in der Regel werden uns Raum-
konzepte nicht bewußt; ich
móchte behaupten, daB nicht
einmal diejenigen. die als Planer
und Architekten die Raumkon-
zepte erfinden und durchsetzen,
sich darüber Klarheit verschaf-
fen, daB sich die Vielzahl ihrer
Planungsentwürfe zueinem Kon-
zept verdichtet und als Konzept
die gesellschaftliche Wirklichkeit
konstruiert. Ich stelle die These
auf. daB das Raumkonzept, das
die letzten 30 Jahre die Entwick-
lung in der Bundesrepublik (aber
nicht nur hier) bestimmt hat, zu-
nehmend in die Krise gerát und
dies in Zusammenhang mit einer
grundlegenden Veränderung der
gesellschaftlichen Verhältnisse
zu sehen ist. Mit der Landung der
Alliierten in der Normandie und
der in den folgenden Jahren zu-
nehmenden Amerikanisierung
Europas und damit auch der
Bundesrepublik entfaltete sich
ein System industrieller Arbeit
und Reproduktion, das durchaus
neuartig war. Eine Anzahl von
Theoretikern nennen diese Pha-
se, die in den 50er und 60er Jah-
ren ihren Höhepunkt erlebte,
Fordismus. Der Fordismus ist
zum einen durch eine verfeinerte
Arbeitsteilung in der Produk-
tion, eine intensive Kontrolle der
Arbeitsabläufe und das heißt der
Arbeitskräfte gekennzeichnet.
Auf der anderen Seite stehen als
Kompensation steigende Mas-
seneinkommen, Massenkonsum
und organisierte Freizeit. Die ge-
sellschaftliche Form der Zeit, das
Zeitregime ändert sich für viele
grundlegend. Waren vor dem
Uberlagerungen von Arbeit und
Freizeit, Konsum und Haushalts-
produktion kennzeichnend, so er-
folgt im Fordismus die strikte
Trennung der Funktionsabláufe.
Der fordistischen Regulation
entspricht, so unsere Hypothese.
ein Raumkonzept, das auf einer
notgedrungen abstrakten Ebene
als Zonierung bezeichnet werden
kann. Der Fordismus ist zum ei-
nen ein System der Rationalisie-
rung der Produktion über eine
extreme Verfeinerung der Ar-
beitsteilung und eine funktionale
Integration der arbeitsteiligen
Handlungen. | Raumeinheiten,
Zeiteinheiten und Handlungs-
moleküle werden auf ein von au-
Den gesteuertes Zielsystem hin
koordiniert. Zum anderen wird
die Reproduktion in zunehmen-
dem Mae vermarktet. Vorkapi-
talistische Formen der Repro-
duktion werden in kapitalistische
umgewandelt, die tágliche Ver-
sorgung zunehmend weniger
durch Haushaltsproduktion. im-
mer mehr durch den Markt ge-
währleistet. Die funktionale Zo-
nierung des Raumes entspricht
sowohl dem Prinzip der verfei-
nerten Arbeitsteilung als auch
der zunehmenden Vermarktung
der Reproduktion. Zugleich eig-
net sich diese Form der Raum-
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Raumkonzepte
nutzung für eine schrittweise
Vergesellschaftung des Raumes
im Sinne einer kapitalistischen
„Inwertsetzung“. Die Moderni-
sierung verläuft „Stück für
Stück“ und zergliedert dement-
sprechend die mögliche Gegen-
bewegung der betroffenen sozia-
len Gruppen.
In den Städten äußerte sich die
Zonierung zunächst im städte-
baulichen Funktionalismus. Die
Lebensfunktionen der Bewoh-
ner werden räumlich zoniert: Ar-
beiten und Wohnen, Einkaufen
und Erholung finden an jeweils
getrennten Orten statt. [ntegriert
werden die Funktionsbereiche
vornehmlich über den Individu-
alverkehr (das Auto ist nicht nui
Ausgangspunkt, sondern auch
Kernprodukt des Fordismus)
Mittelbar âuBert sich die Zonie-
rung in umfassenden Moderni-
sierungsprogrammen, die einer-
seits bestimmten Funktionen zur
Durchsetzung verhelfen sollen —
Ausweitung von Geschäfts- und
Bürovierteln, — zum anderen so-
zialen Umsetzungen dienten.
Die Dynamik dieser Gentrifizie-
rung kann sich durch öffentliche
Programme ergeben oder durch
eine Liberalisierung des Woh-
nungsmarktes hergestellt wer-
den. In einigen Fällen, wie bei
der Ausweitung der steuerlichen
Abschreibung (erhöhte Ab-
schreibung nach 7 b) greift der
Staat im Sinne eines Anreizsy-
stems ein, um die Marktdynamik
zu erhöhen. Das Ergebnis ist
nicht nur eine Veränderung der
räumlichen Verteilung sozialer
Gruppen im städtischen Raum.
Ökonomisch werden Nutzungen
und Nutzergruppen einer Allo-
kation unterzogen, die eine opti-
male Entfaltung jeweils benach-
barter Nutzungen ermóglicht.
Ein Büroviertel und ein Wohn-
quartier von Arbeitsemigranten
stören sich, da diese Nachbar.
schaft nicht nur die funktionale,
sondern auch die soziale Un-
gleichheit thematisiert. Soziolo-
gisch werden gewachsene Netze
nicht-ókonomischer Austausch-
beziehungen zerschlagen. Die
Erhöhung der Grundrenten läßt
den Sektor der handwerklichen
Produktion für die Reproduk-
tion verschwinden. Das Ergebnis
ist wiederum eine erhöhte
Marktintegration. Auf dem
Land äußert sich das Prinzip der
Zonierung eindrücklich im land-
wirtschaftlichen Bereich. Die
verstärkte Einbeziehung der
Landwirtschaft in ein staatlich re-
guliertes Marktsystem führt ja
nicht nur zur Verdichtung zahl-
reicher bäuerlicher Existenzen,
sondern zwingt die verbleiben-
den Bauern zur ökonomisch aus-
gerichteten Bewirtschaftung.
Der Hebel der Okonomisierung
war die Mechanisierung, die als
Arbeitserleichterung leicht ak-
zeptiert werden konnte. Stellt
man jedoch von Pferden als Zug-
tier auf den Traktor um, so muß
über die Art der eingesetzten
Maschine entschieden werden.
Ein Schlepper für Ackerfrucht ist
mit einem für Obst- und Weinbau
nicht zu vergleichen. Überall, wo
die Boden- und Klimabeschaf-
fenheit den Anbau einer be-
stimmten Marktfrucht nahe legt,
läßt sich eine vielseitige Bewirt-
schaftung schon unter dem Ge-
sichtspunkt des Kapitaleinsatzes
nicht mehr länger halten. Da der
Einsatz von Kunstdünger und
Herbiziden zudem untaugliches
Land „tauglich“ macht, ist in die-
sen Fällen der Zug zur Monokul-
tur nicht mehr aufzuhalten. Hin-
zu kommt die interne Arbeitsor-
ganisation. Der Landwirt kann
nicht mehr jedem Vieh nachlau-
fen. Hat man sich für die Schwei
nemast entschieden, haben Hüh-
ner keinen ókonomischen Raum
mehr. Die Monokultur ist wohl
die strikteste Anwendung des
Prinzips der Zonierung. Neben
der Hand leistet sie auch die Ein-
beziehung der Reproduktion in
den Markt. Selbstversorgung
macht keinen ökonomischen
Sinn mehr. In vielen Gebieten ist
es jedoch soweit nicht gekom-
men. Gerade in den Mittelgebir-
gen. in denen keine Nutzung so
effizient ist, daf sich eine Mono-
kultur anbieten würde, entwik-
kelte sich eine duale Okonomie
des Bodens. Ein Teil wird zum
Eigenverbrauch und zum einfa-
chen Tausch bewirtschaftet, ein
anderer Teil ist in den Agrar-
markt integriert. Der Marktbe-
zug der Reproduktion zielt in die-
sen Fällen nicht auf die Konsum-
tion, sondern die Investition. Um
bei knappen Arbeitskräften eine
ausgefächerte Haushaltsproduk-
tion leisten zu können, wird diese
rationalisiert. Wasch- und Spül-
maschine. Kühlschränke und
Tiefkühler, schließlich der elek-
trische Mixer, Büchsenöffner
und Brotschneider werden als In-
vestitionsgüter angeschafft.
Da immer weniger Arbeits-
kräfte in der Landwirtschaft ein
Auskommen finden und zudem
das dörfliche Handwerk nicht
mehr konkurrenzfähig ist, ent-
wickelt sich auf dem Land zuneh-
mend die gleiche Trennung von
Arbeit, Wohnen und Konsum
wie in der Stadt. Das Land gleicht
einer räumlich gestreckten Stadt,
häufig ist dabei der notwendige
Zeitaufwand um von der Woh-
nung zur „Arbeit zu kommen
nicht größer als in der Stadt, so
daß sich das Zeitregime von Stadt
und Land angleichen. Die Zonie-
rung leistet so auch ihren Beitrag
zur Kodifizierung der Lebens-
welten, jener Gleichartigkeit der
Lebensverhältnisse, die den ei-
gentlichen Sinn der Bundes-
raumpolitik ausmacht. Da der
Fordismus ökonomisch auf Mas-
senproduktion setzt, seine Effi-
zienz die der großen Zahl ist, ist
die Kodifizierung ein notwendi-
ges Element.
Die Zonierung kennzeichnet
jedoch nicht nur die Raumnut-
zung in ihren jeweiligen Binnen-
verhältnissen, sondern setzt auch
Räume zueinander in Bezie-
hung. Die Ausweisung von Vor-
ranggebieten, solche für Land-
wirtschaft, andere als ókologi-
sche Ausgleichsfláche, dritte zur
Erholung, erweist sich als ein
plausibles grofiráumiges Ord-
nungsschema, stellt man die for-
distische Massenproduktion in
den Mittelpunkt der Landnut-
zung. Da die Menge der Produk-
te den Gewinn ausmacht, ist die
groBe Fabrik die notwendige Ar-
chitektur. Die vielen Menschen,
die in diesen Fabriken arbeiten,
die Zulieferbetriebe, die markt-
fórmige Versorgung dieser Men-
schen, all dies sind Faktoren der
Agglomeration, die sich dann
nicht mehr aus sich selber versor-
gen kann, ihre Resourcenproble-
me zur Kostenminimierung auf
das Land übertrágt und auch kei-
ne geeigneten Flächen zur Erho-
lung aufzuweisen hat.
Zunehmend werden Begren-
zungen und Probleme des Raum-
konzeptes Zonierung deutlich.
Im ländlichen Bereich ziehen die
Monokulturen nachhaltige Pro-
bleme für Boden und Grundwas-
ser nach sich, die Qualität der Le-
bensmittel leidet unter dem Ein-
satz von Herbiziden und Kunst-
dünger. Fraglich wird auch die
Ausweisung von Naturschutzge-
bieten und Biotopen, um in den
angrenzenden Flächen dann um
so intensiver zu wirtschaften und
damit die Landvernutzung vor-
anzutreiben. Auf der Ebene der
Raumplanung erhebt sich an vie-
len Orten Widerstand gegen die
Ausweisung von Vorranggebie-
ten. In ökologischen Ausgleichs-
flächen und Schwerpunktgebie:
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