ohnknast, Betonknast: Wer kennt
W ich die 1980/81 auf dem Höhe-
punkt der Hausbesetzerbewegung in
Amsterdam, Berlin und anderen Städten
auf Häuserwände gesprühten Parolen,
die die Eintönigkeit eilig hochgezogener
Stadtrandgettos der Nachkriegsjahr-
zehnte aufs Korn nehmen. Knast ist hier
ein überspitztes Schlagwort, eine an-
klagende Metapher. Mit dem Mittel der
Übertreibung wird auf die Unzulänglich-
keiten ’modernen’ Städtebaus hingewie-
sen. Dabei geht es nicht wirklich um eine
Gleichsetzung von Wohnung und Ge-
fängnis. Daß niemand, der ’Wohnknast’
sprüht oder davon schreibt, um die Öde
bestimmter NA zu brand-
; marken, die tatsächliche Übereinstim-
Wolfgang Voigt mung der Lebensbedingungen an diesen
| . beiden Orten behauptet, bedarf keiner
Erklärung. (Nur wer noch kein Gefäng-
4 nis von innen gesehen hat, käme auf diese
A R Idee.)
” Für die ältesten Bewohner einer städti-
schen Wohnanlage in Bremen, die aus
der Zeit des dritten Reiches stammt, ist
) ; Wohnknast keine abgelöste Metapher,
sondern die reale, auf den einfachsten
Die Siedlung Nenner gebrachte Beschreibung ihrer
2 A e Siedlung im ursprünglichen Zustand.
als panoptisches Gefängnis Die Premischr Wohnungs fürsorsen-
stalt wurde im Jahre 1936 auf einem
abgelegenen, von Industrieflächen umge-
benen Gelände als Wohnkolonie für
'asoziale” Familien errichtet. 84 Ein-
familienhäuser bildeten eine vo ge-
schlossene Anlage unter ständiger Über-
wachung, die nur mit Erlaubnis betreten
oder verlassen werden durfte. Durch die
Gestaltung der Kolonie und das den Be-
wohnern zugedachte Schicksal ergibt
sich der wohl- einmalige Fall einer
Überschneidung zwischen dem öffent-
lichen sozialen Wohnungsbau, in dessen
Rahmen die Häuser gebaut wurden, und
dem KZ-Svstem des Dritten Reiches.
cn DE
ichtfest in der
Bremer oh Asozialen- Kolonie in Bremen:
fürsorgeanstalt Durchlauf- und Auslesestation für den
nicht angepaßten Rand der Gesellschaft
rechte Seite:
Strahlenplan Les Die in die Bremer Wohnungsfürsorge-
Gefüngnnses bei anstalt eingewiesenen Familien mit über-
Philadelphia 1821 wiegend arbeitslosen Vätern stammten
aus der Klientel der Fürsorgeverwaltung.
Für welchen Personenkreis die Anlage
gedacht war, ist einem internen Vorgang
.. mit der Überschrift ’Bremer Erziehungs-
Bremens Wohnungsfürforgeanftalt zehn Mabahnen genen Asor
9 le’ zu entnehmen, der in der zuständigen
Erfte. für ganz Deutfchland vorbildliche Anlage — Fin Rundaana durch die Siedlung Behörde Anfang 1936 verfaßt wurde.
Drei Jahre nach der Machtergreifung
1933 wurde unter den von der Weltwirt-
schaftskrise übriggebliebenen Arbeits-
losen die noch unangepaßte Gruppe der
’Asozialen’ ausgemacht:
„Es sind dies jene Elemente, die bewußt oder unbewußt die
Volksgemeinschaft ablehnen, jede Leistung von einem
vorherigen Entgegenkommen des Staates abhängig
machen und in ihren Forderungen maßlos und unver-
schämt sind. Die Auswirkungen dieses krankhaften
Ichlebens können sein: Arbeitsunwilligkeit, Arbeitsver-
weigerung, Unterhaltsentziehung, Unwirtschaftlichkeit,
Hemmungslosigkeit (verschiedener Art), Trinken, Betteln
und Hausieren, sowie Störung jedes Gemeinschaftslebens
oder Verwahrlosung der Kinder. Außerdem gehören
hierzu die geistig nicht ganz Normalen und die aus
Ännerster Überzeugung volksfeindlichen Elemente (anti-