Sozialleistungen haben sich zwischen 1977 und 1982 um ca. 15- Wieder etwas näher: Japan und die USA sind die schärfsten
20 % erhöht (Hans Koschnik). Die Zersiedlung schreitet unauf- Konkurrenten in der Entwicklung der neuen Computergenera-
hörlich weiter. Im Rhein-Main-Gebiet nahm die Wohnfläche zwi- tion. In den anderen Industrienationen beginnt ein ungeheurer
schen 1950 und 1980 um 172 %, die Gewerbefläche sogar um Wettstreit um den Anschluß. Bescheiden nehmen sich die Bemü-
232 % zu, aber die Bevölkerung Frankfurts nimmt ständig ab. hungen unzähliger Städte und Kommunen um die Ansiedlung neu-
Durch die wirtschaftliche Veränderung entfallen die Industriear- er Innovationsfabriken ä la Silicon-Valley gegenüber den japani-
beitsplätze. Sie sind jetzt außerhalb der Stadt. Die in ihre Lücke schen Plänen aus. Sie bereiten bereits seit vier Jahren die Grün-
drängenden Mittel- und Kleinbetriebe bringen kaum Einnahmen. dung von 14 Denkerstädten vor. Diese, unter dem Kennwort
Und das wird sich steigern. Die notwendig ungünstige industrielle „Technopolis” geplanten Forschungs- und Produktionskombinate
Entwicklung der Städte mit ihren z.T. nicht mehr am Weltmarkt sollen in dünnbesiedelten Landstrichen als Modellstädte der Indu-
wettbewerbsfähigen Basisindustrien der Gründerzeit, mit ihrem strie des 21. Jahrhunderts angelegt und Brutstätten einer sich
hohen Energieaufwand führt dazu, daß die Arbeitslosigkeit inden wechselseitig befruchtenden Vereinigung von Forschung, Produk-
Großstädten erheblich höher liegt als im Bundesgebiet. Die Pro- tion und Vermarktung werden (Peter Crome), Technokomplexe.
Kopf-Verschuldung ist zwischen 1970 - 1980 um 270 % gestiegen, die NASA plant eine Mondsiedlung im Wert von 220 Mio. Dollar.
die Steuereinnahmen pro Einwohner nur um 90 % (Hans Kosch- Es hinge nicht mehr an den technischen Möglichkeiten, sondern an
nik). Der Staat hilft nicht, im Gegenteil. Er versucht, der Stadt den politischen Entscheidungen, ob sie die Kosten für dieses Pro-
noch mehr Lasten aufzubürden. jekt bewilligt bekommen wird (Wolfgang Brauer).
Die Stadt muß also rationalisieren und wegsanieren. Sie muß bil- Aber all diese Entwicklung denkt die neue Technologie doch in
ligen Wohnraum in teuren umwandeln, muß Platz machen für die den alten Bahnen des mechanistischen Funktionalismus weiter.
Großeinheiten, neue Industrien, neue Bildungs- und Forschungs- Die Definition von Zeit, Raum und Arbeit ist dabei zu sehr von
einrichtungen, all das fordert noch den Individualverkehr zu be- Funktionen her gedacht, zu wenig von Ordnungen, vom Versam-
rücksichtigen. Sie muß versuchen, die Menschen als Kunden indie meln, intensiver Konzentration und Meditation, vom Dialog und
Stadt zu locken, als Konsument der vielfältigen städtischen Ein- von der Herstellung von Orten als Heimat, also zuwenig von einer
richtungen. Sozialforschung wird zur Marktforschung. Dafür re- Stadtarchitektur, die sich nicht formalistisch versteht sondern poli-
stauriert sie die alten Rathäuser und Häuserzeilen. Die Stadt muß tisch existentiell. Moderner Historismus oder „up to date” zu sein
für die City attraktiv bleiben. Die alte Stadt wird City und vertreibt helfen dabei wenig. Die Zukunft der Stadt hat von der Analyse ei-
erneut den Bewohner. Sie muß die finanzkräftigen Branchen und nes neuen Zeitbegriffs der Arbeit auszugehen, die einer neuen
deren Arbeitsplätze halten. Diese sind dank neuer Technologien —Räumlichkeit bedarf, die diese ermöglicht. Die Antwort Stadt -
jederzeit aber in der Lage, ihre Steuerungsfunktion in eine andere Arbeitswelt wird aber wohl nicht in der ästhetischen Weise zu fin-
Stadt zu verlegen, oder ihre Arbeitsplätze nach Taiwan. Dafür den sein: Die Antwort wird eine politische sein.
wird die Stadt wieder möbliert und aufgeputzt. Die Stadt ist ver- Dies ist das Stichwort, um auf die Frage nach konkreteren Mög-
pflichtet, Eigentum zu schützen, ein circulus vitiosus. Die Stadt j;chkeiten Antwort zu geben. Stadt ist als Stadt nur politisch ge-
zerfällt, verliert ihre Integrationsfunktion: allenthalben sehen wir worden und hat nur mit politischen Mitteln ihre Stellung behaup-
die Folgen. Gibt es keine Zukunft, keine Alternative? ; tet. Ohne die Wiedereroberung des Politischen wird die Stadt kei-
Die Verweigerung hilft nicht, das Problem zu lösen, auch nicht „e Chance haben. Gewalt und Terror sind keine Mittel, auch die
seine Asthetisierung. Es hilft keine parasitäre Alternative. Deswe- (UJtopien vom Aussteigen und Umkehren sind letztlich Vogel-
gen ist die Herausforderung der Technologie anzunehmen, um der S+rauß-Strategien. Sie hängen eng mit den Suprastrukturen wan-
Stadt wieder Raum, Funktion und Ordnung zu geben, die Chan- dqernder, schwebender, schwimmender Plug-ins, Clip-outs ä la
cen einer neuen Zeitauffassung, räumlich umzuformen; für neue pqo[/9 Soleri, Kenzo Tange oder Kiyonori Kikutate hybriden Mega-
stadträumliche Verknotungen zu nutzen, statt Monotonie und Iso- v;sionen von Planern zusammen (Rolf Keller).
lierung Überraschung, FEASENZ; Gemeinschaft, Haufen und Grup- Soll man vor der Übermacht der Probleme resignieren? Ich mei-
pierungen, Zusammenhänge und Charaktensisnungen: WE S0BS ne, das geht gar nicht. Wir haben die neuen Technologien nicht zu
bleibt; kennen wir: Hausbesetzung- Hansräumung-Brotest, Pro: verteufeln, sondern sie als Herausforderung zu verstehen wie dar-
LESE. über nachzudenken, was mit Hilfe der neuen Technik für die Stadt
schöpferisch Gestalt werden kann, wie mit dieser Technik die Ent-
N r fremdung durch diese Technik überwunden werden kann, eine
Welche Perspektiven gibt es? neue Stadt geschaffen werden kann infolge einer nicht raumgestal-
Sum ; . tenden Technik, die aber den Menschen mit „Entleiblichung” be-
Wie wird die Computerzukunft der Stadt aussehen? Glauben wir droht. Die Forderung für diese Aufgabe müßte also heißen: Erhalt
den Propagandisten der Computer-Lobby, dann fällt uns mit der5. der politischen Nachbarschaft (Sigmar Gude) und gleichzeitig die
Computer-Generation das „Reich der Freiheit” von selbst in den intensive Beschäftigung mit der Stadt als Gesamtkommunikations-
Schoß: Die Roboter haben die Schwerarbeit übernommen, die feld in der Herausforderung neuer Medien als einer neuen Ar-
Computer die Denk- und Steuerungsfunktionen. Wir leben nur beitswelt. Stadt ist nicht nur eine Ansammlung von Menschen un-
noch: Wir kaufen per Tele-Home-computer ein, betätigen über ter bestimmten räumlichen Umweltbedingungen. Es geht um die
ihn unsere Bankgeschäfte oder — falls wir das noch wollen — unse- Wiedergewinnung der politischen Autonomie von Stadt, gerade
re Arbeit. Er erledigt allen Verwaltungsaufwand, spart Verwand- mit Hilfe der neuen Medien. Sie bedrohen nicht nur, sondern ge-
tenbesuche und bringt neue Bildung und Abwechslung in unser ben auch der Stadt eine Chance, die Chance zur sozialen Raumbil-
Leben. Auf Abruf erhalten wir das gesammelte und gespeicherte dung. Womit wieder die Elemente der mittelalterlichen Stadt zum
Wissen des Universums in unsere scenic-window-verglaste Wohn- Thema werden und die Bedeutung einer historisch gesättigten
zelle, jederzeit mobil. heute hier demontiert, morgen dort mon- Stadtentwicklung offenkundig wird. Hier können, nein hier müs-
tiert. : —_- sen die Planer und Architekten ansetzen. Der Traum von der ver-
Dermaßen gebildet und befreit von lästigen Alltagssorgen wer- drahteten Gesellschaft ist politisch im Sinne mündiger Bürger zu
den wir uns in kreative, schöpferische, spielerische Aktivitäten gestalten. Die Herausforderung ist anzunehmen. Wird dies nicht
stürzen, vom Töpfern, Malen oder Gärtnern zum Pilzesammeln, geleistet, dann werden die alten apokalyptischen Untergangsbilder
Hobbyhandwerken bis zum Philosophieren. Oder wir wohnen im des beginnenden 20. Jahrhunderts wieder aktuell, die Bilder Go-
Grünen, selbstversorgt durch Biogas und Biogemüse. Die neuen morrhas, die Hoffnungslosigkeit angesichts einer ausgedorrten.
Technologien werden die knappen Ressourcen der Erde sinnvoll weil nicht mehr politischen Stadtgesellschaft eines sinnentleerter
nützen und auf alle gleichmäßig und gerecht verteilen. Das Zeital- Stadtlebens. so wie es Stefan Heym entwirft:
ter der Kriege, des Hungers, des Betons und des Blechs ist vorbei
(J.A. Makowsky). „Eine große Stadt versank im gelben Rauch,
Dies ist die eine Seite der Extrapolation künstlicher Intelligenz, Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
die andere hat Huxley in seiner Brave New World beschrieben: der Aber riesig über glühnden Trümmern steht
total überwachte, isolierte Mensch, ohne Verantwortung, ohne Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,
Pflichten, voll versorgt durch zentral gesteuerte Güterverteilung Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,
und Massenkommunikation in den Händen staatlicher und privat- In des toten Dunkels kalte Wüstenein,
kapitalistischer Verwaltungsapparate, effizient diszipliniert und Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
kontrolliert zur Sicherheit des atomarbetriebenen Weltstaates Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.”