tellektuelle, Individualisten aller
Art an; zuletzt dann, logisch,
schwappte auch die alternative
Szene herein, für die kleinbür-
gerlich ambitionierte Bewohner-
schaft vollends eine Provokation.
Aber - man lebt. Auch die Frau,
die die Siedlung mit Gasflaschen
versorgt — sie kam 1945 hierher,
weil sie den Eintrittsbetrag für
die — Genossenschaftswohnung
nicht zahlen konnte -, die gibt
ausdrücklich allen Kindern
Bonbons - ,,auch den Kommune-
kindern^. Bei der Schárfe der
Konflikte ist das bemerkenswert,
aber typisch: Die Grundstim-
mung ist solidarisch. Hier hätte
keiner dem Gerichtsvollzieher je
gesagt, wo der gesuchte Schuld-
ner wohnt.
Auch die Herren vom Amt, die
Martin Albrecht Punitzer
— Architekt
geb. am 7. Juli 1889 in Berlin. Als
Architekt in Berlin tätig seit
1912. Berufsverbot 1935. Emi-
gration nach Chile 1939. Gest. in
Santiago de Chile 1949.
Eine Collage von Jürgen Lam-
peilt, Albert Ude, Wolf-Borwin
Wendlandt, Berlin 1987. Format
30/30 cm, broschiert, 32 Seiten,
ca. 84 Darstellungen, davon 21
Pläne und Zeichnungen, 63 Foto-
grafien, z.T. farbig, Preis: 20,-.
Bestellungen bei:
Albert Ude
Königsbergerstr. 18
4650 Gelsenkirchen
A
y
BGE -ZEITUN
letztes Jahr hier vermessen woll-
ten, wurden dreimal freundlich,
aber energisch rausgeworfen.
Schließlich wußte man immer,
daß die Stadt Köln irgendetwas
vorhat mit dieser Stätte des Wild-
wuchses: Aber solange sich
nichts tat, zahlte man die niedrige
Pacht und hielt still. Nun ist seit
Herbst eine Veränderungssperre
verfügt — keine baulichen Ande-
tungen sind mehr erlaubt. Das
heibt: Die Stadtverwaltung ar-
beitet am Bebauungsplan. Der
Entwurf dazu sieht das Gelände
vor für Schrebergärten, eine
Straße und für eine Erweiterung
des Friedhofs. Wenn das be-
schlossen wird, ist die Siedlung in
drei bis fünf Jahren am Ende.
Jetzt erschienen die Bewohner
zu Ausschußsitzungen. Jetzt ga-
ben sie ihre bisher bewunderns-
werte konsequente Abneigung
gegen die Medien auf. Und jetzt
erhalten sie plötzlich Zuspruch
von allen Seiten: von den Grünen
sowieso, von SPD-Ratsherren,
weil die an ihre Stimmverluste an
die Grünen denken; selbst CDU-
Politiker betreten den morasti-
gen Boden von Weg V. und ver-
sprechen eine „menschliche Lö-
sung“. Aber derweil wird die
Siedlung in Ausschüssen herum-
gereicht, und es ist keineswegs
ausgemacht, ob nicht die amtli-
che Ordnungsliebe , die sich ja
vor allem für menschlich hält,
den .Behelfsheimen" überra-
schend doch ein Ende macht.
Die Bewohnergruppe, die die
Initiative zur Erhaltung betreibt.
hat vorgeschlagen. das Ganze als
——
VERMISCHTES
Land NRW kauft 900 privati-
sierungsbedrohte Bergarbei-
terwohnungen — Bewohnerge-
nossenschaften móglich
Rund 900 Wohnungen in vier
Bergarbeitersiedlungen in Dort-
mund, Bochum und Lünen will
das Land NRW kaufen und damit
vor Spekulation und Privatisie-
rung retten. Das versprach
NRW-Städtebauminister Zôpel
Mitte Mai den Vertretern von
vier Bewohnerinitiativen, die ih-
re Wohnungen in genossen-
schaftliche Selbstverwaltung
übernehmen wollen.
Bisherige Eigentümer der
Siedlung sind die ehemaligen
Bergwerksgesellschaften Harpe-
ner AG und Krupp. Seit einigen
Jahren werden die Zechenhäuser
an die Mieter und an ortsfremde
Interessenten verkauft. Die Mie-
ter verfügen aber nur in den sel-
tensten Fällen über das notwen-
dige Eigenkapital. Sie fürchten,
durch die Wohnungsverkäufe
aus ihrer angestammten Umge-
bung vertrieben zu werden. Mit
der Übernahme der Siedlung
durch das Land wäre diese Be-
wohnervertreibung verhindert
Möglich wurde die wohnungspo-
litische „Rettungstat“ des Lan-
des u.a. durch die aktiven Mie-
terinitiativen, die in vielfältigen
Aktionen energisch auf die Pro-
bleme hinwiesen.
In Zusammenarbeit mit der
„Arbeitsgemeinschaft der Arbei-
tersiedlungsinitiativen" und der
WohnBund-Beratung NRW ent-
wickelten die Initiativen ein Mo-
dell bewohnernaher Tráger
schaft; mit finanzieller Unter-
stützung des Landes kónnten die
Wohnungen in den Besitz von
Bewohnergenossenschaften
übergehen. Vorerst soll die
Landesentwicklungsgesellschaft
(LEG) Eigentümerin der Sied-
lungen werden. Noch im Monat
Genossenschaft aufzuziehen und
zu kaufen. Damit wäre die Hei-
mat derer gesichert, die nirgend-
wo anders hin können, und aller,
die nirgendwo anders hin wollen.
Dann wäre ein in der BRD
wohl einmaliges Ensemble geret-
tet. Um welchen Preis, ist eine
andere Frage: Der ethnologische
Blick auf ein romantisch-proleta-
risches „kölsches Biotop“ allein
wird dieses schon nicht unverän-
dert lassen, auch bevor eine klin-
kerwütige Eigenheimmentalität
um sich greift. Rettung des Be-
drohten hat immer seine Zerstö-
rung eingeschlossen. Wie könnte
auch die Unschuld eines Ortes,
wo jeder lebt und baut, wie er
will. ewig währen.
Beatrice Füsser-Novy
Mai wird die LEG im Auftrag des
Landes die Kaufverhandlungen
mit den Eigentümern beginnen.
Mit dem Beginnder Verhandlun-
gen kónnte dann ein Privatisie-
rungsstopp in den Siedlungen
verkündet werden.
Durch das Fianzierungskon-
zept des Landes ist der Kauf der
Siedlungen allerdings mit einer
Anhebung der Mietpreise auf die
ortsübliche Vergleichsmiete ver-
bunden. Im „Gegenzug“ will die
LEG mit den Bewohnerinitiati-
ven ein Modell weitestgehender
Mietermitbestimmung entwik-
keln, das nach den Absichten des
Ministeriums Pilotcharakter für
weite Bereiche der Wohnungs-
wirtschaft bekommen soll. Nach
den Aussagen von Minister Zó-
pel soll diessoweit gehen, daB die
Belegung und Teile der Instand-
haltung der Wohnungen von den
Mietern übernommen werden
(Selbstverwaltung). Eine Uber-
gabe der Eigentumsrechte an zu-
künftige | Bewohnergenossen
schaften ist, so Stádtebaumini-
ster Zópel, ebenfalls prinzipiell
möglich.
WohnBund-Beratung NRW,
Büro Dortmund
Eichlinghofer Str. 10
4600 Dortmund 50
Tel.: 0231/753362
Roland Grzelski, Joachim Boll
A!