Helmuth Kromrey
eo
„Enträum-
Hächung”’
sozialen
Thesen zur Bedeutung der
neuen Informations- und
Kommunikations-
technologien
Vorbemerkung: Zum Zusammenhang und Organisation „in Form von Vernet- oder auch über die Definitionskraft von
von Raum und Verhalten zung oder Trennung verschiedener Le- Raumgestaltung und -ausstattung für
bensbereiche wie Wohnen, Arbeiten, das an jeweiligen Orten „angemessene“
E} aktuelles Thema, das auch den Bildung, Erholung etc.“ (Herlyn, a.a.O.) Verhalten, so daß sich ein „behavior
diesjährigen 22. Deutschen Soziolo- sowie auf ihre bewußtseinsmäßige Ver- setting“, eine Strukturgleichheit (Syno-
gentag beschäftigen wird, ist die „Gestal- ankerung oder Widerspiegelung. Ob- morphie) von Milieu und Verhalten
tung und Entwicklung sozialer Lebens- wohl einerseits die Vernachlässigung der herausbildet.®
zusammenhänge“.! Gemeint ist damit Dimension „Raum“ in soziologischen Damit ‚sind nur einige Ansätze ange-
„die Art und Weise der Vermittlung ver- Theorien beklagt wird (Konau 1977), _sprochen, die sich mit der Beziehung von
schiedener Lebensbereiche einer Person haben doch Soziologen und Psychologen Raum und Verhalten und damit eben
oder kleiner Personengruppen“ (Herlyn aus unterschiedlichsten Perspektiven auch mit dem Beitrag der räumlichen
1984, S.1). Weder leben in einer Gesell- hierzu eine Reihe von Thesen aufgestellt. Umwelt zur Knüpfung von Lebenszu-
schaft Individuen oder Gruppen von Häufig findet man Feststellungen über sammenhängen auseinandersetzen. Im
Individuen für sich allein, noch existie- verhaltensbegrenzende und damit ver- vorliegenden Beitrag möchte ich nun die
ren die einzelnen Lebens- und Hand- haltensselektierende Funktionen des Frage aufwerfen, ob und in welcher
lungsbereiche von Individuen und Raumes und seiner Ausstattung mit Weise die Verbreitung neuer Technolo-
Gruppen isoliert nebeneinander: Man Infrastruktur und „Gelegenheiten‘“?, über gien - hier insbesondere neuer Informa-
steigt nicht aus dem einen Bereich (etwa die „Raumbezogenheit sozialer Proble- tions- und Kommunikationstechnolo-
Berufsarbeit) zu einem bestimmten Zeit- me*“‘3 bis hin zu der Hoffnung, durch die gien - Anlaß gibt, manche der oben
punkt aus und beginnt dann in einem Gestaltung der gebauten Umwelt das _angedeuteten Aussagen neu zu durch-
anderen voraussetzungslos neu. Viel- Verhalten ihrer Nutzer in eine gewünsch- denken. Die empirische Ausgangsbasis
mehr sind die einzelnen Lebenssegmen- te Richtung steuern zu können.* Hinzu für meine Thesen liefern die Befunde der
te in vielfältiger Weise miteinander ver- kommen Aussagen der. sozialökologi- wissenschaftlichen Begleitung des „Bild-
knüpft und vernetzt und ergeben in ihrer schen Schule (insbesondere in der Form schirmtext“-Feldversuchs.
Gesamtheit den „Lebenszusammenhang‘“ eines Hypothesenbündels, das unter dem Aus mehreren Gründen ist Bildschirm-
von Personen oder Personengruppen. Begriff „Ökologischer Komplex“ be- text (Btx) als Beispiel für die Konse-
kannt geworden ist) bis hin zu einer quenzen neuer Informations- und Kom-
Die in verschiedensten Formulierun- differenzierten, auf empirische Anwen- _munikationssysteme besonders geeignet:
gen immer wieder gestellte Frage ist nun, dung ausgerichteten „Theorie sozial- ® Btx wird als erstes der sog. „neuen
wie sich solche Lebenszusammenhänge räumlicher Organisation“, wie sie Jürgen Medien“ praktisch eingeführt.
von Personen herstellen oder wie sie ın Friedrichs (1981, S. 48 ff.) formuliert hat. @ Im Unterschied zu anderen Systemen
einer gegebenen Gesellschaft mehr oder Auf seiten der Umweltpsychologie fin- liegen hier aus der wissenschaftlichen
weniger zwingend hergestellt werden. den sich Thesen über die „Territoriali- Begleitung der Pilotprojekte empirische
Eine speziellere Frage in diesem Zu- tät“ auch menschlichen Verhaltens, über Erfahrungen vor.
sammenhang bezieht sich auf den Stel- Raumwahrnehmung und -aneignung, ® Btx weist in seiner Angebots- und
lenwert „lokaler Lebenszusammenhän- über die bewußtseinsmäßige Repräsen- Nutzungsstruktur genügend Ahnlich-
ge“, d.h. auf die räumliche Anordnung tation in Form „subjektiver Landkarten“ keiten zu anderen interaktiven Medien-