Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architektur und Städtebau (1987, Jg. 20, H. 88-92)

tellektuelle, Individualisten aller 
Art an; zuletzt dann, logisch, 
schwappte auch die alternative 
Szene herein, für die kleinbür- 
gerlich ambitionierte Bewohner- 
schaft vollends eine Provokation. 
Aber - man lebt. Auch die Frau, 
die die Siedlung mit Gasflaschen 
versorgt — sie kam 1945 hierher, 
weil sie den Eintrittsbetrag für 
die — Genossenschaftswohnung 
nicht zahlen konnte -, die gibt 
ausdrücklich allen Kindern 
Bonbons - ,,auch den Kommune- 
kindern^. Bei der Schárfe der 
Konflikte ist das bemerkenswert, 
aber typisch: Die Grundstim- 
mung ist solidarisch. Hier hätte 
keiner dem Gerichtsvollzieher je 
gesagt, wo der gesuchte Schuld- 
ner wohnt. 
Auch die Herren vom Amt, die 
Martin Albrecht Punitzer 
— Architekt 
geb. am 7. Juli 1889 in Berlin. Als 
Architekt in Berlin tätig seit 
1912. Berufsverbot 1935. Emi- 
gration nach Chile 1939. Gest. in 
Santiago de Chile 1949. 
Eine Collage von Jürgen Lam- 
peilt, Albert Ude, Wolf-Borwin 
Wendlandt, Berlin 1987. Format 
30/30 cm, broschiert, 32 Seiten, 
ca. 84 Darstellungen, davon 21 
Pläne und Zeichnungen, 63 Foto- 
grafien, z.T. farbig, Preis: 20,-. 
Bestellungen bei: 
Albert Ude 
Königsbergerstr. 18 
4650 Gelsenkirchen 
A 
y 
BGE -ZEITUN 
letztes Jahr hier vermessen woll- 
ten, wurden dreimal freundlich, 
aber energisch rausgeworfen. 
Schließlich wußte man immer, 
daß die Stadt Köln irgendetwas 
vorhat mit dieser Stätte des Wild- 
wuchses: Aber solange sich 
nichts tat, zahlte man die niedrige 
Pacht und hielt still. Nun ist seit 
Herbst eine Veränderungssperre 
verfügt — keine baulichen Ande- 
tungen sind mehr erlaubt. Das 
heibt: Die Stadtverwaltung ar- 
beitet am Bebauungsplan. Der 
Entwurf dazu sieht das Gelände 
vor für Schrebergärten, eine 
Straße und für eine Erweiterung 
des Friedhofs. Wenn das be- 
schlossen wird, ist die Siedlung in 
drei bis fünf Jahren am Ende. 
Jetzt erschienen die Bewohner 
zu Ausschußsitzungen. Jetzt ga- 
ben sie ihre bisher bewunderns- 
werte konsequente Abneigung 
gegen die Medien auf. Und jetzt 
erhalten sie plötzlich Zuspruch 
von allen Seiten: von den Grünen 
sowieso, von SPD-Ratsherren, 
weil die an ihre Stimmverluste an 
die Grünen denken; selbst CDU- 
Politiker betreten den morasti- 
gen Boden von Weg V. und ver- 
sprechen eine „menschliche Lö- 
sung“. Aber derweil wird die 
Siedlung in Ausschüssen herum- 
gereicht, und es ist keineswegs 
ausgemacht, ob nicht die amtli- 
che Ordnungsliebe , die sich ja 
vor allem für menschlich hält, 
den .Behelfsheimen"  überra- 
schend doch ein Ende macht. 
Die Bewohnergruppe, die die 
Initiative zur Erhaltung betreibt. 
hat vorgeschlagen. das Ganze als 
—— 
VERMISCHTES 
Land NRW kauft 900 privati- 
sierungsbedrohte Bergarbei- 
terwohnungen — Bewohnerge- 
nossenschaften móglich 
Rund 900 Wohnungen in vier 
Bergarbeitersiedlungen in Dort- 
mund, Bochum und Lünen will 
das Land NRW kaufen und damit 
vor Spekulation und Privatisie- 
rung retten. Das versprach 
NRW-Städtebauminister Zôpel 
Mitte Mai den Vertretern von 
vier Bewohnerinitiativen, die ih- 
re Wohnungen in genossen- 
schaftliche Selbstverwaltung 
übernehmen wollen. 
Bisherige Eigentümer der 
Siedlung sind die ehemaligen 
Bergwerksgesellschaften Harpe- 
ner AG und Krupp. Seit einigen 
Jahren werden die Zechenhäuser 
an die Mieter und an ortsfremde 
Interessenten verkauft. Die Mie- 
ter verfügen aber nur in den sel- 
tensten Fällen über das notwen- 
dige Eigenkapital. Sie fürchten, 
durch die Wohnungsverkäufe 
aus ihrer angestammten Umge- 
bung vertrieben zu werden. Mit 
der Übernahme der Siedlung 
durch das Land wäre diese Be- 
wohnervertreibung verhindert 
Möglich wurde die wohnungspo- 
litische „Rettungstat“ des Lan- 
des u.a. durch die aktiven Mie- 
terinitiativen, die in vielfältigen 
Aktionen energisch auf die Pro- 
bleme hinwiesen. 
In Zusammenarbeit mit der 
„Arbeitsgemeinschaft der Arbei- 
tersiedlungsinitiativen" und der 
WohnBund-Beratung NRW ent- 
wickelten die Initiativen ein Mo- 
dell bewohnernaher  Tráger 
schaft; mit finanzieller Unter- 
stützung des Landes kónnten die 
Wohnungen in den Besitz von 
Bewohnergenossenschaften 
übergehen. Vorerst soll die 
Landesentwicklungsgesellschaft 
(LEG) Eigentümerin der Sied- 
lungen werden. Noch im Monat 
Genossenschaft aufzuziehen und 
zu kaufen. Damit wäre die Hei- 
mat derer gesichert, die nirgend- 
wo anders hin können, und aller, 
die nirgendwo anders hin wollen. 
Dann wäre ein in der BRD 
wohl einmaliges Ensemble geret- 
tet. Um welchen Preis, ist eine 
andere Frage: Der ethnologische 
Blick auf ein romantisch-proleta- 
risches „kölsches Biotop“ allein 
wird dieses schon nicht unverän- 
dert lassen, auch bevor eine klin- 
kerwütige Eigenheimmentalität 
um sich greift. Rettung des Be- 
drohten hat immer seine Zerstö- 
rung eingeschlossen. Wie könnte 
auch die Unschuld eines Ortes, 
wo jeder lebt und baut, wie er 
will. ewig währen. 
Beatrice Füsser-Novy 
Mai wird die LEG im Auftrag des 
Landes die Kaufverhandlungen 
mit den Eigentümern beginnen. 
Mit dem Beginnder Verhandlun- 
gen kónnte dann ein Privatisie- 
rungsstopp in den Siedlungen 
verkündet werden. 
Durch das Fianzierungskon- 
zept des Landes ist der Kauf der 
Siedlungen allerdings mit einer 
Anhebung der Mietpreise auf die 
ortsübliche Vergleichsmiete ver- 
bunden. Im „Gegenzug“ will die 
LEG mit den Bewohnerinitiati- 
ven ein Modell weitestgehender 
Mietermitbestimmung entwik- 
keln, das nach den Absichten des 
Ministeriums Pilotcharakter für 
weite Bereiche der Wohnungs- 
wirtschaft bekommen soll. Nach 
den Aussagen von Minister Zó- 
pel soll diessoweit gehen, daB die 
Belegung und Teile der Instand- 
haltung der Wohnungen von den 
Mietern übernommen werden 
(Selbstverwaltung). Eine Uber- 
gabe der Eigentumsrechte an zu- 
künftige | Bewohnergenossen 
schaften ist, so Stádtebaumini- 
ster Zópel, ebenfalls prinzipiell 
möglich. 
WohnBund-Beratung NRW, 
Büro Dortmund 
Eichlinghofer Str. 10 
4600 Dortmund 50 
Tel.: 0231/753362 
Roland Grzelski, Joachim Boll 
A!
	        
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