Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

i i ü i ° ° Zeitgenössische Karrikatur 
HoPalire ATECEtUr der DeIChEn und SymbCIE: Michael Wilkens zum Hau am Michaelerplatz, Wien 
Architektur als „‚dekorierter Schuppen” von Adolf Loos 
dtv-atlas zur Baukunst. letzte Seite 
nsere Berufsgeschichte ist mit einer 28 
UÜ ziemlich traurigen Tatsache verbun- Plädoyer 
den, der nämlich, daß die Häuser und Wie - 
Bauwerke irgendwann den Schuppen 
weichen mußten, großen und kleineren A) a die 
Schuppen, meist aber großen, flachen 
und hohen, meist flachen, manchmal t 
aber auch sehr hohen, vielgeschossigen rortse ZUR 
Hochhausschuppen ... Das mußte plötz- 
lich alles sehr schnell gehen: Schuppen ad M d 
werden nicht „gebaut“, solide fundamen- er oO erne 
tiert. Sie werden einfach hingestellt, e 
montiert, zusammengetackert, genietet. 5 t d 
Und das Traurige ist vor allem, daß sie + A an eren 
innen eigentlich keine Räume haben. Ob- 1@ 
wohl - und das ist merkwürdig - obwohl Yüätteln 
sie hohl sind: sehr hohl sogar. Unsere 
Aufgabe war es nun, diese Schuppen ein 
bißchen nett zu gestalten. „Sehen Sie zu“, „Da die Dekoration nicht mehr orga- Evolution der Kultur ist gleichbedeutend 
sagten unsere Auftraggeber immer, wenn nisch mit unserer Kultur zusammen- mit dem Entfernen des Ornamentes aus 
sie uns nach der ersten Verhandlung an hängt, ist sie auch nicht mehr der Aus- dem Gebrauchsgegenstand.“ Mit unse- 
die Tür brachten, „daß das Ganze ein druck unserer Kultur. Die architektoni- ren Worten. „Die Evolution der Kultur 
bißchen nett wird. Besonders vorne sche Dekoration, die heute geschaffen führt zum Schuppen“. Aber das hätte er 
heraus. Hinten ... na, Sie wissen schon.“ wird, hat keinen Zusammenhang mit nie gesagt, sich nicht einmal vorgestellt. 
Und dann machten wir uns an die Arbeit. uns, hat überhaupt keine menschlichen Obwohl sein gleichzeitig gebautes Haus 
Die, wie man sieht, immer schon ziemlich Zusammenhänge.“ (In Wirklichkeit in Wien am Michaelaplatz so von einer 
„postmodern“ war. Wir mußten die heißt es in dem Zitat nicht „Dekoration“, geradezu hysterisch reagierenden Öffent- 
Schuppen dekorieren. Mit Häusern, sondern „Ornament“. Doch der Unter- lichkeit kritisiert wurde: Das war schon 
richtigen, fest im Boden verwurzelten schied spielt in unserem Zusammenhang ein Schuppen. Aber Loos war kein Zyni- 
Häusern, hat unser Berufsstand nie zu keine Rolle. Es ist klar, was hier gemeint ker. Er bearbeitete das Problem auf einer 
tun gehabt. Häuser werden nicht entwor- ist). Ebene, auf der ihm das selbst besser zu- 
fen. Sie wurden gebaut. Nein, wir müssen In diesem Zeitungsartikel von Adolf gänglich war. Auf der Ebene der Ge- 
uns das eingestehen: Unsere Aufgaben Loos aus dem Jahre 1908, überschrieben Dbrauchsgegenstände. Und so war das 
waren seit Schinkel diese billigen, mit „Ornament und Verbrechen“ findet sich schon vorher in England auch gelaufen. 
Hypothekengeldern finanzierten Schup- auch der bemerkenswerte Satz: „Die Überall, wo man sich an die Entkleidung 
pen, da sollten wir uns nichts vormachen. 
Seit Schinkel? - daß wir da stutzen, be- 
weist nur, wie sehr unser Beruf schließ- Foto links: 
lich auf seine eigenen Tricks hereingefal- Werkstatt-Stuhl, 
len ist. Natürlich! Schinkel: Ein Meister We 
in der Verschönerung der Schuppen. 
Den „Marmor“ der Säulen am Portikus 
lieferte ihm ein Malermeister aus Pots- 
dam, die prächtigen „goldenen“ Kan- 
delaber ließ er bei einer Manufaktur fer- 
tigen, die sonst Zinnsoldaten herstellte, 
(und dann hauchdünn vergolden), und Zeichnung En nt 
die mächtigen „Quadersteine“ des kron- Hugo Häring a 
prinzlichen Palais in Glienicke, die ließ er BT Urt ‚Emm ASBESTSCHIERE Km 
aufnageln! (Sie wurden nämlich aus gyaht. 1949 RUNTER 
Blech tiefgezogen und dann später über- 1 ; | b 
geschlämmt). Man stell’ sich vor, wie es Eier 
darunter aussieht: das kronprinzliche MV una AH 
Palais - ein hölzerner Schuppen! Man Fe Hi 
kann natürlich heute darüber lachen. Be- TRANSPORTABLER 
sonders über die Andacht, mit der die OPEN EEE 
Kunsthistoriker später diese tempelför- UNOLEUM EEE hu 
migen Schuppen gefeiert haben, so als He 
seien sie wirklich den alten griechischen Ze! EHE 
Häusern ebenbürtig - Architektur. Doch a eh 
hat diese Maskerade auch etwas trauri- u 
ges. Denn auf die Dauer ließ sich die Tat- ARKIMATTE 18CM nn EN 
sache nicht mehr verheimlichen: Unsere GOUDRONIERT 
Kultur verlor ihre Häuser, ihre Räume, 
ja: ihr Zuhause. Schon dringt der inter- Hugo Häring SA 
nationale Schuppenbau in ‚die letzten Entwurf für eine Flachsiedlung DO 
Dörfer vor. Dekorierte Kisten zwar, aber mit treppenlosen Häusern R ZEeTORKRET ARMIERT 4cm } 
eben doch bloß Kisten. Und so ist eskein 230/31 = 7 „, STAHLDRAHTGEW. SCHALF) 
Wunder, daß die Geschichte unseres “wndriß, Schnitt, Modellfoto 
Berufs früh ein paar Leute auf den Plan 
rief, die bei dieser Maskerade nicht mehr 
mitspielen wollten. Und die argumentier- 
ten etwa so: Zitat: NOEFM _, __ASPHAITPLATTNRELAG]L
	        
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