Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

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W enn es einen Weg gibt, eine selbstver- 
ständliche Architektur zu machen, 
' aj der keine ästhetische Absicht verstimmt, Hermann Czech 
dıe jenseits von persönlicher Eitelkeit sich 
durch das Glück der Benutzer rechtfertigt, : 
müßte man ihn nicht begehen? Wenn es 
überdies möglich ist, Regeln und Verfahrens- Christopher Alexander und 
weisen anzugeben, die von persönlichem 
Versagen unabhängig, ja es sogar schwer ® ® 
machen, Fehler zubegehen, müßte man sie d W M d 
nicht befolgen? Danı! ware es möglich, das 1€ jener 0 erne 
Normale zu bauen, so wie es immer gewesen 
ist und immer sein könnte. Durch kleine 
Unterschiede würden sich Zeit und Ort aus- 
drücken. Das Gebaute würde als selbstver- gemeint, man könne über die Sachlichkeit „Der einzelne Mensch ist unfähig, eine Form 
ständlich akzeptiert; nur die kleine oder grö- nur hinaus, indem man noch sachlicher sei. zu schaffen, also auch der Architekt. Der 
ßere Verbesserung würde registriert und Tatsächlich hat keiner der zahlreichen irratio- Architekt versucht aber dieses Unmögliche 
anerkannt. nalen Ansätze zur Überwindung des „Funk- immer und immer wieder — und immer mit 
Aber so ist es nicht. Gebaut wird anders tionalismus” jene ursprüngliche Kraft aufge- negativem Erfolg. Form oder Ornament sind 
und — wie wir wissen — mit schlechtem funden, die den Menschen wieder zu sich das Resultat unbewußter Gesamtarbeit der 
Ergebnis. Wann ging jene Fähigkeit verlo- selbst bringt. Menschen eines ganzen Kulturkreises. Alles 
ren, und wie ist sie wieder zu erreichen? Auch Alexanders Ansatz konnte nur grei- andere ist Kunst. Kunst ist der Eigenwille des 
Durch die Schriften Alexanders zieht sich fen, weil es ein methodischer war. Unzufrie- Genius. Gott gab ihm den Auftrag dazu.” 
der Begriff eines Sündenfalls: jener der Indi- den mit dem zeitgenössischen Bauen und 
vidualität — in den „Notes” als Ende der dem Architekturunterricht, der ihm „nicht {Loos meinte aber auch:) 
unbewußten kollektiven Formfindung; bis half, schöne Gebäude zu gestalten”, ging er „Der Weg ist: Gott schuf den Künstler, der 
hin zu jenem Bild des ehrgeizigen Designers, den Voraussetzungen der Formfindung nach. Künstler schafft die Zeit, die Zeit schafft den 
dessen Entwurfsmotor die Eitelkeit ist und Was er in den „Notes” fand, entspricht einem Handwerker, der Handwerker schafft den 
der eine im Grunde unbrauchbare und unge- Standpunkt, wie ihn Loos formulierte: Knopf ” 
liebte Umwelt schafft, die wiederum nur aus 
Eitelkeit akzeptiert wird, im „Linz Cafe”. » Patterns” bei Josef Frank 
Alexander setzt die Unterbrechung der 
Kontinuität ins 20. Jahrhundert. Es sind die 
„Baumeister der letzten 50 Jahre”, die nichts 
mehr von den zeitlosen Gegebenheiten wis- m ö 
sen („Linz Cafe”). | 
Indem er den Zeitpunkt des Kontinuitäts- a 
bruchs — in den „Notes” lag er noch im Ent- N H] 
stehen des bewußten Formfindungsprozesses Def Na 
— in greifbare Nähe rückt, entspicht Alexan- 1] 
der JEHEr geistesgeschichtlichen Tradition, a) Ein Schema eines schlechten Grundrißes. 
jeweils das Werk der Vätergeneration als das Die Zimmer haben alle dieselbe Lage 
zu überwindende Falsche zu erleben. Wir und Belichtung 
sehen ja, wie ganz allgemein das architekto- A a 
nische Denken sich ‚kritisch der klassischen 
modernen Architektur zuwendet, daß aber C) 
gleichzeitig bei differenzierter kritischer 
Betrachtung jene Kräfte auffallen, die vom 
Hauptstrom der modernen Architektur an Diese Forderung, daß die Ordnung 
den Rand gedrängt waren. Es ist nun nicht verrückbar sein soll, führt weiter dazu, daß 
uninteressant, die Grundeinstellungen des | die Form des Möbels so unprismatisch 
Hauptstroms und jener an den Rand wie möglich sein soll; die rechtwinkelige 
gedrängten Kräfte zu vergleichen. = Ebene, die ein Ausdruck für den Ordnungs- 
Charakteristisch für die großen Meister der sinn ist, fordert Immer eine Paralleistellung 
Moderne war zweifellos ihre Avantgarde- ; i i ve ch 
x . a1. . b) Ein Schema eines guten Grundrißes. Beinen kann gestellt werden wie man will, 
Rolle; sie hatten einen stilbildenden, im Die Zimmer haben wechselnde Eigenschaf- und die runden Sessel werden nach 
Sinne der Architekturentwicklung fortschirtt- ten. was Form, Lage und Belichtung betrifft Belieben rund um ihn angeordnet. 
lichen Einfluß. Das sind Begriffe, die im 
Gedankenkreis Alexanders keinen positiven 
Stellenwert haben. Aber vielleicht kann man 
jenen Außenseitern den gegenstäzlichen 
Impetus zuschreiben: die perenne Dualität 
der Architektur aufrecht zu erhalten, eine 
abgerissene Kontinuität fortzusetzen, 
Gebäude zu schaffen, in denen Menschen sie 
selbst sein können, und alles das auf dem 
Grund einer Erkenntnis von konkreten 
Bedürfnissen und ihren Raummustern. HK RN 
Das ist eine Vermutung und in ihrer Ver- ' 
einfachung nicht belegbar. Ich gebe damit Lt 
nur das Motiv an, das zu den folgenden punk- S © 
tuellen und zufälligen Vergleichen mit Tex- 
ten von Adolf Loos und Josef Frank führt. A SO 
Bei diesem skizzenhaften Vergleich von ; . 
Alexanders Gedankenwelt und jener Wiener 
Seitenströmung der Moderne geht es natür- - a a 
lich nicht um Prioritätsnachweise. Ich 2) "Bauhaus" Griffe b) Griffe für den- 
bezweifle sogar, daß Alexander auch nur die Sie haben alle seo-Saselben Zweck, wie 
Schriften Loos’ vor der Arbeit an der Pattern metrische Grund Eaasie SewöNnlCh dur 
x formen. Sind also schauen und wie sie 
Language gekannt hat. Aber der Vergleich sehr "”einfach”, aber die Industrie her- 
könnte illustrativ für eine Rezeption von Ein Sessel, der einmal als Symbol wenig geeignet zum stellt. Sie erfüllt eine 
Alexanders Werk sein, was sowohl das der modernen Einrichtung galt. Nur zwei Angreifen mit der Funktion, wer würde 
bereitwillige Verständnis wie die Reserve Drittel seiner Größe sind für den Wert Hand. sie aber jemals 
betrifft. des Sessels als solchen notwendig — ”funktionalistisch” 
Theodor W. Adorno, kein Architekt, aber der Rest ist Dekoration NENNEN. 
ein. Kenner des menschlichen Geistes, hat
	        

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