ZU DIESEM HEE
Gemeinschaftsräume im
Kerngehäuse und
im Außenhaus
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Indoor-City
Corporate-Identities
KOMMUNITÄRE WOHNFORMEN
89 ARCH* war dem neuen Baugedanken gewidmet. Seine auf-
fälligste Eigenschaft ist die Indoor-City, sein Ort downtown. Wie
sehen nun die Gegenwelten zu den Indoor-Cities aus, die Vor-
Orte am Rande der Stadt, die Räume des familiären Zuhauses?
Ich konzentriere mich auf die Gegenwelten der Reformsied-
lungen. Ihre Träger sind Gemeinschaften. Sie speisen sich aus
zwei Motiven: aus der auf die 60er Jahre zurückgehenden radika-
len Kritik am Verhältnis Staat-Gesellschaft und an den Verkehrs-
formen der Gesellschaftsmitglieder untereinander. Aus beiden
Motiven sind den Reformsiedlungen die prägenden Aufgaben
zugewachsen:
® die entstaatlichten sozialen Dienste (beispielsweise die Kin-
dererziehung in Form von Kinderläden etc.),
® die neuen familiär entkoppelten Bedürfnisse (beispielsweise
die Bedürfnisse nach Gruppenidentität und Geselligkeit, auf-
grund veränderter Geschlechterrollen etc.).
Auf beiden Aufgaben gründet das Gemeinschaftsgefühl. Es ist
die neue Instanz, der es, wenigstens im Fall der hier interessieren-
den Fragen gelungen ist, die neuen Aufgaben von staatlichen
Einflüssen frei zu halten und eine Auffangstellung gegen den ra-
santen Verfall der bürgerlichen Familie aufzubauen. Realiter
längst auf einen Zweckverband für temporäre Ziele reduziert,
gewinnt die Familie durch Integration in die Gemeinschaft wie-
der an Bedeutung. Sie wird neben anderen zu einer ihrer Basis-
zellen.
Baulicher Ausdruck dieser Basiszellen ist die Wohnung für das
Existenzminimum heutigen Zuschnitts, der auf einen unverzicht-
baren Kern zusammengeschrumpfte Raum zum Wohnen, Schla-
fen, Essen ... das Kerngeháuse. Dieses Kerngehàuse ist weder
Haus noch Wohnung im klassischen Sinne. Es ist ein in vielfälti-
ger Weise in die Umwelt integriertes Aggregat.
Reformsiedlungen
Auffälligstes Merkmal ist das neue Verhältnis zwischen Gemein-
schaftsräumen und Kerngehäuse. Die Gemeinschaftsräume
dringen in den Außenraum vor. Sie besetzen ihn mit den neuen
Diensten und Bedürfnissen. Beide Aufgaben fordern Raum und
schaffen neue Raumcharaktere. Ich konzentriere mich auf die
Frage der Raumcharaktere der Gemeinschaftsräume. Sie schlie-
Ben an die Kerngeháuse, z. T. scharf geschieden, z. T. übergangs-
los. In jedem Fall sind sie sozial wie ráumlich vermittelnden Cha-
rakters. Sie sind weder óffentlich noch privat, weder nach dem
Modell staatlichen Gehorsams noch nach dem familiárer Gebor-
genheit geformt. Zugánglich für die Gemeinschaft, sind sie durch
sichtbare oder unsichtbare Grenzen für die weitere Offentlich-
keit versperrt. Weder Straße noch Platz, sind sie im klassischen
Sinne Orte geschlossener Gesellschaften.
Sie sind alles in allem ein erweiterter, in den Außenraum ge-
stülpter Innenraum, Außenhäuser.
Eine Anmerkung in eigener Sache: 79, 89, 922 ARCH*
Dieses Heft fügt ein weiteres Mosaiksteinchen in das Puzzle einer
orientierenden Publikationsstrategie von ARCH". Denn was be-
schreibt esmehr, was nicht schon in 72 ARCH* am Beispiel des
Grundrisses, in 8989 ARCH" am Beispiel sog. intelligent buildings,
also Fabrik- und Verwaltungsbauten vorgestellt wurde. In 79
ARCH haben wir die Organisation des Grundrisses nach dem
Schema Gemeinschaftsraum — Serviceráume diskutiert (79
ARCH" ,S.26), in 89 ARCH* den neuen Baugedanken, in dem
obiges Schema, in seine Bestandteile zerlegt in den Prinzipien
Outside-Servive, Indoor-City wiederkehrt. (59 ARCH*, S. 22
ff).
Neu ist dagegen die Tendenz, die Heftthemen im Zusammen-
hang zu sehen und als Konsequenz der gesellschaftlichen Moder-
nisierung zu begreifen. Hierzu ist zu sagen: Sollte es sich bewahr-
heiten, daB an den Quellpunkten der gesellschaftlichen Produk-
tion und Reproduktion, der Arbeit und Interaktion (Habermas)
Entwicklungen zu greifen beginnen, die sich anschicken die Ge-
selischaftsformation überhaupt umzukrempeln, dann steht mehr
in Frage als nur die 60er Jahre Themen, Verháltnis Staat — Gesell-
schaft, soziale Verkehrsformen etc.. In Frage stehen dann viel-
mehr die Legitimationsbasen dieser Gesellschaftsformation
selbst. Hierin, in der zerstórerischen Seite des zivilisatorischen
Prozesses, in der Tendenz also zur Entwertung überkommener
Arbeitsformen und Beziehungsmuster, ohne dal} absehbar wire,
welche giiltigen Formen zukiinftig an ihre Stelle treten werden,
sehe ich den Springpunkt für die Hinwendung zu sinnstiftenden
Gemeinschaften, heilen sie corporate identity der Firma ... oder
der Óko-Siedlung ... oder der Gartenstadt ...
Corporate identities.
Die ungeliebte Nachbarschaft mag irritieren. Ich denke aber, daß
sich nur noch durch Aufbrechen der verkrusteten Lager die ver-
schwiegenen Koalitionen ans Licht zerren lassen, die lángst die
Gegenwart regieren, der unausgesprochene Schulterschluf zwi-
schen Óko- und High-Tech-Technokraten, der heimliche Bund
zwischen Postmoderne und Graswurzelókologie...
Nikolaus Kuhnert
Die Arbeiten von Kostulski/Kaut, metron, Schulten und Vandkunsten wurden für
den „Landeswettbewerb 1987: Ökologisches Bauen“ und die „Bayrische Demonstra-
tivbaumafinahme des Sozialen Wohnungsbau: Mustersiedlungen in Bayern“ erstellt
Wir bedanken uns recht herzlich bei Herrn Ohrmann und Herrn Nußberger vom Mi-
nisterium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-
Westfalen und bei der Obersten Baubehórde im Bayrischen Staatsministerium des
inneren für die Gewáhrung eines Vorabdrucks in ARCH *
MI