wohngewebe, hierfür als Beispiel (ARCH+ 50, 8.38). In der Verwirklichung dieser Regeln zuwege zu 
Stadt oder gelebter Raum wie bei den hollän- diesem Zusammenhang ist interessant, wie bringen - aber auch nicht mehr als Versionen 
dischen Strukturalisten (van Eyck, Hertz- dieses Heft aufgenommen wurde. Kritisiert (Grabow, 1983, 5.46). 
berger), Venezianern (Muratori, Aymonino, wurde nämlich nicht das Heftkonzept als Damit greift er in einer neuen Art und 
Rossi) oder bei Christopher Alexander. Erst solches, sondern jeweils gesondert die Rele- Weise in die bisher eurozentrische Diskus- 
vor diesem, aber gemeinsamen Hintergrund vanz der städtebaulichen oder sozialwissen- sion um die Frage der Regelbegriffe ein. Diese 
heben sich die späteren Richtungen ab, schaftlichen Theorie, Ist sie repräsentativ für hatte sich in der Spanne zwischen Histori- 
gewinnen die Unterschiede im Autonomie- die angesprochene Disziplin, stellt sie nicht zismus und Formalismus bewegt. Ausgangs- 
anspruch der Architektur, im Eingehen auf eher eine zufällige Auswahl dar - so in etwa punkt ist ein Satz von Basisannahmen zur 
die Wünsche der Bewohner und nicht zuletzt war der Tenor der Kritik. Stadtbauanalyse. Auch Muratari besagen sie, 
die die Richtungen charakterisierenden Ar- . Gefragt war aber das Studium des Raums daß das methodische Repertoire, Typus, 
chitekturvorlieben und -stile Bedeutung in sozialräumlicher Absicht. Nur in diesem Gewebe, Stadtorganismus zwar in der Unter- 
Sinn erklärt sich der Beitrag der angesproche- suchung zu isolieren, aber niemals von der 
nen Disziplinen bzw. Schulen oder Rich- Untersuchung abzulösen sel. 
Einige Bemerkungen zu einer Publikations- tungen. Die gleiche Absicht liegt auch diesem Für den Entwurf bedeutet das, daß es keine 
strategie von ARCH+ Heft zugrunde. Was aber bei ARCH+50 noch kausale Beziehung zwischen Stadtbauanalyse 
bewußte Konstruktion, noch pure Konfron- und -entwurf gibt, es sei denn, man versuche 
Weder von der galoppierenden Stilinflation tation war, ist hier Programm: die sozial- sie um den Preis eines Historizismus oder 
noch von den inflationären Wortschöpfungen räumliche Annäherung an den Raum. Sie ist Formalismus zu erzwingen. Im einen Fall 
soll die Rede sein, noch wollen wir einem der Voraussetzung dieses Heftes, obwohl es dem heißt das: Unterordnung des Entwurfs unter
	        
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