Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

gen transportiert, wie es die Schautafel aus der Ausstellung dar- Für den Anspruch, den gesamten ‚Lebensraum’ zu planen, konnte 
stellt). Solche Tatsachen waren zumindest vielen Planern durchaus man auf keine anwendbaren Beispiele zurückgreifen. Die Land- 
bekannt. So heißt es in einem Vermerk der Planungsabteilung des schaftsgestaltung beim Reichsautobahnbau z.B. war auf die land- 
RKF über eine Referentenbesprechung in der Reichsstelle für schaftliche Eingliederung der Straße begrenzt, sie konnte nur prak- 
Raumordnung betr. Planungsfragen in den Ostgauen und im Gene- tische Erfahrungen beim Aufbau der Anlage von Pflanzungen oder 
ralgouvernement: „Besonders geklagt wird über die mangelnde ähnlichen Maßnahmen liefern. Auch an gesetzlichen Handhaben 
Ordnung und Zusammenarbeit bei der Durchführung der Evakuie- mangelte es. So konnte das Reichsnaturschutzgesetz nicht als 
rungen, die vielfach ohne jede vorherige Fühlungnahme mit dem Grundlage der Landschaftsgestaltung dienen, da es weitgehend auf 
Generalgouvernement erfolgt. Die Evakuierten können nichtmehr Abwehr und Erhaltung, nicht aber auf gestalterische Maßnahmen 
in Arbeit gebracht werden, sondern werden direkt von den Trans- und deren Durchsetzung ausgerichtet war (vgl. Mäding 1943: 26). 
portzügen in kleinen Gruppen möglichst gleichmäßig über das Dieser Mangel war allerdings für die Ostgebiete nicht gravierend, 
Land verteilt und sich selbst überlassen. Man vermeidet zwar da- da der RKF, gleichzeitig Reichsführer SS, weitgehend über Grund 
durch eine Massierung der unruhigen Elemente, muß aber ande- und Boden verfügen konnte; doch im Hinblick auf eine weiterrei- 
rerseits eine Aufwiegelung des ganzen Landes in Kauf nehmen” chende, später ggf. auf das Altreich zu übertragende Planung, war 
(BAK, R 49/895. Vermerk vom 26. 6. 1940). auch dieser Aspekt für eine zukünftige Gesetzgebung zu berück- 
Einen weiteren Hinweis darauf, daß das Schicksal der in den „ein- sichtigen. Die wesentlichen Richtlinien für die Gestaltung der 
gegliederten Ostgebieten” ansässigen Bevölkerung den Planern der Ostgebiete betrafen den ländlichen Aufbau, die Planung und 
verschiedenen Dienststellen durchaus bekannt war, stellt eine Ver- Gestaltung der Städte und die Landschaftsgestaltung.Sie wurden 7 
einbarung zwischen dem Reichsführer SS und der Reichsstelle für der Form der „Allgemeinen Anordnung herausgegeben. Die 
Raumordnung (RfRO) dar, derzufolge der Reichsführer SS - Allgemeine Anordnung Nr. 7/11 des Reichsführ ers-SS, RKF vom 
n 26. 11. 1940 betr. „Grundsätze und Richtlinien für den ländlichen 
Hauptamt Haushalt und Bauten - der RfRO bzw. den Planungsbe- Aufbau in d » Ostgebieten” (vgl. Allg. Anord Nr. 7 
hörden alle Planungsvorhaben für u.a. Konzentrationslager mit 1 043 - 650 en Eden N Se eRahın N di 8. 15 ED N Siedl Ts 
Nebenbetrieben anzuzeigen hatte (vgl. BAK, R113/1713, Anlage ı } d - © . rn N SOlter di Von et a rag ES do er 
zu einem Vermerk der RfRO vom 11. 10. 1940). Und die Tatsache, PAS Car DITACA SON S s Nr ON Kreis 
daß die (nicht näher charakterisierte) landschaftsplanerische Tätig- Gauebene, die SO „Generalre erenten für Raumordnung EIS 
keit eines der Landschaftsanwälte unter Seifert, Werner Bauch, für raumordnungsskizzen erarbeiten, nach denen sich die D orfplanung 
das Konzentrationslager Ausschwitz in verschiedenen Briefwech- ZU richten hatte. Da die Raumordnungsskizzen m Einvernehmen 
seln Seiferts'®” Erwähnung findet, deutet ebenfalls an, daß man die Mit dem RKF aufzustellen waren, war die Raumordnung auf dieser 
Behandlung der Bevölkerung durch die SS und andere Machtor- Ebene an den RKF gebunde n.D - Skizzen wurden auf der Grund- 
gane der Nationalsozialisten relativ gut einschätzen konnte. lage der von den Kommissionen im Rahmen der Bestandsaufnah- 
me erarbeiteten Kreisberichte entwickelt. Außer einer Bestands- 
Wie direkt die Abhängigkeit zwischen Evakuierung und Ausrich- aufnahme sollten sie vor allem über die künftige Siedlungsstruktur, 
tung der Planungstätigkeit gewesen sein könnte, läßt sich am Bei- die geplante Bodennutzung und die Einordnung in die übergeord- 
spiel des Kreises Saybusch andeuten. Der Hauptdorfbereich Mi- nete Planung Aussagen machen. 8 
lowka im Kreis Saybusch (Regl.-Bez. Kattowitz) war einer von vier Grundsätzliches Planungsmodell für die künftige Siedlungs- 
ausgewählten Bereichen für „Versuchsplanungen”. Entsprechend struktur des Ostens war die maßgeblich von Christaller erarbeitete 
regionalistischer Vorstellung wurde für jeden Gau bzw. Regie- Zentrale-Orte-Theorie. Diese Theorie, an der zwar wahrscheinlich 
rungsbezirk der „eingegliederten Ostgebiete” eine typische Land- auch schon vor 1933 gearbeitet worden ist, wurde vor allem von 
schaft für Versuchsplanungen ausgewählt, in denen „die von den Christaller und Isenberg in den Ostgebieten erstmals in größerem 
verschiedensten Stellen bisher nur theoretisch erörterten Gestal- Ausmaß angewandt, soll aber hier nicht weiter Gegenstand der 
tungsgrundsätze praktisch erprobt werden” (Frank 1942: 1) sollten. Analyse sein. 
Der Hauptdorfbereich Milowka sollte beispielhaft für eine Gebirgs- Ein weiterer Aufgabenbereich war die Neugestaltung oder Neu- 
landschaft sein. Gerade von diesem Gebiet wird aber berichtet, daß gründung von Städten. Gemäß nationalsozialistischer Blut- und 
in der sog. „Saybusch-Aktion” vom September bis Dezember 1940 Boden-Ideologie reichte es nicht aus, die polnische Bevölkerung 
17.413 Polen in das Generalgouvernement deportiert worden sind. aus den Gebieten zu vertreiben und Deutsche anzusiedeln; viel- 
In diesen ehemaligen galizischen Kreisen gab es überwiegend pol- mehr mußte der gesamte Raum ‚artgemäß’ gestaltet werden. So 
nische Zwerghöfe. Um für die anzusiedelnden volksdeutschen wurde in den Ostgebieten zwischen drei verschiedenen planeri- 
Bauern Höfe von etwa 15 ha zu gewinnen, mußten durchschnittlich schen Landschaftszonen unterschieden: einer Ergänzungszone, 
9 polnische Bauernfamilien evakuiert werden (vgl. Broszat 1961: einer Umbauzone und einer Neubauzone. Diese planerischen 
99). Der Musterplanungskreis Saybusch scheint also gezielt nach Landschaftstypen sollten sich danach ordnen, „inwieweit deutsche 
den bereits durchgeführten ‚bevölkerungspolitischen’ Maßnah- Art eine Landschaft kulturell und materiell geprägt, und inwieweit 
men, d.h. der Vertreibung der ansässigen Bauern. ausgewählt wor- sich diese Prägung bis heute wirksam erhalten hat” (Liedecke 1940: 
den zu sein. 135): Unter der Neubauzone, der „Zone verfallener oder von jeher 
; EEE 5 niederer Kultur” verstand man die ehemals russischen Gebiete Po- 
Die Planungstätigkeit beim RKF umfaßte bar Dee lens. Dort war der Neuaufbau zahlreicher Dörfer und Städte vorge- 
so z.B. eine umfassende Bestandsaufnahme, die Aw nS.8°" sehen. „Auch zahlreiche Städte, wie z.B. Zichenau, fallen in diese 
setzesähnlicher Planungsanweisungen nn an . d Pla Zone. Sie sind gestaltlose Großdörfer, mit in der Regel minderwer- 
Musterplanungen sowie erste Ansätze zur Rea Ne Ur cd %” tiger Bebauung. Durch die Verbesserung der Bebauung allein 
AUDEEN nach dem Ende des Zweiten Weltkrie ES A De NE nd erhält die Stadt noch keineswegs deutsche Form, sondern höch- 
der wissenschaftlichen P lanungsgrundlagen diente die m m d > stens äußerlich einen deutschen Anstrich. Es ist auch fraglich, ob 
aufnahme in den „eingegliederten ‚Ostgebieten X ü T. NL id das Ausflicken der polnischen Hinterlassenschaft den materiellen 
Erfassung der städtebaulichen Situation vor allem die Si ane D. Aufwand überhaupt lohnt. Deshalb ist es nötig, die deutschen Ver- 
Forstwirtschaft relevanten Faktoren betraf. So all cr  Eılas e- waltungs- und Gewerbemittelpunkte in dieser Zone völlig neu auf- 
zember 1940 ver schiedene Maß nahmen A detai De di N UOL zubauen und Zug um Zug die alten Städte zu beseitigen als allzu 
der Boden-, Vegetations- und Klimaverhältnisse durch die Haupt- eindringliche Zeugen polnischer Wirtschaft” (Liedecke 1940: 136). 
abteilung Planung und B oden durchgeführt worden. Daraus resul- Ganz anders schilderte Bruno Taut, im ersten Weltkrieg seinen 
tiert u. a. der Plan, rund 1 Mill. ha, also 1/9 der Ges rm Eindruck von polnischen Städten und Menschen am Beispiel der 
forsten, der gleichzeitig dokumentiert, daß man Sn CLCCT UMBC- Stadt Kowno: „Aber seht doch die bunten leuchtend ultramarine- 
staltung der Landschaft kaum Beschränkungen auferlegte. blau, rot, braun, grün, gelb gestrichenen Schlagläden an Tür und 
Fenster bei jedem der zahllosen jüdischen Geschäfte! Seht doch die 
Planungsrichtlinien als Grundlage der Landschaftsgestaltung Firmen- und Reklameschilder! Sie sind alle auf Holz gemalt, auch 
Neben der Bestandsaufnahme war die Erarbeitung von Planungs- hübsch bunt, und was man da verkauft, ist selten mit Worten ange- 
richtlinien die wichtigste Arbeit der Planungsabteilung beim RKF. priesen: nein, es ist alles hübsch bunt und naiv aufgemalt und 
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