Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

der Arbeit von Dieter Hoffmann- daß der Autor seine eigenen Überle- CGrundriß herausfordern könnten, 
Axhelm. Es ist fraglich, ob’män ei. gungen über „Vergangenheitsbe. Sondern Positionen und architekto- 
ner solchen kaputten Sprache ge: wältigung” ausgerechnet am unge- nisch-kulturelle Haltungen, die wie- 
gefüber über ein Phänomen Kükel! eignetsten Objekt, nämlich Hugo der traditionelle Wertvorstellungen 
haus sprechen kann, der ein Meister Kükelhaus, festmacht. Rudolf zur massiv in die Grundrißdisposition 
der Sprache war - als Basis seines Lippe schließt seinen Rückblick da- einbringen. Für diese Tendenz ste- 
Lebens und Wirkens. Der Autorver/ hin mit der Feststellung: Hugo Kü- hen in 79 ARCH” stellvertretend die 
mutet richtig, daß der Begriff „Sinn: kelhaus schloß sich dem Kreis des Arbeiten von Rob Krier und Rudolf 
lichkeit”in'derArtikelüberschriftin Widerstandes an. So und nicht an- Link, aber auch von Heinz Biene- 
Verbindung mit Kükelhaus ein Miß- ders sind die Tatsachen. Wer die feld, wobei insbesondere die Bei 
verständnis - oder zumindest miß- Jahre 1933-45 nicht miterlebt hat, träge von Rob Krier zur Architektur- 
verständlich - ist. Daß aber nahezu kann nur mitsprechen nach gründli- und _Städtebaudiskussion So 
jedes Wort von H.-A. ein Mißver- chem Studium des Widerstandes, umstritten wie seit Jahren bekanni 
ständnis birgt, könnte nur offenbart der Imigration. Oder er muß über sind. Was sich mit diesem Architek- 
werden, wenn man jedes gerade- längere Zeit in einer der heutigen turverständnis - vermittelt über das 
rückt. Diktaturen leben, sie am eigenen Medium auch als gesellschaftliche, 
Ich will mich auf einiges Markante Leibe spüren und die Menschen Soziale Perspektive - andeutet, ist Wort vom Eingreifen und Besser- 
beschränken. dort beobachten, die leben, lieben, durchaus ambivalent zu sehen. machen. Das steht für Lehre an 
„Sinnlichkeit” hier leitet sich ver- lachen, arbeiten. Kükelhaus ist we- Diese Position aber überhaupt nicht Hochschulen? Wir brauchen doch 
mutlich ab von Sinnenhaftigkeit, d.. der in eine Ideologie, noch in eine zur Kenntnis zu nehmen, istschlicht wirklich keine sozialwissenschaftli- 
h. Übung und Gebrauch aller unse- Zeitströmung zu pressen - wie Goe- ignorant und deshalb gefährlich. chen geschulten Bürokraten, die 
rer Sinne zu jedem Werk, zu einem the nicht, sein großes Vorbild. Selbst wenn von dieser grundsätz- außerdem noch zu ihrer (im übri- 
vollen menschlichen Leben über- Ehe man solche Worte drucken läßt lichen Auslassung einmal abgese- gen: unproduktiven) Berufsaus- 
haupt. Darauf zielen alle Lebensäu- sollte man sorgfältig recherchieren. hen wird, bleibt unklar, wo Chri- übung auf jene Berufskollegen, die 
Berungen, alle immer neuen Wege An dieser Stelle sah ich mir das Um- stiane Heidenreich und Karin Win- Häuser bauen, angewiesen sind. Wir 
Hugo Kükelhaus’: auf ein voll geleb- schlagbild des Heftes nochmals an. terer in ihrer Kritik der Krierschen brauchen viele bewußte Architek- 
tes Leben, das jeder in sich selbst er- Nun schien es mir leider, vielleicht Torhäuser in der Ritterstraße die ten, die im tiefen Ernst sozialer Ver- 
zeugtzDie Genauigkeit des Hand: unbewußt, auf einen Teil des Inhal- frauenspezifischen Belange einbrin-. antwortung gestalterische Fähigkei- 
werkers verbietet Gefühlsduselei, tes hinzuweisen: Die klaren Züge gen. Hätte doch hier etwa das Ver- tenerwerben konnten und die bereit 
Hochstilisieren zur Heilslehre oder des Verstorbenen und seine außer- hältnis von Wohnhalle und Labor- sind, immer abgegrenzt, mit Lust an 
zum Guru. Noch in den letzten Mo- gewöhnliche Handschrift wurden küche genug Stoff geboten, um über der demokratischen und ästheti- 
naten erlebte ich, wie H. K. vor einer verwischt, „verfremdet”. rollenspezifische Raumorganisation schen Reform des Wohnens zu er 
Vorlesung sofort und energisch rea- N A und denkbare Wandlungen zu beiten. Die bereit sind, im wirkli- 
gierte, als man faulen Zauber um EN TE phantasieren. Wie spannend wärees chen Leben, in ihrem Beruf, die Ver- 
ihn treiben wollte: „Ich mache kein o Kükelhaus” gewesen, über Sinn oder Unsinn änderung der Baupraxis Stück für 
Theater!” S Annemarie Barth eines zentralen, familienbezogenen Stück durchzusetzen - selbst, wenn 
1. K. „fand nicht erst im Alter seine m kollektiven Raumes nachzudenken: sie dabei Fehler machen. Der Weg, 
Resonanz wieder”, wie H.-A. zu wis- PS: 7 Schafft die heute durchschnittliche alle Entscheidungsmacht den Be- 
sen meint, sondern war über alle MNachzutragen wäre: Albert (nicht oder eine zukünftig denkbare Orga- troffenen und alle Planungsgrundla- 
Jahrzehnte des langen Lebens in Alfred) Renger-Patzsch lebte zuletzt njsation des sozialen Lebens im All- gen der wackeligen sozialwissen- 
gleicher Intensität schöpferisch tä- und starb 1966 in Wamel am Möh- tag eines wie auch immer gearteten schaftlichen Empirie zu überlassen, 
tig. Wo er erschien, hinterließ er nesee. Zu gleicher Zeit lebte dort Familienverbandes das Bedürfnis kratzt doch allzu leicht am Selbstbe- 
starke Wirkung und Einflußbereiche Hugo Kükelhaus, in enger Verbin- nach solchen Räumen? Wennja, wie wußtsein und verstellt den Weg zu 
und Werke überall. Vieles ist uns dung mit ihm. müßten diese definiert sein, wel- eigener Kreativität, 
heute selbstverständlich, was er, Werner Lindner lebte zuletzt und chen Nutzungen dienen, welche So darf es dann auch niemand 
unermüdlich gelehrt hat - vieles ist Starb (so viel ich weiß) in Hermanns- Hausarbeitstätigkeiten ermögli- mehr wundern, wenn heute, anders 
nur Von wenigen umgesetzt worden burg. Schade ist, daß auf Seite 58 chen? Bietetanstelle des repräsenta- als vor gut zehn Jahren, die Anstöße 
und harrt noch der Übertragung ins - ohne Kennzeichnung - in der tiven Salons möglicherweise die für Diskussionen, die Versuche, ein- 
Allgemeine. Das ist Aufgabe derer, zweiten Spalte ein neuer Aufsatz be- Wohnküche den normalen, sozial _gefahrene Denkschemata und Lehr- 
die, Kükelhäus nach seinem”Tode ginnt. Das macht die Verwirrung angemesseneren Rahmen? Das meinungen aufzubrechen, die 
vorstellen wollen: Seine ungezähl- Noch vollständte. hätte interessiert und nicht das sub- Offenheit für gestalterische und 
ten Hinweise zu verdeutlichen. jektive Urteil, daß Ko einsehbarer soziale a oft - mit allen 
Der Verfasser des Artikels hat i i Eßplatz „Zwang zur Ordnung” (Was zwangsläufigen Fehlern - immer 
noch nicht einmal die Spitze des Eis- He NN EN auehr heißt das am Tisch überhaupt? mehr bei jenen Architekten und 
bergs des Kükelhaus’schen Gesamt- ein genügt heute . schafft. Städtebauern anzutreffen sind, die 
werkes gesehen, geschweige denn, Anmerkungen zur „Grundriß- Ich kann mich des Eindrucks arrogant als ästhetische Formalisten 
erkannt. Wenn er „Eintönigkeit” zu kritik” in 79 ARCH” nicht erwehren, daß so zentrale Fra- abgewertet wurden (und werden). 
finden glaubt in diesen so farbigen‘ Alle Beiträge unter dieser Rubrikim gen der Disziplin wie die städtebau- Die politischen und sozialen Basis- 
Daseinsäußerungen oder „Durch“ letzten ARCH*-Heft wurden von liche Betrachtung von Architektur, _bewegungen hingegen zeigen sich 
einander” in der wohldurchdachten Frauen geschrieben, sie verspra- die Wiederentdeckung des öffentli- auf diesen Feldern immer defensi- 
Fülle, dann hat er eben wedergele- chen, entweder den „frauenspezifi- chen Stadtraums als notwendiges ver, manchmal sogar schon fast para- 
sen noch 'begriffen. Wenn/jemand schen Belangen in der Architektur” Pendant zum privaten Wohnraum, Iysiert in der Durchhalteparole, 
meint, daß bei H:’K. „etwas zu ho auf die Spur zu kommen, oder den ja, auch die Organisation des Grund- Scheinbar errungene Positionen ver- 
len” sei, der lese die Antwort aus sei- „Erfahrungen mit Kindern und risses nach dem Prinzip der Halle teidigen zu müssen und in der irri- 
nen Schriften. „Es gibt beimirnichts ihren täglichen erfahrenen Ein- _mancherorts nur deshalb wütende gen Annahme, dieses zu können, 
zu holen, es sei denn, du erzeugstes schränkungen” im Sozialen Woh- _Kassandrarufe auslösen, weilsie von Ohne immer wieder neu nach ihrer 
selbst”="sö"ähnlich ist die immef- nungsbau Alternativen gegenüber- den „Falschen” wiederentdecktund Tragfähigkeit und ihren Erweite- 
wiederkehrende Antwort. Und‘„Al- zustellen. Beide Fragen sind übri. in die Diskussion gebracht worden rungsmöglichkeiten zu fragen. 
les/ist schon gesagt worden” „Ich gens nicht nur aus frauenspezifi sind. Mögliche Folge solchen Rigo- „Die Phantasie an die Macht” war 
bringe nichts Neues”, hätte der Au- scher Sicht aufregend und wichtig rismus ist der zunehmende Rückzug einmal der Schlachtruf der kriti- 
tor hören und lesen‘können, wenn! Besonders schade deshalb, daß bei aus der (gestalterischen) Verantwor- schen Intellektuellen; /ür und nicht 
er so besorgt um die „Botschaft aus den Antworten so wenig herausge- tung. Aus dem Text von Veronika gegen etwas einzutreten war immer 
zweiter Hand” ist. Die Einmaligkeit kommen ist. Keckstein: „Der theoretisch-soziolo- schon die notwendige Begründung 
der”Persön und"des Werkes’ Hügo Was Nikolaus Kuhnert in seinem gische Teil stellte sich als ein span- des Anspruchs auf produktive Ver- 
Kükelhaus’ wird sich in der Folge Editorial vorsichtig als die nendes und mühsames Unterfan- änderung. Das Auseinanderfallen 
denen eröffnen, die sie zu fassen fä- anspruchsvollen Aufgaben einer gen mit langen, engagierten Diskus- von politischer und ästhetischer 
hig sind. Seine „Quellen” hat H.K. neuen Raumidee im (sozialen) _sionen heraus ... Aus unserer Ana- Avantgarde, wie wir es immer zuge- 
immer genannt in Büchern, Schrif- Wohnungsbau vorzeichnet, näm- Iyse (...) entwickelten wir einen spitzter erleben, hat durchaus seine 
ten und bei Vorträgen: „Schreibt lich Sinnenfreude inder Architektur Katalog von konkreten Forderungen historischen Parallelen, und bisher 
euch die Namen auf!”. Ihm war die, und Ort für soziales Leben in und Entwurfskriterien für die Um- war stets die Folge, daß zuerst die 
Überlegenheit eigen, Können und Gemeinschaften in einem zu bieten. setzung von baulich-räumlichen unbequemen, nämlich die demo- 
Größe zu bewundern und(überall _verdünntsichinder Rubrik „Grund- Zusammenhängen... Die Grundriß- kratischen und emanzipatorischen 
auf sie aufmerksam zumachen -bis rißkritik” zu einer oberflächlichen analysen sollten (...) eine kritische Anteile beiseite geschoben und 
zur Selbstverleugnung. „Balance” Mäkelei über Steckdosenanord- Einstellung zu Wohnungssituatio- unterdrückt wurden. Deshalb muß 
istekeine Wnentschiedenheit, son. nung und Schrankwandstellflächen, nen vermitteln und diese Einstel. es heute gerade im Interesse der 
dern Entscheidung dazu Gegensät. die auch ein pensionierter Bauauf- lungen begründen helfen.” Dieses sozialen Basisbewegungen sein, den 
ze in sich auszutragen, u.S.W., U.S.W. sichtsbeamter nicht DIN-gerechter Papier lese man gleich nochmal: Dialog im Bereich von Architektur 
- Wort für Wort mißverstanden - hätte formulieren können. Dabei Kein Wort vom eigenen (alternati- und Städtebau dort zu suchen, wo 
Was aber nicht mehrmit Mißver- sind es doch aber weiß Gott nicht ven?) Entwurf, von sozialen und Berührungspunkte möglich schei- 
ständnis zu entschuldigen istz„Son- fehlende Gästeioiletten und rechts architektonischen Utopien, denen nen und die Auseinandersetzung 
dern an Fahrlässigkeit grenzt, ist anschlagende Türen, die Kritikam Gestalt gegeben werden soll, kein nicht mit dem Ziel des Rechtbehal- 
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