Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

EEE Een sen Ahh-* keine Verantwortung tragen; „Selbstverständlich nicht!” ruft der 
die die Tätigkeitsmerkmale des Architekten (Hochbau) Architekt erzürnt „denn ich bin kreativ”. Wir sind kreativ - er nicht. 
; Aber warum ist er dann da? Warum ersetzt er uns? Nun, weil er bes- 
m ser ist. Er zählt schneller und rechnet präziser. Er zeichnet exakter 
ohne vom vorgeschriebenen Kurs abzuweichen. Bei Veränderun- 
gen stöhnt er nicht. Kommuniziert ohne Redundanz. Er trinkt nicht 
; und arbeitet ohne Überstundenzuschläge. Er ist also billiger, lei- 
stungsfähiger und widerspricht nicht. Welch ein Konkurrent! Nur 
ii gut, daß der noch keine erotischen Gefühle entwickelt - entwickeln 
Sffentlichen kann. Er ist gehorsam und kalkulierbar. Und weil in immer mehr 
inklusive Berufen gezählt statt erlebt, gerechnet statt gewertet, gezeichnet 
m En statt gemalt, Energie ausgetauscht statt gegessen und getrunken, 
Archilekten lchre kommuniziert statt miteinander gesprochen, geliebt und gelebt 
3:  benisuren 21% wird, deshalb muß der Computer so erfolgreich sein - auch unter 
Dauindustrie Architekten. 
N upeWerblichen Er ist ein Alleskönner, ein Tausendsassa, ein Hans-Dampf in 
. Büros allen Gassen und Kanälen. 
' 11% Und warum sollten nun gerade die Architekten aufhören zu zäh- 
ae vr EIMTAEE S len, zu rechnen und zu zeichnen? Warum sollen sie es sein, die erle- 
Zahlen 14400 11400 5500 18400. davon ben, werten und malen? Sollen doch die anderen erst mal damit 
Quelke: G Felsen 1062050035 anfangen, die Arzte, die Manager, die Anwälte oder Polizisten. 
Warum gerade ich? Warum wir, nicht sie? 
Es gibt für Architekten keine besseren Gründe als für die ande- 
Doch was bietet CAD den Architekten? Sind CAD-Systeme Ten genannten und nicht genannten Berufsgruppen, aus diesem 
wirklich neue Symbolismen, die eigene neue Präsentationsformen Kreislauf auszubrechen. Keine besseren Gründe - aber auch keine 
von Bauplanungen ermöglichen? Bisher hatten die Entwickler und schlechteren! . . . 
Anbieter der CAD-Systeme erst einmal große Schwierigkeiten tra- Nun, mit solch absoluten Negationen läßt sich recht einfach argu- 
ditionelle Zeichenprozesse mit ähnlichen Eigenschaften bei glei- Mentieren. Eben weil der Mensch unersetzbar ist, wird er auch 
cher Auflösung auf der Systemoberfläche im System unterzubrin- nicht ersetzt. Das weiß selbst Lothar Späth. 3 
gen. Dies scheint inzwischen gelungen zu sein. Einfache CAD- „Etwa zehn Milliarden ‚Bits’, auf das kleinste logische Schema 
Systeme für den Einsatz in PC’s gibt es bereits deutlich unter der reduzierte Informationselemente, nimmt der Mensch über seine 
50 000-DM-Schwelle. Die schnelle Abwicklung von Veränderun- Sinnesorgane in jeder Sekunde auf. Sie werden von den Nervenzel- 
gen im Entwurf, bei gleichzeitiger in Sekundenschnelle errechneter !°n sofort und gleichzeitig ausgewertet und vorgefiltert, so daß dem 
dreidimensionaler Präsentation, bis hin zu zeichentrickbewegten Bewußtsein nur noch die faßliche Menge von etwa 25 Informations- 
Modellen, erscheint schon kurzfristig möglich zu sein. Der mikro- lementen pro Sekunde angeboten wird. Das Gedächtnis behält 
prozessorgesteuerte Pinsel macht Abbildungsprozesse in feinsten dann ungefähr eine Information je Sekunde. Dies zeigt: Der Com- 
Nuancen möglich. Aber ist das wirklich so neu? „Multi source ligh- puter ist dort stark, wo der Mensch schwach ist, in der Speicherkapa- 
ting” und „surface shading”, bisher vor allem von Werbegrafikern zität. Er ist oft überfordert, wo es um die ordnende Erfassung einer 
und Designern und noch kaum von Architekten genutzt, sind keine hochkomplexen Umwelt und hilflos, wo es um gestaltende Einwir- 
Novitäten von CAD. Sie gehören zur reichen Farben-und Formen- kung durch autonome Entscheidungen geht. Die Evolution hat den 
palette der Malerei, die auch ohne Elektronik ein reichhaltiges Menschen gelehrt, daß zum Überleben der Mut zur Unvollkom- 
Repertoire an Abbildungen mit Licht und Schatten ermöglichte. menheit, zum Risiko gehört, und daß es generell viel wichtiger ist, 
Neu ist die Tatsache, daß künstlerische Unterschiede (Daten) mit schnell eine Handlungsreaktion auszulösen als die Suche nach der 
ingenieurwissenschaftlichen, kaufmännischen und juristischen >" ichtigen’ Lösung zu perfektionieren.” (7) 
Unterschieden (Daten) verknüpft werden können. Dies innerhalb Angesichts der von Pracht genannten Architekturprobleme bie- 
sines einheitlichen Systems mit einem einheitlichen Symbolismus, ten CAD-Systeme kaum neue Lösungen an. Sie verstehen Archi- 
der Elektronik. tektur weniger als ästhetisches und soziales als vielmehr als ein Ver- 
Vergleiche, Transformationen oder Berechnungen waren auch Wwaltungsproblem, die Verwaltung vieler Daten mit festen Einga- 
ohne Datentechnik möglich. Die „Schnittstelle”, in denen die ben und Strukturen. 
unterschiedlichen Daten zur weiteren Verarbeitung zusammenlie- „The more you get data, the more you get dada!” Dieser Heraus- 
fen, war der Mensch. forderung müssen sich Architekten stellen, wenn sie Datentechni- 
Es ist umstritten, ob Computer Werkzeuge sind. Denkzeuge wer- ken in ihren Arbeitsalltag integrieren wollen. Erreichen datentech- 
den sie genannt oder Intelligenzverstärker. Wenn sie es aber sind, nische Gestaltungssysteme nicht einen Grad an Perfektion und Prä- 
dann sind sie zumindest solche, denen man ihren Nutzungszweck zision, der die Sinne und unseren Verstand abwendet vom Pro- 
nicht unmittelbar ansieht - nicht unmittelbar ansehen kann. Com- blemdruck des Leidens an Architektur und der sich hinter ihrer 
puter sind Universalmaschinen - anything goes - so lautet ein Ste- Oberfläche verbergenden Konflikte? Ist nicht das Glas der Katho- 
reotyp, das von Befürwortern und Kritikern moderner Datentech- denstrahlröhre das zweidimensionale Fenster, das von der Mehrdi- 
niken oft ebenso gläubig konsumiert wird. mensionalität der Baugestaltung schnurstracks in die Eindimensio- 
Kaum jemand wagt - wie Dreyfus (6) - Fragen danach zustellen, nalität der Datentechnik - in den Sog der Elektronen hineinführt? 
„what computers. can’t do”. Der status quo der Datentechnik  Universalrezepte, universelle Problemlösungen sind doch so neu in 
scheint seine eigenen Gesetze zu schreiben. „Ich bin schon da!” ruft der Baubranche nicht. 
der elektronische Schweineigel; und wen wundert’s, daß aus der Es kommt drauf an, was man draus macht. Deshalb also müssen 
Tatsache, daß Mikroprozessoren in den unterschiedlichsten sich Architekten mit Datentechnik auseinandersetzen?! Der gan- 
Lebensbereichen eingesetzt werden, im Zirkelschluß geschlossen zen Gesellschaft wird dieses „Sich-einlassen-auf” verordnet. Aber 
wird, daß sie all das, was man von ihnen dort erwarten müßte, auch müssen wirklich alle Bürger Jura studieren, um sich in einer ver- 
können. rechtlichen Welt zurechtzufinden? Darf nur der fernsehen, der eine 
Computer können das, was Computer können - so lautet die elektrotechnische Ausbildung „hinter sich gebracht” hat oder der 
Devise. Sonst gäbe es sie da ja nicht, wo es sie gibt. Computer kön- autofahren, der den Kfz-Meisterbrief sein eigen nennen kann? 
nen das, was Bankangestellte können, sie können das, was Schaff- Bevor die Lösungen, die die Datentechnik anbietet, so einfach 
ner können, sie können das, was technische Zeichner können. Aber nutz- und dann auch im positiven Sinne konsumierbar sind, daß sie 
können sie das wirklich? „Selbstverständlich nicht!”, sagt der Leh- nicht das Hirn mit Bits und Bytes verkleistern und uns so von der 
rer, „denn ich kann mich auf meine Schüler ganz persönlich einstel- Lösung wesentlicher Probleme abhalten, sollte man in der Nutzung 
len; „Selbstverständlich nicht!”, meint der Pilot, Computer können und Anwendung von Datentechnik zumindest vorsichtig sein. 
Be
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.