Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

BL ET ; A, Ze En a HE EESZE : 
WB ES Ka ID nF EA BY 
MARTIN STEINMANN IM GESPRACH MIT MICHAEL ALDER, 
JACOQUES HERZOG, PIERRE DE MEURON UND PETER ZUMTHOR* 
Martin Steinmann: Die Verwendung von Holz nimmt zu. Das hat Arbeit mit Holz als grob empfunden. Daß man Holz zum Bauen 
viele Gründe: ideologische - Holz ist ein „natürliches” Material -, braucht, ist mir von dort her fremd. Holz braucht man für die Ein- 
technische - Holz ist ein Material, das einfach zu verarbeiten ist -, richtung. Dennoch habe ich vor drei oder vier Jahren ein Holzhaus 
wirtschaftliche und andere. Das Gespräch soll die Möglichkeiten entworfen. Ich habe mich nach dem Grund gefragt ... Früher lach- 
untersuchen, diese oder eine andere Tradition weiterzuführen, die ten wir die aus, die mit Holz bauten. Stein ja; aber Holz, das ist bäu- 
ich eine rationale - im Gegensatz zu einer sentimentalen - nerinen Tisch, das ist arm und bäurisch ... 
möchte. Steinmann: ... oder Heimatstil. 
Diese Tradition schließt Stimmungen nicht aus, aber sie schreibt Zumthor: Das spielte auch mit. Mein Vater verkleidete sein Stein- 
sie nicht dem Holz zu als Eigenschaft des Materials selber, sondern haus mit Holz in der Art eines Chalets - ein früher Alder -, damit 
den Formen bzw. Zeichen, die damit geschaffen werden. Die Stim- Man sah, daß er eine Schreinerei hatte. 
mungen sind also nicht mit dem Holz, sondern mit seiner Verwen- Als ich dann das Haus Urech in Obersaxen entwarf, das von allen 
dung in anderen Bauten verbunden bzw. mit den Erfahrungen, die Instanzen abgelehnt wurde, waren es gerade diese Assoziationen, 
wir mit diesen anderen Bauten gemacht haben. Das gilt nicht nur die ich suchte: das Einfache, das Provisorische ... Ich dachte: wenn 
für das Holz, wie das Holz, über das wir hier sprechen, sich auch ein Zürcher in Graubünden ein Haus für seine Ferien baut, soll die- 
nicht kategoriell von einem anderen Material unterscheidet. Wir ses Haus nicht in den Boden eingegraben sein, es soll den Eindruck 
könnten auch über Stein oder Eisen sprechen. machen, daß man es morgen wieder wegschaffen könnte. Ich finde, 
Die Art der Verwendung des einen Materials unterscheidet sich die Besitzer von Ferienhäusern sollten bescheiden auftreten, leicht 
von der eines anderen Materials dennoch in zwei Punkten: einer- auftreten, im wörtlichen Sinn. Das gab den Ausschlag für ein Holz- 
seits durch seine materiellen Eigenschaften, andererseits durch haus. 
seine Eigenschaften als Ausdrucksmaterial. Diese beiden Punkte Steinmann: In diesem Zusammenhang kommen einem noch 
möchten wir mit Ihnen diskutieren auf Grund der Bauten, die Sie andere Bilder von provisorischen Bauten aus Holz in den Sinn: die 
selber unter Verwendung von Holz entworfen und - wenigstens _Baracken von Bauarbeitern in den Bergen - die zwar heute eher aus 
teilweise - auch gebaut haben. Um mit einer einfachen Frage zu Blech sind - oder von Soldaten. 
beginnen und sie an Michael Alder zu richten: Warum hast Du für Zumthor: Ich dachte eher an leichtere Bauten. Ich hätte zeigen wol- 
das Haus in Itingen BL Holz verwendet? len, daß man auch mit rohem Holz verhältnismäßig fein arbeiten 
Michael Alder: Um es gleich zu sagen: es ist nicht ein Holzhaus; die kann, wie wenn ein Schreiner ein Haus bauen würde. 
tragenden Teile sind gemauert und sind außen mit Holz verkleidet. Steinmann: Das Haus, das Jacques Herzog und Pierre de Meuron in 
Das gibt ihm das Aussehen eines Holzhauses, was es aber, wie Bottmingen gebaut haben, entspricht dieser Vorstellung. Es erin- 
gesagt, nicht ist. nert nicht an einen Schopf, wie das Haus von Michael Alder, es erin- 
Steinmann: Wir sprechen hier vom Bauen mit Holz, von der Ver- nert an ein Badehaus ... 
wendung von Holz beim Bauen. In welcher Form das geschieht, ist Jacques Herzog und Pierre de Meuron: ... an ein Möbelstück, etwas 
erst in zweiter Linie von Bedeutung. handwerklich Bearbeitetes, Kostbares. Mit ähnlichen Vorstellun- 
Alder: Außerdem bestehen die Decken - außer über den Kellerräu- gen bearbeiten wir das Projekt für ein Mehrfamilienhaus an der 
men - aus Holz, aus Balken. Holz ist also an zwei Orten verwendet. Hebelstraße. 
Es gab mehrere Gründe für die Wahl von Holz. Einer war, daß ich Steinmann: Das ist der Entwurf im Hinterhofeiner mittelalterlichen 
schon lange einmal mit Holz bauen wollte. Anlaß war meine Kritik Straße in Basel. 
am zweischaligen Mauerwerk, wo die zweite Schale keine tragende Zumthor: Beides stimmt semantisch: für ein Haus in einem Hinter- 
Funktion hat, sie ist Verkleidung, gibt aber den Anschein zu tragen. hof ist Holz richtig, auch für ein Atelier. Beides sind Aufgaben, bei 
Darum wollte ich seit langem einmal ein Haus bauen, bei dem die denen man sagt: doch“... 
äußere Schicht zum Ausdruck bringt, daß sie Verkleidung ist. Herzog und de Meuron: Holzstruktionen für Architektur in Hinter- 
Der Kontext, in dem der Bau in Itingen steht, hat mich bewogen, höfen, für Ateliers, für Werkstätten usw. ist doch nur eine Möglich- 
diese Schicht aus Holz zu bauen: er steht auf der Rückseite deralten keit. Wie sehr verändern sich unsere Städte - und unse > Vorstel- 
Häuser, wo es schon einige Schöpfe und ein Haus aus Holz gibt. So lungen. Wenn man „Holz” und „Hinterhof” sagt, so ist beidesmal 
habe ich den Auftraggebern bei unserem ersten Gespräch eine Ver- etwas Provisorisches, Leichtes, Billizes gemeint, auch wenn man 
kleidung aus dem gleichen Material vorgeschlagen. Damit waren gerade dieses liebt. 
sie einverstanden. Wir haben damals vom „Schopf” gesprochen, In Hinterhöfen sind auch „Haupt”-Gebäude eine wichtige städ- 
statt vom „Haus”. tebauliche Möglichkeit - so wie die steinernen Geschlechtertürme 
Die Balkendecke war ihre Idee. Ich bin darauf eingegangen, weil in unseren mittelalterlichen Stadtkernen. Oder die Bearbeitung 
es mich reizte, eine Decke über die ganze Breite des Hauses zu und Verwendung von Holz erreicht einen Punkt, wo diese einfache, 
spannen, so daß ich die tragende mittlere Wand weglassen konnte, alltägliche Wahrnehmung ins Wanken gerät. Diese vertraute 
die ich in den früheren Bauten verwendet hatte. Mit dieser Balken- Zuordnung von städtebaulichen Architekturtypen und Materialien 
decke über die ganze Breite von 6 Metern sind nur die Schalen aus interessiert uns sehr, so sehr, daß jeder Entwurf, den wir machen, 
Backstein belastet. diese Fragen neu beantworten muß. 
Das Holz ist innen gestrichen, glänzend gestrichen. Man sieht es Steinmann: Das gilt auch für das Haus von Michael Alder, auch es ist 
nicht. Aber man spürt es. Ich wollte vermeiden, daß das Hauseinen in seinem Kontext begründet. 
„gemütlichen” Ausdruck annimmt, außen und innen. Herzog und de Meuron: Prägend für den Kontext des Hauses aus 
Steinmann: Die gleiche Frage an Peter Zumthor gerichtet: Warum Sperrholz in Bottmingen waren für uns: der parkähnliche Garten, 
verwendest Du Holz zum Bauen? der große Paulowinabaum, die bestehende Villa aus den späten 
Peter Zumthor: Während meiner Lehre als Schreiner haben wiruns 40er Jahren, die Verwendung als privates Marionettentheater und 
über die Zimmerleute lustig gemacht: als Schreiner haben wir ihre Wohnhaus. Wir planten Holzrahmen für das Haus ähnlich der Auf- 
uU
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.