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W enn es einen Weg gibt, eine selbstver-
ständliche Architektur zu machen,
' aj der keine ästhetische Absicht verstimmt, Hermann Czech
dıe jenseits von persönlicher Eitelkeit sich
durch das Glück der Benutzer rechtfertigt, :
müßte man ihn nicht begehen? Wenn es
überdies möglich ist, Regeln und Verfahrens- Christopher Alexander und
weisen anzugeben, die von persönlichem
Versagen unabhängig, ja es sogar schwer ® ®
machen, Fehler zubegehen, müßte man sie d W M d
nicht befolgen? Danı! ware es möglich, das 1€ jener 0 erne
Normale zu bauen, so wie es immer gewesen
ist und immer sein könnte. Durch kleine
Unterschiede würden sich Zeit und Ort aus-
drücken. Das Gebaute würde als selbstver- gemeint, man könne über die Sachlichkeit „Der einzelne Mensch ist unfähig, eine Form
ständlich akzeptiert; nur die kleine oder grö- nur hinaus, indem man noch sachlicher sei. zu schaffen, also auch der Architekt. Der
ßere Verbesserung würde registriert und Tatsächlich hat keiner der zahlreichen irratio- Architekt versucht aber dieses Unmögliche
anerkannt. nalen Ansätze zur Überwindung des „Funk- immer und immer wieder — und immer mit
Aber so ist es nicht. Gebaut wird anders tionalismus” jene ursprüngliche Kraft aufge- negativem Erfolg. Form oder Ornament sind
und — wie wir wissen — mit schlechtem funden, die den Menschen wieder zu sich das Resultat unbewußter Gesamtarbeit der
Ergebnis. Wann ging jene Fähigkeit verlo- selbst bringt. Menschen eines ganzen Kulturkreises. Alles
ren, und wie ist sie wieder zu erreichen? Auch Alexanders Ansatz konnte nur grei- andere ist Kunst. Kunst ist der Eigenwille des
Durch die Schriften Alexanders zieht sich fen, weil es ein methodischer war. Unzufrie- Genius. Gott gab ihm den Auftrag dazu.”
der Begriff eines Sündenfalls: jener der Indi- den mit dem zeitgenössischen Bauen und
vidualität — in den „Notes” als Ende der dem Architekturunterricht, der ihm „nicht {Loos meinte aber auch:)
unbewußten kollektiven Formfindung; bis half, schöne Gebäude zu gestalten”, ging er „Der Weg ist: Gott schuf den Künstler, der
hin zu jenem Bild des ehrgeizigen Designers, den Voraussetzungen der Formfindung nach. Künstler schafft die Zeit, die Zeit schafft den
dessen Entwurfsmotor die Eitelkeit ist und Was er in den „Notes” fand, entspricht einem Handwerker, der Handwerker schafft den
der eine im Grunde unbrauchbare und unge- Standpunkt, wie ihn Loos formulierte: Knopf ”
liebte Umwelt schafft, die wiederum nur aus
Eitelkeit akzeptiert wird, im „Linz Cafe”. » Patterns” bei Josef Frank
Alexander setzt die Unterbrechung der
Kontinuität ins 20. Jahrhundert. Es sind die
„Baumeister der letzten 50 Jahre”, die nichts
mehr von den zeitlosen Gegebenheiten wis- m ö
sen („Linz Cafe”). |
Indem er den Zeitpunkt des Kontinuitäts- a
bruchs — in den „Notes” lag er noch im Ent- N H]
stehen des bewußten Formfindungsprozesses Def Na
— in greifbare Nähe rückt, entspicht Alexan- 1]
der JEHEr geistesgeschichtlichen Tradition, a) Ein Schema eines schlechten Grundrißes.
jeweils das Werk der Vätergeneration als das Die Zimmer haben alle dieselbe Lage
zu überwindende Falsche zu erleben. Wir und Belichtung
sehen ja, wie ganz allgemein das architekto- A a
nische Denken sich ‚kritisch der klassischen
modernen Architektur zuwendet, daß aber C)
gleichzeitig bei differenzierter kritischer
Betrachtung jene Kräfte auffallen, die vom
Hauptstrom der modernen Architektur an Diese Forderung, daß die Ordnung
den Rand gedrängt waren. Es ist nun nicht verrückbar sein soll, führt weiter dazu, daß
uninteressant, die Grundeinstellungen des | die Form des Möbels so unprismatisch
Hauptstroms und jener an den Rand wie möglich sein soll; die rechtwinkelige
gedrängten Kräfte zu vergleichen. = Ebene, die ein Ausdruck für den Ordnungs-
Charakteristisch für die großen Meister der sinn ist, fordert Immer eine Paralleistellung
Moderne war zweifellos ihre Avantgarde- ; i i ve ch
x . a1. . b) Ein Schema eines guten Grundrißes. Beinen kann gestellt werden wie man will,
Rolle; sie hatten einen stilbildenden, im Die Zimmer haben wechselnde Eigenschaf- und die runden Sessel werden nach
Sinne der Architekturentwicklung fortschirtt- ten. was Form, Lage und Belichtung betrifft Belieben rund um ihn angeordnet.
lichen Einfluß. Das sind Begriffe, die im
Gedankenkreis Alexanders keinen positiven
Stellenwert haben. Aber vielleicht kann man
jenen Außenseitern den gegenstäzlichen
Impetus zuschreiben: die perenne Dualität
der Architektur aufrecht zu erhalten, eine
abgerissene Kontinuität fortzusetzen,
Gebäude zu schaffen, in denen Menschen sie
selbst sein können, und alles das auf dem
Grund einer Erkenntnis von konkreten
Bedürfnissen und ihren Raummustern. HK RN
Das ist eine Vermutung und in ihrer Ver- '
einfachung nicht belegbar. Ich gebe damit Lt
nur das Motiv an, das zu den folgenden punk- S ©
tuellen und zufälligen Vergleichen mit Tex-
ten von Adolf Loos und Josef Frank führt. A SO
Bei diesem skizzenhaften Vergleich von ; .
Alexanders Gedankenwelt und jener Wiener
Seitenströmung der Moderne geht es natür- - a a
lich nicht um Prioritätsnachweise. Ich 2) "Bauhaus" Griffe b) Griffe für den-
bezweifle sogar, daß Alexander auch nur die Sie haben alle seo-Saselben Zweck, wie
Schriften Loos’ vor der Arbeit an der Pattern metrische Grund Eaasie SewöNnlCh dur
x formen. Sind also schauen und wie sie
Language gekannt hat. Aber der Vergleich sehr "”einfach”, aber die Industrie her-
könnte illustrativ für eine Rezeption von Ein Sessel, der einmal als Symbol wenig geeignet zum stellt. Sie erfüllt eine
Alexanders Werk sein, was sowohl das der modernen Einrichtung galt. Nur zwei Angreifen mit der Funktion, wer würde
bereitwillige Verständnis wie die Reserve Drittel seiner Größe sind für den Wert Hand. sie aber jemals
betrifft. des Sessels als solchen notwendig — ”funktionalistisch”
Theodor W. Adorno, kein Architekt, aber der Rest ist Dekoration NENNEN.
ein. Kenner des menschlichen Geistes, hat