Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

Wer in der Schweiz Architektur stu- ungeordneter, teils widersprüchli- 
dieren will, hat die Möglichkeit, zwi- cher Bedürfnisse, junge Architekten 
schen drei Hochschulen zu wählen. werden mit Idealen vertraut, die sie 
Die Universität Genf, vom Kanton in eine Praxis einbringen sollen, die 
getragen, betreibt eine Architektur- mehr an Aufwand - Ertrags-Relatio- 
abteilung, die beiden anderen, tech- nen orientiert ist als an anderen Fra- 
nischen Hochschulen, unterstehen gen; die Gefahr dabei ist die immer 
der Schweizer Regierung: die EPF größer werdende Lücke zwischen 
(Ecole Polytechnique Federale) Anspruch der Schule und Realität 
Lausanne und die ETH (Eidgenös- der gebauten Umwelt, gerade in der 
sische Technische Hochschule) Schweiz.” An den Schweizer Archi- 
Zürich. Die durch eine große Zahl tekturhochschulen hat ein Rückzug 
bekannter Entwurfslehrer wie Gott- aus der Öffentlichkeit in die enge 
fried Semper und Carl Moser tradi- Fachwelt der Baukunst, eine Abkap- 
tionsreiche Zürcher Architekturab- selung in isolierte Studierzellen 
teilung ist die einzige Studienmög- stattgefunden.” (Ernst Hubeli in 
lichkeit für Architektur in der deut- Werk, Bauen + Wohnen, Heft 3/83, 
schen Schweiz, aber auch der größte Seite 21). 
Teil der italienisch-schweizer Archi- Ein zur Zeit laufender Ausstel- 
tekturstudenten tummelt sich auf Jungszyklus, veranstaltet vom gta, 
dem Hönggerberg, dem in den 70- möchte den Kontakt zur Öffentlich- 
er-Jahren aus der Innenstadt aus- keit bewahren. Nicht am abgelege- 
gelagerten Teil der ETH, funktional nen Hönggerberg, sondern in Gott- 
rfekt und vollklimatisiert, wohin - : r N i AuDth: 
pe: ih die Architekt tirach Ausstellung über Franz Oswald in der Studienarbeit aus dem >. Semester: fried Sempers Haupthalle des Zen- 
Sch a je Architekten verlrach- aypthalle der ETH von Gottfried Semper Raumkonzeption mit Rampe Ed der ETH, mitten in der 
. . ET tadt, fand bereits letzten Sommer 
a Te EEE le zw See die erste Ausstellung über den Tes- 
» rar ge n siner Architekten und ETH- - 
stern aufgeteilt, ein Jahr praktischer sor Doll © Schnebli tat, di ar 
Arbeit ist obligatorisch, zum Schluß Architek. bild l en 
sch, | ; Ausstellung, stellte d 
zehn Wochen Diplomarbeit und rchiteKturausblidung ArCRICKHEN. Franz Oswald und ser 
eine Anzahl Tree Ka Wer- an der nen Lehrstuhl vor. Ausstellungen 
tung im en der B omnote - „x: über Bernhard Hoesli und Herbert 
im Vergleich zu deutschen TU’s - ETH Zürich Kramel sollen folgen, also über vier 
Kamp NE EN NO DE we Lehrer, die das Spektrum der Schule 
uns und Zeitaufwand her der Ent-  Entwurfskurs für das erste Semester der „monumentalen Stadt” nach repräsentieren. 
wurf eine sehr hohe Wertung 20 Jahre lang eine ganze Architek- Mailand auch Zürich in Spannung Bei der Eröffnung der Ausstel- 
erfährt. So wundert es auch nicht, iengeneration geprägt hat. Eine zu versetzen vermochte. Dem Bild lung über Franz Oswald sprach der 
wenn die Vorlesungszeiten für die 3°Naue Analyse der Bauten er- von der funktionalistischen Stadt Lausanner Architekturprofessor 
Nebenfächer” wie Konstruktion. brachte die Grundlage für den Ent- setzte er eine Stadt entgegen, die Guebler vom Ausverkauf der 
Statik, Bauphysi 5 ?  wurf, sodaß immer ein Grundriß in ihre eigenen Monumente wieder- Moderne, dem Bankrott der 60er 
physik, und später Pla- MU, SO e n ende ; ; 
nung, Bauabwicklung, technischer irgendeiner Form für den Entwurf entdeckt, die sich innerhalb der vor- Jahre, stellte die Frage nach der eige- 
Ausbau, Denkmalpflege u. a. nur Pate stand. Auch heute gilt diese handenen Formen den immer nen Identität und Geschichte der 
allzu oft der intensiven Arbeit am Regel. Der Rückbezug auf einen neuen Bedürfnissen anzupassen NE Schule nr Sr ds 
Entwurf geopfert werden. Der Ent- anerkannten Architekten bzw. auf imstande ist. Stadttopographie, grenzung ZWISCHEN EMNCu g 
wurf hat vom ersten Jahr an zentra- ein bereits vorhandenes Projekt Lehre von den Gebäudetypen und und Revision der Schule innerhalb 
oder bestehendes Gebäude, die _Architekturgeschichte gaben Richt- der Tradition der Moderne gegen- 
ON Referenz legitimiert den neuen Ent- linien für das neu zu Bauende und Über der rein postmodernen Hal- 
Entwurfsklassen wurf. lösten so die Lehren der alten Vor- tung herauszustellen. 
Wie anderswo auch, wird die Lehre Neben dem Element des „Refe- bilder für viele ab. Der Lehrstuhl Oswald ist eine der 
von der Auseinandersetzung um die renzsystems”, an fast allen Lehr- Rossis Gedankengut wird in drei Wahlmöglichkeiten für den 
Nach-Moderne geprägt. Bis zu _stühlen mehr oder weniger stark abgeänderter Form von einigen Entwurfsunterricht im zweiten Jah- 
einem gewissen Grad, bei Bestehen Teildes architektonischen Denkens, Lehrstühlen weitergetragen, zum reskurs. Dieser beginnt mit dem 
em Cr En ae Me EEE SE OU DO Te en zum On nn NEN ae DO 
ie sich in der Nachfolge der nente die Beschäftigung mit der edanken der Moderne oder des ausentwürfen der Architekten Le 
Moderne (bishin zum Gegensatz Architekturtheorie hervor. Vom —energiebewußten Bauens (Solarnut- Corbusier, F. L. Wright, Mies van 
zwischen Massiv- und Montagebau) ersten Semester an werden Vor- zung etc.), doch gibt es auch Lehr- der Rohe sowie neuerer Architekten 
oder Nach-Moderne verstehen; Stu- !esungen über Architektur (als stühle, die ihm ideologisch wider- wie Richard Meier. Diese werden 
denten, die ihnen hierin fast jünger- Name des Unterrichtsfaches) und sprechen. So kann man häufig untersucht nach „Beziehung zwi- 
haft folgen, andere, die unsicher über Architektur- und Gestaltungs- Zeuge heftig geführter Architektur- schen Raumbegrenzung und Räu- 
N Det Ka en A sch ED eaht U der EI En en DE wenn On Rn ZWSCHEn OST und, DT 
au en oßen Erwer! es esucht. Sie. garantieren den Stu- sich zwischen den Vorlesungs- un orm”, „Formstücken,” ...” die das 
„Diploms” beschränkt. Damit sei _denten den Überblick über das zeit- Vortragsterminen derer bewegt, die Gefüge der Räume des Hauses 
auch die Haltung der Mehrheit der genössische Geschehen, und esgibt im Brennpunkt der Kontroversen bestimmen und prägen”, betrachtet 
Studenten umrissen: Konstruktion kaum einen bekannteren Den stehen. ve Einfluß hat somit nach Raumfolgen, Weg- und Ruhe- 
und Bauökonomie spielen nur eine ten, von dem man nicht schon seine unübersehbaren Spuren hin- räumen, und „Inszenierungen” von 
Rolle am Rande; daß die Konstruk- gehört hätte. Auch im 12-monatigen terlassen - der „Willkür” und „Spon- Wegen und Plätzen eines Hauses, 
tion stimmt, erachtet man als Selbst- Praktikum, obligatorischer Teil des taneität” des Architekten, der am angelegt wie eine Stadt. „In verschie- 
verständlichkeit, sozusagen als Ver- Studiums, verschlägt es viele ETH- Zeichenbrett auf den großen schöp- denen Zeichnungen werden Er- 
pflichtung, ehe man überhaupt über ler in die Büros angesehener oder ferischen Wurf wartet, wird eine schließungsstrukturen eines Hau- 
EN zn ie kuneren beginnt. mn N DE de ENTF SE Alternative vorgestellt, deren ben cs und DES Yon N SU 
m im Entwurfsprozeß zu mög- ekten. Die Ausrichtung auf Theorie denken und bewußtes Handhaben oreographien Ähnlich, darge- 
jichst reinen Erkenntnissen zu und architektonische Grundlagen- die unsinnigen Auswüchse der ver- stellt”. Im folgenden wird in fest vor- 
langen, werden bisweil h forschung zeigt sich h Vi 5 hrzehnt hind b Raumk 
gelangen, werden bisweilen auc , zeigt sich auch am Vor- gangenen Jahrzehnte verhindern gegebenen umkörpern eine 
Bauordnungen negiert, entwirft handensein von Einrichtungen wie und bessere Lösungen bringen soll: beschränkte Anzahl der durch die 
nn sozusagen im „bindungsfreien Ben gta SS Ne dr und „Vorbilder aus - wählen und Vorbil- Analyse gewonnenen Elemente zu 
um”, corie der Architektur), dasimmer der durch Verfremdung zum Heuti- einem Neuen zusammengefügt, das 
Zu Zeiten, als die Ideale der dann ins öffentliche Bewußtsein gen aktualisieren”. (Semesterpro- den Gesetzmäßigkeiten der Vorlage 
Non Sal Da Milk a a wenn eine EEE! gramm des Tessiner Gastdozenten folgen soll. Dabei geht es nicht pri- 
stritten galten, waren Le Corbusier, Oder ein neues, von der eraus- Fabio Reinhart, 1984/85) Der Archi- mär um Reproduktion, sondern um 
Frank Lloyd Wright und Mies van gegebenes Buch publiziert wird, wie tekt wendet dabei fast die Methodik „Entdecken, Ausprobieren und 
der Rohe der Dreh-und Angelpunkt vor kurzem zum Beispiel „Collage eines Forschers an, er schließt Erfinden” (zitiert aus Texten in der 
der Lehre, die unumstößlichen Fix- City” von Colin Rowe und Fred bewußt einen Teil der außerarchi- Ausstellung). Zentrale Bedeutung 
punkte. Mat suchte SSL SGCT Kosten CO nd will a tektonischen Einflüsse aus, um in hat dabei die Analogie des Theaters, 
samen Nenner der Konzeptionen enken des überkommenen Städte- einem begrenzten Umfeld zu die nicht nur im Wortschatz, son- 
dieser Architekten und fand diese baus und als ein neues „Vers une Erkenntnissen und Aussagen zu dern auch oft in irgendeiner Form 
Kir en Rn ra En sein. gelangen. als Entwurfsaufgabe im zweiten Teil 
vom kontinuierlichen Raum. Große in Meilenstein in der jüngeren Der Vorzug dieser Haltung zeigt des Kurses auftritt, wie im Sommer 
Verdienste erwarb sich hierbei der Geschichte der Architekturabtei- sich auch als ihr Nachteil. Architek- 1984, als es galt, eine „Studiobühne” 
im letzten Sommer verstorbene lung war die Gastdozentur von Aldo tur gewinnt wieder mehr Bedeutung in den Park einer Villa des 19. Jahr- 
Bernhard Hoesli, der mit seinem Rossi, der mit seinen Theorien von als Gestalt denn als Summe teils _hunderts zu integrieren. Architektur
	        

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